II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 1010

5. Liebelei
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Ausschnitt aus:
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22 OAR1911
Man kann hinzusetzen: „Und wie lügt diese Musik!“ Neu= munteren Theodor. Mit seine
Feuilleton.
mann muß ein großes Liebesduett haben. Faute de Desider Zador den Vogel al
mienx tut er so, als ob Fritz und Christine ein echtes als Strumpfwirkersfrau ganz
Liebespaar wären, und stattet beide mit derselben musika= stand es, in seinem kurzen aber
zu wirken. „E
lischen Emphase aus. Die Szene wirkt einfach parodistisch. eindringlich
„kiebelei“.
Hier kann nur ein Meister den richtigen zwiespältigen Ton Burgtheater einst von dem gen
(Oper in 3 Akten von Franz Neumann nach Arthur Schnitz¬
treffen. Es ist aber von Hause aus ein schwerer ästhetischer dargestellt. Die paar Worte
lers Schauspiel. Erstaufführung in der Komischen Oper.)
Mißgriff, die Szene, so wie sie bei Schnitzler geschrieben Leistung. Die Novität war v##
S. P. Es war gestern wieder nichts. Um die Titel
steht, vertonen zu wollen. Einen weiteren, aussichtslosen inszeniert. Die Dekorationen
einiger Einakter von Schnitzler zu plündern: Es bedarf
Kampf führt Neumann gegen all die kleinen Abschnitzel des Aufgaben gibt es da nicht zu lö
keiner „Frage an das Schicksal“, ob die neue Oper eine Be¬
Das Orchester war durchgehend
Dialogs, gegen die vielen süßen und oberflächlichen Wiener
reicherung des Repertoires sein wird, sie hat die Un¬
stimmen trieben manchmal gan
Worte, wie sie der Dichter in seinem Buche verstreut. Hier
bedeutendheit einer „Episode“ und wenn dies, wie man
Orchesterozean herum. Es gab
wird mit Kanonen nach Spatzen geschossen.
munkelt, das „Abschiedssouper“ ist, das Direktor Gregor
dem 2. Akt für Maria Labial
Der Stil des Komponisten, ich erwähnte es schon, ist Letztes an Stimme und Elan
seinen Berlinern vorsetzt, dann gehen sie hungrig von Tisch.
aus den verschiedensten großen und kleinen Töpfen zusam= darstellern wurde auch der Ka
Ich begreife nicht, wie jemand auf den Gedanken kommen
mengemengt. Puccini ist da und der letzte Verdi. Aber der Dirigent hervorgerufen.
kann, Schnitzlers feines und ergreifendes Wiener Schauspiel
auch Chacpentier und Massenet. Von berühmteren Schritt¬
mit Haut und Haaren in Musik zu setzen. Die Dramaturgie
den Archiven verschwinden.
machern nicht zu reden. Geht man die Partitur satztechnisch
des Schauspiels ist doch eine toto genere andere als die der
durch, so findet man wie in einem Museum alles neben —
Oper. Obendrein stellt der eigentümliche, kleingliedrige
und durcheinander, vom alten Secco=Rezitativ und der Fuge
Dialog Schnitzlers dem Musiker die größten Schwierigkeiten
bis zu Wagners letztem Stil. Der Marsch „Unter dem
entgegen. Neumann hilft sich, nicht aber dem Hörer aus
Doppeladler“ ist da, und die funkelnagelneuesten Harmo¬
der Verlegenheit, wenn er den Text in der „Generalsauce“
nien sind auch da. Es ist alles da, bis auf den organisieren¬
eines gleichförmig dicken, ja klobigen Orchesterstils ertränkt.
den Geschmack. Man sehe sich als Musterbeispiel das große
Es fällt mir nicht ein, dem Komponisten Geschicklichkeit ab¬
Vorspiel zum dritten Akt (Fritzens Ende) an. Am besten
zusprechen; im ersten Akte ist der leichte Wiener Ton nicht
sind Neumann die heiteren Szenen des 1. Aktes, der auf¬
so übel getroffen. Aber was hilft uns diese fatale Kapell¬
tritt zwischen Fritz und dem gehörnten Gatten, dann Mizzi
meister=Geschicklichkeit, was eine Olla potrida aus allen er¬
Schlager und der alte Weiring gelungen.
denklichen Stilen, wenn der echte Stil durch seine Abwesen¬
heit glänzt?
Nun zur Aufführung. Maria Labia liegt i
e
Ein großes Liebesduett ist immer das Hauptstück der Christine ganz und gar nicht. Die Künstlerin quält sich
Oper gewesen. Schnitzler hat in „Liebelei“ gar keine echte mit ihrer Partie ab, ohne mehr als jene äußerlichsten Wir¬
Liebesszene. Ganz natürlich. Von der verheirateten Frau, kungen zu erreichen, die von dem Elementarischen einer
die Fritz liebt, wird nur gesprochen, sie tritt nicht auf. schönen und starken Sopranstimme ausgehen. Im letzten!
Christine ist für Fritz wenig mehr als das süße Mädel („zum Akt war sie unnatürlich, wo sie tragisch sein sollte. Fräu¬
Erholen sind sie da“ meint Theodor). Christinens Liebe zu lein Labia stellt zum Schluß eine wütende Hysterikerin hin,
Fritz ist allerdings die wahre, große Liebe, die den Tod nicht wo sie, der Musik zum Trotz und ihre Härten mildernd, auf
scheut. Aber Christinens Neigung wird von Fritz nur den Ton der verzeihenden Liebe hätte gestimmt sein sollen.
schwach erwidert. So sagt er denn in der großen Szene des Der routinierte Herr Nadolovitsch (Fritz) wirkt auf
zweiten Aktes mehr dem Leben im allgemeinen und de#ich immer mehr durch seine hochintelligenten schauspieleri¬
wirklich geliebten Frau als Christinen Lebewohl. Ein## Futentionen als durch seinen etwas trockenen Tenor.
meinsames hohes H des Paares beweist nichts dagegen.
Susanne Bachrich war als Mizzi ein echtes Wiener
Fritz sagt zu Theodor: „O Gott, wie lügen solche Stunden!“ Mädel und sang allerliebst. Richard Wissiak gab einen!