II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 994

Liebele
5. box 12/1
Telephon 12.801.
„OSULRTEN
1. österr. beh. konz. Unternehmen für Zeitungs¬
Ausschnitte und Bibliographie.
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertretungen
in Berlin, Brüssel, Budapes Chicago, Cieveland, Christiania,
Genf, Kopenhagen, Londor, Madrid, Mailand, Minneapolis,
New-Vork, Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Peters¬
burg, Toronto.
(Ouellenangabe ohne Gewähr.)
Ausschnitt aufägliche Bundschau, Berlla
vom:
L1
Hus dem Kunstleben.
Komische Oper: „Liebelei“.
Es ist schlimm, wenn so ein modernes Schauspiel mit
einer dickflüssigen Puccini=Musik übergossen wird. All seine
Bewegungsfreiheit ist hin, und wenn es sich ja einmal
rühren will, dann muß es die tragische Gebärde annehmen
und mit Pethos der Welt Offenbarungen verkünden, wie
„Ich
bin aufgehalten worden, drum habe ich
mich verspätet.“ Mit steigender Verwunderung fragt
man sich zwei Akte lang, was den Komponisten dieser Oper,
Franz Neumann, zu Urtur Schnitzlers Dichtung
hingezogen haben möchte. Die beiden Temperamente
reimen sich so ganz und gar nicht aufeinander. Eine Musik,
die ewig am Ufer des Stroms der Tränen weilt, der das
leichte Hingleiten über die Dinge nie gelingen will. Das
Vorspiel zum dritten Akt erläutert dann aufdringlich klar,
was Neumann aus Schnitzler herausgelesen hat. Aus
dem Stück ist eine Rolle für den kragischen Sopran geworden.
Die Tragik aber, die uns vermittelt wird, ist eine Tragik
von Puccinis Gnaden. Ist Schnitzler begeistert von solcher
Vertonung? Er müßte dann recht unmusikalisch sein. —
Die Rolle hatte Fräulein Maria Labia; ihr stärkster
Moment war, als sie in der Ahnung vom Tode ihres
Liebsten einen Takt lang alle Musik Musik sein ließ und
durch das Elementare des gesprochenen Wortes wirkte. Herr
Nadolovitch, den diese Oper immer nur aufs Sprung¬
brett, aber nie zum Sprung kommen läßt, hielt sich nach
Möglichkeit heroisch. Alle anderen (bis auf den rührseligen
Musikpapa) hatten die aussichtslose Aufgabe, mit ihren
leichten Dialogworten sich durch die dicken Tonmassen durch¬
zuarbeiten. Es war etwa, als ob man einem Klavier¬
spieler zumutete, durch ein Handtuch hindurchzuspielen.
Wenn es sein muß, geht es ja auch; aber wie!
Willy Pastor.
ODSENVER
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1. österr.
beh. konz. Unternehmen für Zeitungs¬
Ausschnitte und Bibliographie.
Wien, I., Concordiaplatz 4.
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Berlin, Brüssel, Budapest, Chicago, Cleveland, Christian.a,
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burg, Toronto.
(Geclienangabe ohne Gewähr.)
Ausschmstidiner Morgenpost, Berb
vom:
NTE
Theater , Kunst und
Wissenschaft
Schrihlers „Liebelei“ als Oper.
Gestern Erstaufführung in der Komischen Oper.
Die Opernliteratur vergangener Zeit enthält eine
Anzahl Werke, die auf dramat'schen Dichtungen klaf¬
sischer. Meister beruhen. Italiener, Franzosen und
Deutsche haben Texte für ihre Opern aus Schöpfungen
Shakespeares, Goethes, Schillers gezogen, und auch in
unsern Tagen sind es erfolgreiche epische und
dramatische Werke, denen zeitgenössische Tondichter ihre
Textbücher entnommen haben. Ich nenne von jenen
nur Sardou in seiner „Tosca“, Tolstoj in seiner „Auf¬
erstehung“, Zola im „Abbé Mouret“ Hofmannsthal
in seiner „Salome“ und „Elektra“. Nun ist gestern
auch Franz Neumann auf der Bühne des Herrn
Gregor mit seiner Oper „Liebelei“ erschienen,
einem Werke, das dem gleichnamigen Schauspiel
Arthur Schnitzlers textlich sein Entstehen ver¬
dankt. Dieses Drama aus der Wiener Sphäre, das
in einer Liebelei der jungen Lebemänner Fritz und
Theodor mit den „süßen“ Wiener Mädels Christine
und Mizzi so fröhlich beginnt und in einem Duell
des ersteren mit dem betrogenen Ehemann tragisch
endet, hat den phantasiereichen Komponisten zu einer
musikalischen Illustration seines Inhalts gelockt. Ist
aber jedes Schauspiel, das sich als bühnenwirksam
erweist, auch geeignet für eine Umwandlung zur Oper?
Bei dem Schauspiel Schnitzlers muß die Frage ver¬
neint werden. Was in dem gesprochenen Dialog
selbst in unwesentlichen Momenten natürlich erscheint,
wirkt in einer gesanglichen Umkleidung gezwungen,
wenn nicht ger lächerlich, und Neumann hat seinen Text
wortgetreu dem Drama Schnitzlers entnommen. Diese
kurzatmigen, oft nur wenige Worte enthaltenden Sätze,
machen in ihrer Vertonung den Eindruck einer
melodischen Engbrüstigkeit. Wo wir die Lungenkraft
einer organisch entwickelten, warmblütigen, gesunden
Kantilene erwarten, läßt der Komponist seine Sänger
in musikalischen Phrasen, in abgerissenen Parlandos
sich ergehen. Solcher Sprechgesang wirkt aber auf
die Dauer eintönig. Wo diese Deklamationsmusik
von wirklichem Gesang unterbrochen wird, wie in
dem Liede Christines aus dem Lochheimer Liederbuch
und einigen anderen Stücken, atmet der Zuhörer
förmlich auf und erquickt sich an innig empfundenen,
ausdrucksvollen, schönen Melodien. Solcher er¬
frischenden Sätze enthält die Oper leider nicht allzu
viele, und wir werden die Befürchtung nicht los, daß
es dem Komponisten an der Fähigkeit, gesanglich zu
schreiben, überhaupt gebricht. Das ist aber das
Charakteristikum des modernen Musikdramas, daß die
Singstimmen geringschätzig behandelt werden, und
nur das Orchester auf den Schild erhoben wird. Auch
in dem Werke Neumanns ist es vornehmlich das
Orchester, in dem die eigentliche Begabung des
Komponisten zutage tritt. Hier beweist er einen Reich¬
tum an Ausdrucksmitteln, die ihre Wirkung nur selten
versagen. Für jede Stimmung, für jeden Gefühls¬
affekt, im Heitern wie im Ernsten, hat er die ent¬
sprechenden instrumentalen Farben auf seiner Palette,
und das Kolorit ist meist von intensiver Leuchtkraft.
Von rein orchestralen Stücken ist das Vorspiel zum
dritten Akt, obgleich etwas gedehnt, als ein den
tragischen Ausgang kündendes Tongemälde besonders
hervorzuheben. In kleineren Formen ist manches
heitere Sätzchen Wiener Geblüts von anmutender
Wirkung.
Dieses spezifisch Wiener Gepräge hatte die Gesamt¬
aufführung der Oper. Die in de Verschiedenheit ihres