II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 996

Liebelei
5. box 12/1
Telephon 12.801.
„ODSENVER
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AusschnittlBERLINER TAGBLATT
21 39.191.
vom:
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die Musik gezwungen, betonen und zerfückeln müssen, wie sie
nach dem Pfropfenzieher verlangen oder Worte wie „Ich
Komische Wper.
stehe zu Ihrer Verfügung“ singen, zeigt am deutlichsten, daß dieser
L. S. Gestern zum ersten Male: Schnitzlers „Liebelei“,
Stil unwahr wird, sobald er sich nicht auf eine gehohens Sprache
non Franz Neumann (einem jungen Kapellmeis'er in
stützt. Die Vorbedingungen des Gesanges sind eben nicht gegeben,
Franksure a. M.) in Musik gesetzt. Man klaschie nach
und wir verlangen instinktiv nach dem gesprochenen Worte.
jedem Aklschluß, rief nach dem zweiten und letzten mit
Von der Aufführung ist nicht viel Gutes zu sagen. Am besten¬
den Darstellern auch den Komponisten und, wie es sich gehorte,
fand ich Frau Seebold als klatschsüchtige Kleinbürgerskrat sie war
auch Direhor Gregor, dem man nur für seine letzte
wenigstens echt. Dem Vater der Christine suchte Herr Zador
Es
Inszenierung ein würdigeres Objekt gewünscht hätte.
Treuherzigkeit zu geben, ohne freilich annähernd die Wirkungen zu
war nämlich trotz aller Bravos das, was der Kritiker
erreichen, die wir von Schauspielern in dieser Rolle erlebt haben.
immer einen „äußeren" Ersolg zu nennen pflegt, wenn er selber
Beide verstand man wenigstens. Die Liebespaare — Nadolovitch¬
anderer Meinung, als das Publikum ist. Ich kann mir nicht
Labia und Wissiak=Bechrich —— waren ganz und garnicht das,
denken, daß ein halbwegs künstlerisch empfindender Mensch diese
was sie sein sollten. Dazu kam, daß Fräulein Labia in schlechtem
Oper erträglich findet. Den ganzen Abend über wurde ich das Gefühl
Singen und (in der letzten Szene in äußerlicher Theatralik Erlleckliches
nicht los, etwas völlig Unwahrem gegenüberzustehen. Dabei ist Franz
leistete. Die kleine Episode des hintergangenen Ehemannes traf da¬
Neumann nicht etwa ein schlechter Musiker; er hat die Lebendigkeit
gegen Herr Armster in Ton und Hallung. Die Interieurs — das
des Bühnenkundigen, weiß vortrefflich im Orchester Bescheid
einfach=freundliche Zimmen des Musikers und das nur etwas zu
das Rezuicek sicher und sachgemäß leitete, nur häufig zu laut spielen
ernst gebaltene des Lebemannes — sahen wieder sehr gut aus, undi
ließ) und wählte von seinem Standpunkt aus für alle Situationen die
die Regie Gregors reltete, was zu retten war. Den Eindruck des
richtigen Ausdrucksmittel. Nur ist dieser Standpunkt der Dichtung
Unkünstlerischen in der ganzen Anlage des Werkes konnis auch sie
gegenüber leider nicht richtig. Ich brauche den Inhalt des auf¬
gegebenen Schnitzlerschen Tramas mit seiner Gegenüberstellungnicht verwischen.
von Wiener Leichtlebigkeit und herber Tragik nicht erst
erzählen. Die Frage, ob er nach Musik verlangt,
zu
soll hier nicht untersucht werden. Wählt man ihn aber, so
war seine Eigenart und tas er der Musik an neuen Problemen
stellt, zu berücksichtigen. Der Komponist dursie nicht nur nach der
Lyrik des Stoffes suchen. Gewiß, die Schuld, die der auf sich
ladet, der mit ernsten Gesühlen spielt und mit der Liebe liebelt,
kann auch in Tönen dargestellt werden. Aber das Neue für die
Musik war hier die Realistik, in die der Dichter den Ge¬
danken kleidet, der der Wirklichtent so meisterlich abgelauschte
Konversationston und die Psychologie des „süßen Mädels“. Dafür
galt es den musikalischen Stil zu finden, in diesem Punkte jedoch hat
der Komponist versagt. Das nachgeahmte Puccinische Pathos
hohler Phrasen war hier so wenig am Platze, wie
die überlabene, das Wort erdrückende Orchestersprache. Schon
im ersten Akte, wo die Lustigkeit doch echt sein soll, wurde
der Hörer durch düstere Posaunenakkorde gewarnt. Am
schlimmsten aber ist der leichtfließende Dialog weggekommen.
Da ist alles hinauskomponiert, was das Original an Reiz und
Originalität besaß. Wie diele Leute harmlose Plaudereien, durch