5. Liebelei
box 12/4
Aprkrmelr.
Ausschnitt aus: er Conrier, Berlin
gabe
vom:
In zer Wolksoper kam Neu¬:
manns schon an 250 deutschen Bühnen erfolgreiche
„Liebelei“ nach Schnitzle#s Stück mit un¬
gewöhnlichem Beifall zur aufführung. Die Dar¬
steller hatten zablreiche Hervorrufe, neben denen
schließlich auch Schnitzler stürmisch akklamiert wurde.
Ebenso leistete der Komponist und Kapellmeister
Tittel den Hervorrufen Folge. X ##.
Ausschnitt aug
ESTER LLOYE
Eine Wiener Opernpremiere.
[Telegramm des „Pester Llotzd“.)
Wien, 14. Oklober.
In der Volksoper wurde die dreiaktige Oper „Liebelei“.
von Franz Neumann zum ersten Male gegeben. Der Text
ist das bekannte Schauspiel Arthur Schnitzlers, das wort¬
wörtlich, ohne jede Anpassung an die Bedürfnisse der Opern¬
bühne, in Musik gesetzt wurde. Die Musik ist die eines gebil¬
deten Musikers, der Orchestertechnik und Deklamation nur durch
wenig originelle musikalische Einfälle belebt. Das Werk, von
den Tamen Engel, Macha und Röder und den Herren
Brand, Lußmann und Klein gut aufgeführt, wurde ohne
innerliche Teilnahme angehört. Der anwesende Komponist wurde
G.
bei seinem Erscheinen mit Beifall begrüßt.
usschnitt aus:
WENER ABENDNOST
om:
B
Theater, Kunst und Literatur.
((Volksoper.) Als Richard Strauß vor vielen
Jahren den ersten Versuch wagte, auf ein regelrechtes
Opernlibretto zu verzichten und das von ihm für
es war „Salome“
eine Oper erwählte Ruch —
von Oskar Wilde — glattweg durchzukomponieren,
gleichsam in einem Atem, ohne Pause, gab es manche
Bedenken. Aber die Glut und Forbe der Wildeschen
Sprache, das exotische Milieu und vor allem das
fulminante technische Können Strauß' rechtfertigten
das Wagnis, zumindest als Zwischenstation für den
neuen Stil, den so viele sehnsüchtig erwarten. Herr
Franz Neumann, mit dessen Vertonung von Artur
Schnitzlens—Schauspiel „Liebelei“ gestern
das Wiener Publikum zum ersten Male bekannt ge¬
macht wurde, hat sich hiebei des erwähnten Stil¬
versuches bedient, aber ohne in dieser Richtung auch
nur einen Schritt weiter zu kommen. Er mußte im
Gegenteil auf bereits bewährte Formen zurückgreifen,
die Wagnersche Arl der Deklamation wie auch das
Melodram zum Teile benützen. So entstand ein merk¬
würdiges Stilgemisch, das, oberflächlich betrachtet, nicht
übel aussieht, bei tieferer Sondierung aber wieder in
seine Teile zerfällt. Den Dialog eines modernen Schau¬
spiels restlos in ein Parlando zu zwängen, wie es
Neumann hier getan, ist kein sehr glücklicher Gedanke
gewesen. Die Aufführung hat das bewiesen, und es
bestand die Gefahr, daß das Publikum die ernst ge¬
meinte künstlerische Absicht des Komponisten parodistisch
deuten würde. Der etwaige Vergleich mit der Puccini¬
schen „Bohème“ fällt auch in diesem Betracht zu Un¬
gunsten Neumanns aus. Dem prinzipiellen Einwand
gegen den „Stil“ der gestrigen Novität schließt sich aber
ein anderer an: Schnitzlers „Liebelei“ ist ein spezifisch
wienerisches Schauspiel, und gerade hievon ist in der
Vertonung auch nicht die Spur. Das hätte freilich nur
ein Wiener Komponist treffen können. Gleichwohl
hat die Oper des Herrn Neumann nicht unbeträchtliche
Qualitäten. Zunächst ist die Stimmung der Dichtung
vom Komponisten zum Teil erfaßt worden. Er findet
für Christinens Liebe rührende Akzente, für die Wehmut
des zweiten, für die Bangigkeit des dritten Aktes den
richtigen Ton. Hingegen muß das heitere Paar der
Dichtung sich mit loser Skizzierung, mit einem stakka¬
tierten Motivchen begnügen, und auch der unwiene¬
72
rische, doch geschickt gemachte Walzer wie die ganz
Souperszene sind nicht leicht und graziös genug. Die
motivische Arbeit ist durchaus sauber, gefällig, kontra¬
punktisch gewandt und flüssig. Auch thematische Ein¬
fälle melden sich, wie beispielsweise das Hauptthema
Christinens, die Des-dur-Kantilene, die Fritz im ersten
Akt am Klavier anstimmt. Im zweiten Akte wächst
erfreulich die melodische Ausbreitung. Hier zeigt sich
das lyrische Talent des Komponisten, der übrigens
auch in dramatischer Hinsicht nicht unbegabt scheint.
So gewinnt u. a. die Szene mit dem fremden Herrn
durch Neumanns Musik wenn möglich noch an Tragik.
Ihm hier ein Überspannen des Pathos vorzuwerfen,
dessen er sich an anderen Stellen der Oper zweifellos
schuldig macht, wäre ungerecht. Auch das Vorspiel
zum dritten Akt, welches das Duell und Fritzens
Tod schildert, macht sozusagen nicht mehr Lärm, als
es der Fall erfordert, ist ebenso erschütternd wie die
Katastrophe seibst. Schließlich: ein Mädchen liebt
einen Mann mit der ganzen Inbrunst ihrer jungen
Seele. Der Geliebte wird erschlagen oder erschossen,
das ist einerlei. Für sie aber geht damit die Welt zu)
Grunde, ihr bricht das Herz entzwei. Da darf eiy
Komponist, wenn er den Fall menschlich erfassen will
die ergreifendsten und stärksten Klänge verwenden. Er
muß es sogar, dafern er wirklich empfinden kann und
über dramatische Kraft der Gestaltung verfügt. Das hat
box 12/4
Aprkrmelr.
Ausschnitt aus: er Conrier, Berlin
gabe
vom:
In zer Wolksoper kam Neu¬:
manns schon an 250 deutschen Bühnen erfolgreiche
„Liebelei“ nach Schnitzle#s Stück mit un¬
gewöhnlichem Beifall zur aufführung. Die Dar¬
steller hatten zablreiche Hervorrufe, neben denen
schließlich auch Schnitzler stürmisch akklamiert wurde.
Ebenso leistete der Komponist und Kapellmeister
Tittel den Hervorrufen Folge. X ##.
Ausschnitt aug
ESTER LLOYE
Eine Wiener Opernpremiere.
[Telegramm des „Pester Llotzd“.)
Wien, 14. Oklober.
In der Volksoper wurde die dreiaktige Oper „Liebelei“.
von Franz Neumann zum ersten Male gegeben. Der Text
ist das bekannte Schauspiel Arthur Schnitzlers, das wort¬
wörtlich, ohne jede Anpassung an die Bedürfnisse der Opern¬
bühne, in Musik gesetzt wurde. Die Musik ist die eines gebil¬
deten Musikers, der Orchestertechnik und Deklamation nur durch
wenig originelle musikalische Einfälle belebt. Das Werk, von
den Tamen Engel, Macha und Röder und den Herren
Brand, Lußmann und Klein gut aufgeführt, wurde ohne
innerliche Teilnahme angehört. Der anwesende Komponist wurde
G.
bei seinem Erscheinen mit Beifall begrüßt.
usschnitt aus:
WENER ABENDNOST
om:
B
Theater, Kunst und Literatur.
((Volksoper.) Als Richard Strauß vor vielen
Jahren den ersten Versuch wagte, auf ein regelrechtes
Opernlibretto zu verzichten und das von ihm für
es war „Salome“
eine Oper erwählte Ruch —
von Oskar Wilde — glattweg durchzukomponieren,
gleichsam in einem Atem, ohne Pause, gab es manche
Bedenken. Aber die Glut und Forbe der Wildeschen
Sprache, das exotische Milieu und vor allem das
fulminante technische Können Strauß' rechtfertigten
das Wagnis, zumindest als Zwischenstation für den
neuen Stil, den so viele sehnsüchtig erwarten. Herr
Franz Neumann, mit dessen Vertonung von Artur
Schnitzlens—Schauspiel „Liebelei“ gestern
das Wiener Publikum zum ersten Male bekannt ge¬
macht wurde, hat sich hiebei des erwähnten Stil¬
versuches bedient, aber ohne in dieser Richtung auch
nur einen Schritt weiter zu kommen. Er mußte im
Gegenteil auf bereits bewährte Formen zurückgreifen,
die Wagnersche Arl der Deklamation wie auch das
Melodram zum Teile benützen. So entstand ein merk¬
würdiges Stilgemisch, das, oberflächlich betrachtet, nicht
übel aussieht, bei tieferer Sondierung aber wieder in
seine Teile zerfällt. Den Dialog eines modernen Schau¬
spiels restlos in ein Parlando zu zwängen, wie es
Neumann hier getan, ist kein sehr glücklicher Gedanke
gewesen. Die Aufführung hat das bewiesen, und es
bestand die Gefahr, daß das Publikum die ernst ge¬
meinte künstlerische Absicht des Komponisten parodistisch
deuten würde. Der etwaige Vergleich mit der Puccini¬
schen „Bohème“ fällt auch in diesem Betracht zu Un¬
gunsten Neumanns aus. Dem prinzipiellen Einwand
gegen den „Stil“ der gestrigen Novität schließt sich aber
ein anderer an: Schnitzlers „Liebelei“ ist ein spezifisch
wienerisches Schauspiel, und gerade hievon ist in der
Vertonung auch nicht die Spur. Das hätte freilich nur
ein Wiener Komponist treffen können. Gleichwohl
hat die Oper des Herrn Neumann nicht unbeträchtliche
Qualitäten. Zunächst ist die Stimmung der Dichtung
vom Komponisten zum Teil erfaßt worden. Er findet
für Christinens Liebe rührende Akzente, für die Wehmut
des zweiten, für die Bangigkeit des dritten Aktes den
richtigen Ton. Hingegen muß das heitere Paar der
Dichtung sich mit loser Skizzierung, mit einem stakka¬
tierten Motivchen begnügen, und auch der unwiene¬
72
rische, doch geschickt gemachte Walzer wie die ganz
Souperszene sind nicht leicht und graziös genug. Die
motivische Arbeit ist durchaus sauber, gefällig, kontra¬
punktisch gewandt und flüssig. Auch thematische Ein¬
fälle melden sich, wie beispielsweise das Hauptthema
Christinens, die Des-dur-Kantilene, die Fritz im ersten
Akt am Klavier anstimmt. Im zweiten Akte wächst
erfreulich die melodische Ausbreitung. Hier zeigt sich
das lyrische Talent des Komponisten, der übrigens
auch in dramatischer Hinsicht nicht unbegabt scheint.
So gewinnt u. a. die Szene mit dem fremden Herrn
durch Neumanns Musik wenn möglich noch an Tragik.
Ihm hier ein Überspannen des Pathos vorzuwerfen,
dessen er sich an anderen Stellen der Oper zweifellos
schuldig macht, wäre ungerecht. Auch das Vorspiel
zum dritten Akt, welches das Duell und Fritzens
Tod schildert, macht sozusagen nicht mehr Lärm, als
es der Fall erfordert, ist ebenso erschütternd wie die
Katastrophe seibst. Schließlich: ein Mädchen liebt
einen Mann mit der ganzen Inbrunst ihrer jungen
Seele. Der Geliebte wird erschlagen oder erschossen,
das ist einerlei. Für sie aber geht damit die Welt zu)
Grunde, ihr bricht das Herz entzwei. Da darf eiy
Komponist, wenn er den Fall menschlich erfassen will
die ergreifendsten und stärksten Klänge verwenden. Er
muß es sogar, dafern er wirklich empfinden kann und
über dramatische Kraft der Gestaltung verfügt. Das hat