5. Liebe
eelei box 12/2
I. österr. behördl. konz. omternenn.e..
für Zeitungs-Ausschnitte und Bibliographien
Wien, I. Concordiaplatz 4
Vertretungen
in Berlin, Budapest, Chicago, Christiania, Genf,
Kopenhagen, London, Madrid, Mailand, Minne¬
apolis, New-York, Paris, Rom, San Francisco.
Stockholm, St. Petersburg.
(Quellenangahe ohne Gewühr.)
Ausschnitt aus:
11
vom: Grazifl Parespost. Graz
X
endblatt
Theater und Musik.
Graz, 11. April.
Stadttheater.
Der Tor und der Tod. Von Hugo v. Hofmanns¬
thal. — Liebelei. Von Artur Schnitzler.
Ensemblegastspiel der Mitglieder des k. k. Hofburgtheaters
in Wien.
Als erste Vorstellung wurde uns Hofmannsthals
„Der Tor und der Tod“ aufgeführt. Aufgeführt? Nein,
nur gesprochen, denn das kleine Werk ist bloß ein
Nacheinander von Monologen, von dramatischer Hand¬
lung keine Spur. Eine Art Faust in kleinstem Format,
nur Wortkunst, Verse oft wunderbar schön und über¬
reich an Bildern, doch allzuoft auch gesucht, schwer ver¬
ständlich, ohne Schärfe, Prägnanz und Plastik. Aber
ein Jugendwerk mit genialen Spuren. Zum Dramatiker
wird Hofmannsthal erst, wenn er sich an fremde Stoffe
wagt und sie mit seiner mitunter etwas schwülen Vers¬
kunst überkleidet, z. B. in der „Elektra“. Sonst sind
seine Figuren nur Schatten, ihrer Gestalt sehlt die
rechte Leibhaftigkeit, ihrem Tun die Realität und Wirk¬
lichkeit. Der ganze Einakter ist nur eine Klage Claudios
über sein Leben, das er nicht oder nur töricht gelebt
hat.
Und was mich quälte und was mich erfreute,
Mir war, als ob es nie sich selbst bedeute,
Nein, künft'gen Lebens vorgeliehenen Schein
Und hohles Bild von einem vollern Sein.
Es verwundert und berührt uns auch nicht beson¬
ders, wenn Claudio nach solchem Schattenleben zu¬
letzt tot zu den Füßen des Todes zusammenstürzt, und
dieser selbst in Stücke ein und aus geht, so wie die
Geister der abgeschiedenen Mutter und Geliebten und
des Jugendfreundes vor dem Schattenmenschen Claudio
wie vor ihres Gleichen erscheinen, dem wie dem Dichter
selbst das Leben, sowie die ganze ewige Natur „nur ein
5
Symbol ist für unserer Seele Launen“. Auch in den die Darstellerin darüber allzusehr üc
meisten übrigen Dramen des Dichters treten seine Ge¬
Milieu des spezifischen Wiener Bod
stalten nie plötzlich aus dem Dunkel hervor, tauchen
worin Schnitzlers Stücke meist wurzel
in Dämmerlicht und verschwinden wieder im Dunkel,
gab den Fritz Lobheimer mit gewohn
wie Rudolf Lothar in seinem Buche „Das deutsche
und in der Abschiedsszene in Christinen
Drama der Gegenwart“ treffend bemerkt. — An lyri¬
kunstvoller Einfachheit und lebenswahre
schen Schönheiten fehlt es dem Drama nicht, aber diese
Prächtig, als echten Typus Wiener W
erschließen sich doch nur erst bei der Lektüre. Im
Frl. Gerzhofer die fesche, lebenslustig
Sprechen, namentlich wenn die Deutlichleit mangelt —
Auch Frl. Walbeck als Katharina
und darüber hatte man sich gestern, mit Rücksicht auf
Löwe als Weiring, Herr Heine als
den großen Bühnenraum, oft zu beklagen — bleibt
unerwähnt bleiben. Herrn Frank als
vieles unklar. Eine nennenswerte dramatische Wirkung
fehlt die rechte Wiener Note, die für
auf das Publikum ist selbst dann kaum zu erwarten,
leicht entbehrlich ist. Das Haus war
wenn jede Silbe der gerühmten Wortkunst Hofmannsthals
wir sehen den weiteren Darbietungen d
deutlich an die Ohren schlägt. Man klatschte wohl Bei¬
mit Interesse entgegen. Nur über die
fall am Schlusse und rief die Darsteller, unter denen
pausen wurde geklagt, die wohl nur in
namentlich Herr Korff sich bemühte, in das ziem¬
gründen ihre Ursache haben.
lich eintönige Gepräge der Versmonologe einige Ab¬
wechslung und dramatische Bewegung zu bringen: aber
im Ganzen verhielt sich das Publikum dem Werke selbst
gegenüber eher ablehnend und interesselos. Weit mäch¬
tiger und wirksamer schlug die Darstellung von Schnitz¬
lers Schauspiel „Liebelei“ ein, wobei in erster Linie
die treffliche Wiedergabe der Christine durch Frau Me¬
delsky in Betracht kommt, welche namentlich im
letzten Akte eine dramatische Höhe erreichte, die das
erschütterte Publikum zu stürmischem, nicht endenwol¬
lendem Beifall und Hervorruf begeisterte. Durch ihr
Spiel wurde das rührselige Schauspiel des armen Vor¬
stadtmädchens zu einer wirklichen Tragödie und aus dem
herkömmlichen „süßen Mädel“ wurde eine hochtragische
Frauengestalt, die in ihrer ergreifenden Schlichtheit, in
ihrer stillen und lautlosen Hingebung, in ihrem innigen
und doch zurückhaltenden Wesen, in ihrem seligen und
doch schmerzlichen Glücke an die dichterischen Gefilde
mahnt, in denen etwa ein Gretchen, ein Klärchen aus
Goethes weiblichen Gestalten sich bewegen, ohne ddaß
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I. österr. behördl. konz. omternenn.e..
für Zeitungs-Ausschnitte und Bibliographien
Wien, I. Concordiaplatz 4
Vertretungen
in Berlin, Budapest, Chicago, Christiania, Genf,
Kopenhagen, London, Madrid, Mailand, Minne¬
apolis, New-York, Paris, Rom, San Francisco.
Stockholm, St. Petersburg.
(Quellenangahe ohne Gewühr.)
Ausschnitt aus:
11
vom: Grazifl Parespost. Graz
X
endblatt
Theater und Musik.
Graz, 11. April.
Stadttheater.
Der Tor und der Tod. Von Hugo v. Hofmanns¬
thal. — Liebelei. Von Artur Schnitzler.
Ensemblegastspiel der Mitglieder des k. k. Hofburgtheaters
in Wien.
Als erste Vorstellung wurde uns Hofmannsthals
„Der Tor und der Tod“ aufgeführt. Aufgeführt? Nein,
nur gesprochen, denn das kleine Werk ist bloß ein
Nacheinander von Monologen, von dramatischer Hand¬
lung keine Spur. Eine Art Faust in kleinstem Format,
nur Wortkunst, Verse oft wunderbar schön und über¬
reich an Bildern, doch allzuoft auch gesucht, schwer ver¬
ständlich, ohne Schärfe, Prägnanz und Plastik. Aber
ein Jugendwerk mit genialen Spuren. Zum Dramatiker
wird Hofmannsthal erst, wenn er sich an fremde Stoffe
wagt und sie mit seiner mitunter etwas schwülen Vers¬
kunst überkleidet, z. B. in der „Elektra“. Sonst sind
seine Figuren nur Schatten, ihrer Gestalt sehlt die
rechte Leibhaftigkeit, ihrem Tun die Realität und Wirk¬
lichkeit. Der ganze Einakter ist nur eine Klage Claudios
über sein Leben, das er nicht oder nur töricht gelebt
hat.
Und was mich quälte und was mich erfreute,
Mir war, als ob es nie sich selbst bedeute,
Nein, künft'gen Lebens vorgeliehenen Schein
Und hohles Bild von einem vollern Sein.
Es verwundert und berührt uns auch nicht beson¬
ders, wenn Claudio nach solchem Schattenleben zu¬
letzt tot zu den Füßen des Todes zusammenstürzt, und
dieser selbst in Stücke ein und aus geht, so wie die
Geister der abgeschiedenen Mutter und Geliebten und
des Jugendfreundes vor dem Schattenmenschen Claudio
wie vor ihres Gleichen erscheinen, dem wie dem Dichter
selbst das Leben, sowie die ganze ewige Natur „nur ein
5
Symbol ist für unserer Seele Launen“. Auch in den die Darstellerin darüber allzusehr üc
meisten übrigen Dramen des Dichters treten seine Ge¬
Milieu des spezifischen Wiener Bod
stalten nie plötzlich aus dem Dunkel hervor, tauchen
worin Schnitzlers Stücke meist wurzel
in Dämmerlicht und verschwinden wieder im Dunkel,
gab den Fritz Lobheimer mit gewohn
wie Rudolf Lothar in seinem Buche „Das deutsche
und in der Abschiedsszene in Christinen
Drama der Gegenwart“ treffend bemerkt. — An lyri¬
kunstvoller Einfachheit und lebenswahre
schen Schönheiten fehlt es dem Drama nicht, aber diese
Prächtig, als echten Typus Wiener W
erschließen sich doch nur erst bei der Lektüre. Im
Frl. Gerzhofer die fesche, lebenslustig
Sprechen, namentlich wenn die Deutlichleit mangelt —
Auch Frl. Walbeck als Katharina
und darüber hatte man sich gestern, mit Rücksicht auf
Löwe als Weiring, Herr Heine als
den großen Bühnenraum, oft zu beklagen — bleibt
unerwähnt bleiben. Herrn Frank als
vieles unklar. Eine nennenswerte dramatische Wirkung
fehlt die rechte Wiener Note, die für
auf das Publikum ist selbst dann kaum zu erwarten,
leicht entbehrlich ist. Das Haus war
wenn jede Silbe der gerühmten Wortkunst Hofmannsthals
wir sehen den weiteren Darbietungen d
deutlich an die Ohren schlägt. Man klatschte wohl Bei¬
mit Interesse entgegen. Nur über die
fall am Schlusse und rief die Darsteller, unter denen
pausen wurde geklagt, die wohl nur in
namentlich Herr Korff sich bemühte, in das ziem¬
gründen ihre Ursache haben.
lich eintönige Gepräge der Versmonologe einige Ab¬
wechslung und dramatische Bewegung zu bringen: aber
im Ganzen verhielt sich das Publikum dem Werke selbst
gegenüber eher ablehnend und interesselos. Weit mäch¬
tiger und wirksamer schlug die Darstellung von Schnitz¬
lers Schauspiel „Liebelei“ ein, wobei in erster Linie
die treffliche Wiedergabe der Christine durch Frau Me¬
delsky in Betracht kommt, welche namentlich im
letzten Akte eine dramatische Höhe erreichte, die das
erschütterte Publikum zu stürmischem, nicht endenwol¬
lendem Beifall und Hervorruf begeisterte. Durch ihr
Spiel wurde das rührselige Schauspiel des armen Vor¬
stadtmädchens zu einer wirklichen Tragödie und aus dem
herkömmlichen „süßen Mädel“ wurde eine hochtragische
Frauengestalt, die in ihrer ergreifenden Schlichtheit, in
ihrer stillen und lautlosen Hingebung, in ihrem innigen
und doch zurückhaltenden Wesen, in ihrem seligen und
doch schmerzlichen Glücke an die dichterischen Gefilde
mahnt, in denen etwa ein Gretchen, ein Klärchen aus
Goethes weiblichen Gestalten sich bewegen, ohne ddaß