II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 1101

eren er-erse
tritt hier bereits deutlich zutage: die Schärfe der
psychologischen Beobachtung hat dem Dichter kei¬
neswegs den Humor lächelnder Ueberlegenheit
geraubt.
Zur Aufführung gelangte „Die Jrage an das
Schicksal", wo Anatol, der icht nur über die
Künste der Verführung, sondern auch über die
Mittel der Hypnose gebietet und durch sie Treue
oder Untreue der Geliebten zu erkunden vermag,
aus fiebernder Angst, der dämmernde Selbst¬
erkenntnis zugrunde liegt, auf die Wahrheit, nach
der er zu dürsten vorgibt, lieber verzichtet und
sich weiterhin in den weichen Schleier der Unge¬
wißheit einhüllt. Dann folgte die köstliche „Epi¬
sode“, in der der durch seine Siege über die Mäd¬
chen und Frauenherzen übermutige Anatol, der
dem spöttischen Freunde Max sein erokisches Le¬

hensgeister anvertraut, erfahren muß.
Bianka, die ihm die wertvollste Episode in dem
bunten Reigen war, so gründlich vergessen hat,
daß sie ihn nicht mehr wiederzuerkennen vermag.
Das darauffolgende, oftgespielte und vielbewährte
„Abschiedssouper“ zeigt dasselbe Motiv in besserer
Durcharbeitung: die gefräßige Ballett=Diog, die
dem zum Abschied entschlossenen Liebhaber den
Abschiedstriumph wie einen fetten Bissen vom
Munde wegschnappt — ein wahres Kleinod un¬
seter Komödienliteratur. Den Beschluß bildete
der Einakter „Anatols Hochzeitsmorgen“ die Ab¬
schiedsszeue von der Geliebten, deren Schmerz
Linderung in dem Bewußtsein findet, den Ver¬
rat des zur Trauung Eilenden am eigenen Ge¬
schlechte rächen zu können, denn nicht sie, sondern
Gattin Anatols wird die Betrogene sein.
In der Aufführung wurde die Stimmung
des zaxten oft etwas melancholischen Witzes der
Schnitzlerschen Kunst nicht gleichmäßig gut getrof¬
fen. Den Anatol spielte Herr Wenner=Ei¬
gen etwas selbstherrlich und eigenwillig, nicht
den schwärmenden Aestheten und kindischen
Egoisten, der in Schnitzlers Buche steht, sondern
eher einen überlegenen, reiferen Lebeman, luch
verfehlte er zum Teil den Ton durch zu mutes
Auftrumpfen. Immerhin hätte er im „Abschieds¬
souper“ und in der „Episode" Gelegenheit ge¬
habt, seinen leichten, gefälligen Plauderton zur
Geltung zu bringen, wenn er um einiges text¬
sicherer gewesen wäre. Die pier Frauenrollen,
die heitere Variationen des einen „süßen Mädel¬
typus“ sind, fanden ebenfalls nicht gleichwertige
Vertreterinnen. Vortrefflich führte sich ein Gast.
Fräulein Jacodu im „Abschiedssouper# ese. Der
natve Iunismus der Ballett=Diva war von Wü¬
bendem Uebermut und einem frischen. volkstüm¬
lich komischen Zug, der vielleicht sichere Gestal¬
tungskraft erkennen läßt. Die hypnotisierte Le¬
bedame Cora spielte Fräulein Marbach mit
gutem Gelingen. Als Bianka in der Episode
war Frsulein Simon darstellerisch gewiß ein¬
wandfrei — doch lassen ihre Mittel leider alles
zu wünschen übrig Fräulein Pistor als Ilona
im Fochzeitsmorgen vergriff sich, war viel zu
laut und zu schreiend nicht nur im Ton, sondern
auch in den Gebärden. Herr Haber erfreute
durch die Ruhe und Sicherheit. mit der er den iro¬
nischen Beoleiter Anatols zur Darstellung brachte.
Er traf die Stimmung eigentlich am besten. Die
feinfühlige Inszenierung durch Spielleiter Geün¬
au verdient volle Anerkennung.
Liebelei
5. box 12/3
Klose & Seidel
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Zeitung: Dresdner Anzeiger
Ort:
Dresden
Datum:
Literatur
& Arthur Schnitzler. Am 15. Mai d. J. vollendete
Arthur Schnitzler das 50. Lebensjahr. Ihm zu Ehren
veranstarrete auch d Köntgriche Schkuspielhaus zu
Dresden eine Aufführung seines Schauspiels Liebelei.
Jetzt t Dr. Julius Kapp im Fenienverlag zu Leipzig
eine Würdigung Schnitzlers erscheinen lassen. Die Schrift
berücksichtigt besonders die Jugendarbeiten des Dichters,
die zur Charakteristik seines Wesens sehr wichtig sind und
infolge ihrer schweren Zugänglichkeit nur wenigen bekannt
geworden sind. Eigentümlich ist die Gruppierung und Be¬
handlung des Stoffes: Nach einer allgemeinen Einleitung
über das literarische Jungösterreich werden die einzelnen
Werke in besonderen Abschnitten mit Inhaltsangaben,
Proben und Kritik vorgenommen. Die Übersichtlichkeit
wird dadurch gefördert, ein Gesamtbild jedoch nicht erzielt.
Auch diese Würdigung Schnitzlers ist, wie fast alles, was
über den Dichter erschienen ist, zu panegyrisch gehalten.
Einer nahen Zukunft schon wird er wesentlich unbedeuten¬
der und verganglicher erscheinen.
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Telephen 12 80.
„UDSERTER
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burg, Toronto.
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Vom
* Arthur Schnstzler. Am 15. Mai d. J. vollendele
Lebensjahr. Ihm zu Ehren
Trihn
vernnstäAhrn Königliche Schauspielhaus zu
Dresden eine Aufführung seines Schauspiels Liebelei.
Jetzt hat Dr. Julius Kapp im Lenienverlag zu Leipzig
eine Würdigung Schnitzlers erscheinen lassen. Die Schrift
berücksichtigt besonders die Jugendarbeiten des Dichters,
die zur Charakteristik seines Wesens sehr wichtig sind und
infolge ihrer schweren Zugänglichkeit nur wenigen bekannt
geworden sind. Eigentümlich ist die Gruppierung und Be¬
handlung des Stoffes: Nach einer allgemeinen Einleitung
über das literarische Jungösterreich werden die einzelnen
Werke in besonderen Abschnitten mit Inhallsangaben,
Proben und Kritik vorgenommen. Die Übersichtlichkeit
wird dadurch gefördert, ein Gesamtbild jeboch nicht exzielt.
Auch diese Würdigung Schnitzlers ist, wie fast alles, was
über den Dichter erschienen ist, zu panegunisch gehalten.
Einge nahen Zukunft schon wird er wesemlich unbedeuten¬
deyfund vergänglicher erscheißen.
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