II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 1067

Liebelei
5. box 12/2
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„ODSENVEN
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(Quellenangabe ohne Gewähr.)
Ausschnitt aus:
Neue Züricher Zeitur
20. Jahl 1911
vom:
Kunst und Wissenschaft.
X Essen, 20. Jan. Stadttheater: Gastspiel auf Anstellung.
Als Wolfram stellte sich gestern Anton Ludwig vom Elber¬
felder Theater vor. Der Künstler, der den vielseitigen Willi
Zilken ev. ersetzen soll, wußte aus der dankbaren Rolle nichts
Rechtes zu machen. Seine stimmlichen Mittel sind nicht unsym¬
pathisch, aber ziemlich unbedeutend. Es fehlt an klarer Be¬
stimmtheit der Tongebung, und so angenehm das Bemühen um
ein edles Piano auch anmutet, so wirkt doch ein tonloses Hin¬
hauchen, wie es Ludwig zuweilen angebracht erschien, mehr
maniriert, als poetisch. Das Spiel war nett zurechtgelegt,
irgendwelche persönliche Züge offenbarte es nicht.
Sehr peinlich berührte die Singerei des He##n Roos (Land¬
graf.) Man wird in Punkto Reinheit gerade von Baßsängern
nicht verwöhnt, derartige Entgleisungen aber sind gottlob nicht
eben häufig.
Für diese und andere unangenehme Eindrücke entschädigte Else
Jäger, die als Elisabeth ihren schön sich entwickelnden Sopran
in den Dienst einer natürlich beseelten musikalischen und drama¬
tischen Gestaltung stellte. Dieser Elisabeth glaubte man ihre
Selbstverleugnung, ihre keusch liebende Jungfräulichkeit.
Das Venusbergballett müßte vollständig neu einstudiert
werden. Die disziplin= und geschmacklose Herumhopferei von
üllerlei fragwürdigen Gestalten wirkt lächerlich, nicht ver¬
führerisch.
f Aachen, 19. Jan. Theaterbrief. Hier errang=F. Heumanns
Oper „Liebelei“ (nach dem gleichnamigen Schauspiel A. Schnitz¬
lerseinen großen und mit jeder Wiederholung sich steigennden
Erfolg. Vertonte Schausviele betrachten wir gewöhnlich mit recht
gemischter Freude, auch wenn die Komposition an sich nicht übel
gelungen ist. Bei dieser Oper fiel mir besonders im ersten Akte
auf, daß die im gesprochenen Dialog rasch verklingenden gleich¬
gültigen Redensarten in musikalischer Form einen Daseinswert
erhalten, der ihnen nicht gebührt — wie anders ist das in den
Rezitativen der Mozartoper! —, ferner, daß die Wortakzente
mit den musikalischen, wie es manchmal bei Uebersetzungen
empfunden wird, sich nicht genügend decken, ja man kommt den
ganzen ersten Akt hindurch nicht von der Frage ab, welchen
Werizuwachs das Schnitzlersche Drama durch die Vertonung ge¬
wonnen habe. Das ändert sich mit dem zweiten Akte, wenn das
gesteigerte Gefühlsleben der handelnden Personen durch eine reiz¬
volle, bestrickende Musik eine tiefergreifende Ausmalung erfährt.
Nur selten läßt sich der Komponist, wie so viele nach Wagner,
dazu verleiten, die wuchtigen Ausdrucksmittel und heroenhafte
Akzente des Wagnerschen Götter= und Heldendramas auf die
Schilderung kleinbürgerlicher Verhältnisse zu übertragen. Kurz,
trotz mancher Ausstellungen kann man sich über diese deutsche
Oper freuen und soll nicht strenger über sie richten, als über die
Puccinischen und andere neuitalienische Opern, welche einen aus¬
giebigen Teil des deutschen Bühnensvielplans beanspruchen. Aller¬
dings verdankt die Oper ihren durchschlagenden Erfolg an unserer
Bühne vor allem der Vertreterin der Hauptrolle, Frau Walleni, die
mit herzgewinnender Natürlichleit die rührende Gestalt der
Christine gesanglich und darstellerisch verkörpert. Aber auch die
übrigen Mitwirkenden verdienen Anerkennung. Die sonstigen
Novitäten der letzten 2 Monate brauchen bloß genannt zu werden:
Heubergers Oper „Barfüßle" und Lehars spät herausgebrachte
und doch freudig aufgenommene Operette „Der Rastelbinder“
Dem Unterhaltungsbedürfnis des ersten Ranges dienten die
Lustspiele „Der letzte Funke“ von Blumenthal und Kadelburg
und „Im Klubsessel“ von Roeßler und Heller. Sudermanns
neues Schauspiel „Strandkinder“, nach dem Rezept Wildenbruchs
gearbeitet, hat mich kalt gelassen, von F. Saltens Einakterzyklus
„Vom andern Ufer“, drei Problemstücken, ist das letzte „Auf¬
erstehung“ wegen der hübschen Idee und ihrer geistreichen Durch¬
führung recht interessiert. Eine Aushülfe des Herrn Ludwig
(Elberfeld) als Alberich im „Siegfried“ abgerechnet, standen an
Gastspielen nur Debüts in Frage. R. Lange wird wohl unseren
tüchtigen Tenorbuffo M. Lipmann, der ans Hamburger Stadt¬
theater geht, G. Rodegg für Heldenrollen im Schauspiel
Herrn L. Schäfer, der für Chemnitz verpflichtet ist, ersetzen. Für
den bereits nach Jahresfvist scheidenden Heldentenor Balder, der
hier durch seine feine Charakterisierungskunst beliebt geworden
war, soll der Hofopernsänger H. Spemann eintreten, dessen
gestriges Debüt als Tannhäuser beim Publikum großen Beifall
fänd. Dagegen machte das Gastspiel des Tenoristen A. Bockmann
(Lyonel, Manrico) uns bloß den demnächstigen Verlust Birren¬
kovens deutlich, der in den 4 Jahren seiner hiesigen Wirksam¬
keit sich zu einem der geschätztesten Mitglieder unserer Bühne
durchgerungen hat und einer hoffnungsvollen Zukunft ent¬
gegensieht.