5. Liebelei
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„ODOENVEN
I. österr. beh. konz. Unternehmen für Zeitungs¬
Ausschnitte und Bibliographie.
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertretungen
in Berlin, Brüssel, Budapest, Chicago, Cleveland, Christiania,
Genf, Kopenhagen, London, Madrid, Mailand, Minneapolis,
New-Vork, Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Peters¬
burg, Toronto.
###ellenangabe ohne Gewahr.)
Zerliner Allgemeine - Zeitung
Ausschnitt aus
Berlin
vom:
W
Schnitzlers „Liebelei“ als Oper.
Gestern Erstaufführung in der Komischen
Oper.
Die Opernliteratu: vergangener Zeit ent¬
hält eine Anzahl Werke, die auf dramatischen
Dichtungen klassischer Meister beruhen. Italiener,
Franzosen und Deutsche haben Texte für ihre
Opern aus Schöpfungen Shakespeares, Goethes,
Schillers gezogen, und auch in unsern Tagen
sind es erfolgreiche epische und dramatische
Werke, denen zeitgenössische Tondichter ihre
Textbücher entnommen haben. Ich nenne von
jenen nur Sardou in seiner „Toska“. Tolstoi in
seiner „Auferstehung, Zola im „Abbé Mourei“,
Hoffmannsthal in
seiner „Salome" und
„Elektra“. Nun ist gestern auch Franz Neu¬
mann auf der Bühne des Herrn Gregor mit
seiner Oper „Liebelei erschienen, einem
Werke, das dem gleichnämigen Schauspiel
Arthur Schnitzlers textlich sein Entstehen
verdankt. Dieses Drama aus der Wiener
Sphäre, das in einer Liebelei der jungen Lebe¬
männer Fritz und Theodor mit den „süßen“.
Wiener Mädels Christine und Mizzi so fröhlich
beginnt und in einem Duell des ersteren mit
dem betrogenen Ehemann tragisch endet, hat den
phantasievollen Komponisten zu einer musi¬
kalischen Illustration seines Inhalts gelockt. Ist
aber jedes Schauspiel, das sich als bühnenwirk¬
sam erweist, auch geeignet für eine Umwandlung
zur Oper? Bei dem Schauspiel Schnitzlers
muß die Frage verneint werden. Was in dem
gesprochenen Dialog, selbst in unwesentlichen
Momenten natürlich erscheint, wirkt in einer
gesanglichen Umkleidung gezwungen, wenn nicht
gar lächerlich, und Neumann hat seinen Text
wortgetreu dem Drama Schnitzlers entnommen.
Diese kurzatmigen, oft nur wenige Worte ent¬
haltenden Sätze, machen in ihrer Vertonung den
Eindruck einer melodischen Engbrüstigkeit, Wo
wir die Lungenkraft einer organisch entwickelten,
warmblütigen, gesunden Kantilene erwarten,
läßt der Komponist seine Sänger in musikali¬
schen Phrasen, in abgerissenen Parlandos sich
ergehen. Solcher Sprechgesang wirkt aber auf
die Dauer eintönig. Wo diese Deklamations¬
musik von wirklichem Gesang unterbrochen wird,
wie in dem Liede Christines aus dem Lochheimer
Liederbuch und einigen anderen Stücken, atmet
der Zuhörer förmlich auf und erquickt sich an
innig empfündenen, ausdrucksvollen, schönen
Melodien. Solcher erfrischenden Sätze enthält
die Oper leider nicht allzuviele, und wir
werden die Befürchtung nicht los, daß es dem
Komponisten an der Fähigkeit, gesanglich zu
schreiben, überhaupt gebricht. Das ist aber das
Charakteristikum des modernen Musikdramas,
daß die Singstimmen geringschätzig behandelt
werden und nur das Orchester auf den Schild
erhoben wird. Auch in dem Werke Neumanns
ist es vornehmlich das Orchester, in dem die
eigentliche Begabung des Komponisten zutage
tritt. Hier beweist er einen Reichtum an Aus¬
drucksmitteln, die ihre Wirkung nur selten ver¬
sagen. Für jede Stimmung, für jeden Gefühls¬
affekt, im Heitern wie im Ernsten, hat er die
entsprechenden instrumentalen Farben auf seiner
Palette, und das Kolorit ist meist von intensiver
Leuchtkraft. Von rein orchestralen Stücken ist
das Vorspiel zum dritten Akt. obgleich etwas ge¬
dehnt, als ein den tragischen Ausgang kündendes
Tongemälda besonders hervorzuheben.
In
kleineren Formen ist manches heitere Sätzchen
Wiener Geblüts von anmulender Wirkung.
Dieses spezifisch Wiener Gepräge hatte die
Gesamtaufführung der Oper. Die in der Ver=1
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„ODOENVEN
I. österr. beh. konz. Unternehmen für Zeitungs¬
Ausschnitte und Bibliographie.
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertretungen
in Berlin, Brüssel, Budapest, Chicago, Cleveland, Christiania,
Genf, Kopenhagen, London, Madrid, Mailand, Minneapolis,
New-Vork, Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Peters¬
burg, Toronto.
###ellenangabe ohne Gewahr.)
Zerliner Allgemeine - Zeitung
Ausschnitt aus
Berlin
vom:
W
Schnitzlers „Liebelei“ als Oper.
Gestern Erstaufführung in der Komischen
Oper.
Die Opernliteratu: vergangener Zeit ent¬
hält eine Anzahl Werke, die auf dramatischen
Dichtungen klassischer Meister beruhen. Italiener,
Franzosen und Deutsche haben Texte für ihre
Opern aus Schöpfungen Shakespeares, Goethes,
Schillers gezogen, und auch in unsern Tagen
sind es erfolgreiche epische und dramatische
Werke, denen zeitgenössische Tondichter ihre
Textbücher entnommen haben. Ich nenne von
jenen nur Sardou in seiner „Toska“. Tolstoi in
seiner „Auferstehung, Zola im „Abbé Mourei“,
Hoffmannsthal in
seiner „Salome" und
„Elektra“. Nun ist gestern auch Franz Neu¬
mann auf der Bühne des Herrn Gregor mit
seiner Oper „Liebelei erschienen, einem
Werke, das dem gleichnämigen Schauspiel
Arthur Schnitzlers textlich sein Entstehen
verdankt. Dieses Drama aus der Wiener
Sphäre, das in einer Liebelei der jungen Lebe¬
männer Fritz und Theodor mit den „süßen“.
Wiener Mädels Christine und Mizzi so fröhlich
beginnt und in einem Duell des ersteren mit
dem betrogenen Ehemann tragisch endet, hat den
phantasievollen Komponisten zu einer musi¬
kalischen Illustration seines Inhalts gelockt. Ist
aber jedes Schauspiel, das sich als bühnenwirk¬
sam erweist, auch geeignet für eine Umwandlung
zur Oper? Bei dem Schauspiel Schnitzlers
muß die Frage verneint werden. Was in dem
gesprochenen Dialog, selbst in unwesentlichen
Momenten natürlich erscheint, wirkt in einer
gesanglichen Umkleidung gezwungen, wenn nicht
gar lächerlich, und Neumann hat seinen Text
wortgetreu dem Drama Schnitzlers entnommen.
Diese kurzatmigen, oft nur wenige Worte ent¬
haltenden Sätze, machen in ihrer Vertonung den
Eindruck einer melodischen Engbrüstigkeit, Wo
wir die Lungenkraft einer organisch entwickelten,
warmblütigen, gesunden Kantilene erwarten,
läßt der Komponist seine Sänger in musikali¬
schen Phrasen, in abgerissenen Parlandos sich
ergehen. Solcher Sprechgesang wirkt aber auf
die Dauer eintönig. Wo diese Deklamations¬
musik von wirklichem Gesang unterbrochen wird,
wie in dem Liede Christines aus dem Lochheimer
Liederbuch und einigen anderen Stücken, atmet
der Zuhörer förmlich auf und erquickt sich an
innig empfündenen, ausdrucksvollen, schönen
Melodien. Solcher erfrischenden Sätze enthält
die Oper leider nicht allzuviele, und wir
werden die Befürchtung nicht los, daß es dem
Komponisten an der Fähigkeit, gesanglich zu
schreiben, überhaupt gebricht. Das ist aber das
Charakteristikum des modernen Musikdramas,
daß die Singstimmen geringschätzig behandelt
werden und nur das Orchester auf den Schild
erhoben wird. Auch in dem Werke Neumanns
ist es vornehmlich das Orchester, in dem die
eigentliche Begabung des Komponisten zutage
tritt. Hier beweist er einen Reichtum an Aus¬
drucksmitteln, die ihre Wirkung nur selten ver¬
sagen. Für jede Stimmung, für jeden Gefühls¬
affekt, im Heitern wie im Ernsten, hat er die
entsprechenden instrumentalen Farben auf seiner
Palette, und das Kolorit ist meist von intensiver
Leuchtkraft. Von rein orchestralen Stücken ist
das Vorspiel zum dritten Akt. obgleich etwas ge¬
dehnt, als ein den tragischen Ausgang kündendes
Tongemälda besonders hervorzuheben.
In
kleineren Formen ist manches heitere Sätzchen
Wiener Geblüts von anmulender Wirkung.
Dieses spezifisch Wiener Gepräge hatte die
Gesamtaufführung der Oper. Die in der Ver=1