II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 1100

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5. Liebelei
schnltt aus: Die Drau, Essegg
14. MAl 1912
3.
Theater, Kunst und Literatur.
Deutsches Theater.
„Liebelei“, Schauspiel in 3 Akten. — „Ab¬
schieds=Souper", Lustspiel in 1 Akt von
Arthilt Schnftler.
Zu Ehren des feinsinnigen Dichters, der
am gestrigen Tage sein fünfzigjähriges Wie¬
genfest feierte, wurden unserem Publikum sei¬
#tens der Theaterdirektion einige Leckerbissen
Schnitzlerschen Geistes aufgetischt. Die „Liebe¬
lei“ schildert uns das Liebesleben von flotten
Wiener Burschen und gewährt einen Einblick
in die rätselhaften, unergründlichen Tiefen der
Erotik. Die weibliche Hauptrolle lag in den
Händen des Fräulein Mizzi Hellborn, die
sich ihrer schwierigen Aufgabe mit viel Wärme
und Geschick entledigte. Ihr Partner, Herr
Gabler, der gestern hier zum ersten Male
auftrat, zeigte noch Spuren von Unsicherheit
und Unvertrautheit mit unseren Theaterver¬
hältnissen. Trotzdem konnte in seinem Spiele
sein Talent konstatiert werden und hoffen wir,
daß er hievon unser Publikum bei seinem näch¬
sten Auftreten überzeugen wird. Mit gewohn¬
r Maestria mimte Herr Direktor Popp den
Weiring und erzielte oft stürmischen
Benall. Fräulein Dewald und Burg¬
hard;, sowie die Heren Raul und Labatt
boten durchwegs einwandfreie Leistungen.
Im „Abschieds=Souper“ konnten die vier
Darsteller, die Herren Labatt, Raul und
Froon, sowie Fräulein Hellborn, die
ganze Kraft ihres überschäumenden Tempe¬
raments und die ausgelassene Fröhlichkeit der
jungen Wiener Lebewelt dokumentieren. Das
Publikum unterhielt sich ausgezeichnet und ap¬
plaudierte stürmisch. Die Darsteller mußten
wiederholt vor der Rampe erscheinen und für
den rauschenden Beifall danken.
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Schnitt aus

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Theater, Künst und Literatur. den
lieb
„Anatol.“
Einakter=Zyklus von Arthur Schnitzler. ima
Mit einem Kriegsanleihelag hatte Me
sich Donnerstag abends auch unsere Bühne in Se
selbstloser Weise in den Dienst des vaterländischen Tit
Werkes der Kriegsrüstung gestellt. Zur Auf=sin
führung gelangten vier der „Anatol=Szenen“ von C.
Schnitzler, in denen der Verfasser, bevor er die B.
„Liebelei“ schrieb, die junge Lebewelt der Groß- 8
stadt in scharfen Strichen portraitierte. Als be¬ Be
sonders „zeitgemäß“ und stimmunggebend für die de¬
Kriegsonleihepropaganda können die feingeschlif: S.
senen Satiren auf Schwächlinge der Gesellschaft, de¬
die nur die Lust an der Selbsttäuschung zu kennenm
scheinen, gerade nicht gelten und in unseren vonsste
düsterem Ernst und harter Notwendigkeit erfüll- ste
ten Tagen könnten diese leichtfertigen Dialoge, M
die über erotische Dinge nicht hinauskommen, fü
kaum geschrieben werden. Vom literarischen und
künstlerischen Standpunkte freilich werden diese Gi
Einakter, die in graziösester Art die Stimmung ret
einer vergangenen Wiener Generation zum Aus= der
drucke bringen, stets ihre Geltung behalten, denn non
arbei= elekt
was der Wiener Dichter in diesen Erstl
5, Som
ten an Charakterzeichnung, Menschen
günstt,
Stimmungsgehilt und Wahrheitsliebe bi
wird immer wertvoll bleiben. Die Anatol=Dia= Olmütz
loge sind gewiß keine Dichtungen, die in
Tiese gehen, aber immerhin außerst sche
ausgenommene enge Ausschnitte
komödie des Lebens mit seinen
keiten. Der feinste Reiz der Schn
tritt hier bereits deutlich zutage: di
psychologischen Beobachtung hat dem Die
neswegs den Humor lächelnder Ueberleg
geraubt.
Zur Aufführung gelangte „Die Frage an das
Schicksal", wo Anatol, der nicht nur über
Kunste der Verführung, sondern auch über
Mittel der Hypnose gebietet und durch sie Treue
oder Untreue der Geliebten zu erkunden vermag,
aus fiebernder Angst, der dämmernde
lach
erkenntnis zugrunde liegt, auf die Wa
und
der er zu dürsten vorgibt, lieber ver
sich weiterhin in den weichen Schleie
wißheit einhüllt. Dann folgte die kö
sode, in der der durch seine Siege üil
en und Frauenherzen übermutige
spöttischen Freunde Max seine
geister anvertraut, erfahren n
ika, die ihm die wertvollste Episode
nten Reigen war, so gründlich vergessen hat,
daß sie ihn nicht mehr wiederzuerkennen vermag.
Das darauffolgende, oftgespiekte und vielbewährte
„Abschiedssouper“ zeigt dasselbe Motiv in besserer
Durcharbeitung: die gefräßige Ballett=Diog, die
dem zum Abschied entschlossenen Liebhaber den
Abschiedstriumph wie einen fetten Bissen vom
Munde wegschnappt — ein wahres Klemod un¬
serer Komödienliteratur. Den Beschluß bildete
der Einakter „Anatols Hochzeitsmorgen“, die Ab¬
schiedsszeue von der Geliebten, deren Schmerz
Linderung in dem Bewußtsein findet, den Ver¬
rat des zur Trauung Eilenden am eigenen Ge¬
schlechte rächen zu können, denn nicht sie, sondern
die Gattin Anatols wird die Betrogene sein.
In der Aufführung wurde die Stimmung
des zarten, oft etwas melancholischen Witzes der
Schnitzlerschen Kunst nicht gleichmäßig gut getrof¬
fen. Den Anatol spielte Herr Wer ner=Ei¬
gen etwas selbstherrlich und eigenwillig, nicht