II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 1022

De

Liebelei
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5. Laua
hat es vermocht, solche Alltäglichkeiten des Textes
keit und seinem Duft von Ewigkeit. Er setzt die dun¬
überhören zu lassen: Puccini in der „Bohème“ und
kelgraue Bluse, den Pfropfenzieher, das Duell, die
Augenblicke mit ihrem Duft von Ewigkeit in Musik,
allenfalls noch Charpentier im ersten Akt der
und indem er so vertont, betont er recht nachdrücklich
„Louise“, aber nur da. Der Italiener, dem Neumann
übrigens später manches verdankt, hat die blödesten
Schnitz= die Irdischkeit der Dinge. In der Dichtung ward die
1-Prosa durch ihren schlichten Ton und die zarten Un¬
Worte von der süßesten Melodik aufsaugen lassen.
earer
Wie Seifenblasen quirlen bei ihm musikalische Ge¬
tertöne, die mitschwingen, zur Poesie, zur Musik.
n hatte
bilde auf und sind zerronnen, noch ehe sie feste Form
Jetzt, da die Musik erbarmungslos darüber herfällt,
d nach
wird die Poesie wieder in die Prosa zurückgeworfen.
annahmen. Die Bewunderung vor Puccini, dessen
eines
Sie verklärt nicht, sie veredelt nicht, wie es dem We¬
„Bohème“ uns gelegentlich überzuckerte Süßlichkeit,
icht in
Erdbeeren mit Schlagsahne, dünkte, wächst ins Rie¬
sen der Musik zukommt, sie hebt das gesprochene
Sorma
senhafte, wenn man den Deutschen Neumann da¬
Wort nicht in eine höhere Sphäre, sondern sie unter¬
Fritz —
neben hält.
ner die
streicht, sie verdeutlicht, sie vergröbert, sie sagt unge¬
niert, was zwischen den Zeilen steht, sie verletzt durch
Zum Glück bleibt es nicht so schlimm. Sobald
m das
die Realität des Ausdrucks.
sich die Tragik in der Dichtung zusammenballt, findet
wie im
Der erste Akt — dieses leichtbeschwingte, wiegende
die Musik einen entsprechenden Ausbruck dafür und
seit der
Wienertum mit seiner heitern Grazie und seiner
endlich ihren Stil. Im Liebesduell des zweiten Aktes,
irch die
dolce tristezza (bei Schnitzler) — wäre in der Neu¬
das den Erfolg entschied, zeigt der neue Mann, daß
Sorma,
er viel, sehr viel gelernt hat und zu instrumentieren
mannschen Vertonung fast imstande gewesen, uns die
lte wie
versteht. Warum sollte ein Kapellmeister schließlich
das war
Dichtung für alle Zeit zu verleiden. Der Eindruck
nicht das Handwerk beherrschen? Immerhin, es ist
war stellenweise grotesk. Kaum noch eine Spur vom
keine bloße Kapellmeistergeschicklichkeit; hier spürt
Schnitzlerschen Klima, kein Hauch mehr von seinem
der Ka¬
man künstlerische Wallungen. Der Schwerpunkt von
anmutigen Geist. Statt dessen gleich dicke Unter¬
ta. M.
Neumanns Können liegt allerdings nicht in der Er¬
malung. Schon werfen die Ereignisse ihre schwarzen
chtige.:
findung, sondern in der Farbenmischung. Und die
Schatten voraus, schon steigt die Tragik im Orchester
Wasser
Figur des alten Vaters ist sogar mit Empfindung
unheilverkündend herauf. Das bißchen Lustigkeit, das
rch die
ausgestattet.—Der-dritte Akt behauptet sich auf der
sondern
der Komponist hier aufbringt, hat kein spezifisch wie¬
nun erreichten Höhe. Christinens Schmerz bei der
nerisches Kolorit; es ist aufgeklebt, nicht erlebt. Und
ruß die
Nachricht vom Tode ihres Liebsten für eine-andere
dann diese fürchterlichen Trivialitäten des gesunge¬
hrlichen
nen Textes. Eine Mokkacrémetorte in Des-Dur (es
Frau ist ein musikalischer Monolog, der sich hören
lerschen
lassen darf. Wie das Weh von freudigen Erinnerun¬
kann auch eine andere Tonart sein) ist etwas Ab¬
eimlich¬
gen umgaukelt wird, wie in all die Trauer das pi¬
surdes. „Ich bedaure sehr, Sie gestört zu haben“
seinen
kannte Motiv der losen Mizzi hineingesetzt ist, das
gespro=] mit Bratschenbegleitung (es kann auch ein anderes
schämig= Instrument sein) wirkt unfreiwillig komisch. Einer verrät einen nicht unbeträchtlichen Sinn für Kon¬
trastwirkungen, für dramatische Abstufung. Bis zum
Schluß werden die Fäden fest zusammengehalten.
Für eine Unterlassung muß man dem Kompo¬
nisten dankbar sein. Er, der jede textliche Anregung
allzu bereitwillig aufgriff, der die Dragoner, den
Frühling, das Weineinschänken musikalisch illu¬
strierte, widerstand der Versuchung, als von Schu¬
berts Büste auf dem Ofen die Rede ist, ein Schu¬
bertsches Thema heraufzubeschwören. Dem Gesamt¬
werk gegenüber wird man aber einen extrem lite¬
rarischen Standpunkt einnehmen und Schnitzlers
Dichtung, die nicht aus unserm Herzen zu reißen ist,
vor einer talentvollen, doch unangebrachten Verope¬
Veropert waren natürlich auch die Gestalten; ver¬
opert selbst die Regie des vielgepriesenen Herrn
Gregor, der ein Wiener Junggesellenzimmer in kli¬
scheehaftem Berliner Tapeziergeschmack auf die
Bühne stellte. Die Christine der Labia, die eine
Destinn=Stimme hätte, wenn sie schlackenfrei zu sin¬
gen wüßte, hatte gar nichts vom süßen Mädel, son¬
dern war eine Neapolitanerin aus dem Volke, die
durch ihre bravouröse Darstellung im Schlußakt er¬
schütterte.
O Neumann, Neumann, gib-mir meinon Schnitz¬
ler wieder!
M. M.
21. Januar.
Glei„.K1