II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 1130

Liebelei
5. SuSnL

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sagendem auch nichts zu sagen vermag, und von einigen
bleigewichtigen Deklamationsstellen, hat Neumann es zu¬
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wege gebracht, ganz Erstaunliches zu erreichen. Seine drama¬
tische Schulung und ein warmes Empfinden, das der Wiener
Odem ihm eingeflößt haben dürfte, befähigen ihn, allen
Charakteren und allen Situationen die entsprechende tönende
Illustration zu verleihen, wozu er den ganzen modernen
Orchesterapparat verwendet und auch glänzend beherrscht.
Vorzüglich gelungen ist ihm die musikalische Umkleidung
der sanften, liebevollen Christine, deren Freude, deren bange
Zweifel und deren wilden Schmerz er in Tönen überzeugend
jubeln, zagen und klagen läßt. Weniger geglückt ist ihm die
Schlager Mizzi. Wohl hat er ihr ein schnippisches Gesangs¬
geplander gegeben und ihr einige operettenhaft flatternde
Motivmäntelchen umgehängt, aber das ist zu wenig. Es
fehlt das bezwingend Anmutige, das in diesem süßen Mädel
wohnt. Hier hätte musikalischer Liebreiz aufleuchten sollen
und — die ganze Figur schreit ja nach einem Liede — ein
echter Wiener Walzer aus dem Munde der Kleinen hätte
Eschenchgisr onne Gewalf.!
brillant gewirkt. Musette in der „Boheme“ wärc ein Vorbild
gewesen. Neumann schlägt bei der Souperszene (erster Akt)
sschnitt aus: Deutsches Volksblatt
einen flotten Walzer mit rhythmischem Schwunge an, läßt
Wien
ihn aber dann leider in Tonklügeleien versanden. Das wiene¬
150h 11973
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rische Lokalkolorit bestreiten noch das Zitat des Doppel¬
S

adler=Marsches (J. F. Wagner) und eine sehr hübsche,
melodische Stelle in Strauß=Terzen vor Beginn des zweiten
Aktes. Bald verschwindet sie jedoch wieder und gleichsam,
Theater, Kunst und Literatur.
um sich für diese „Trivialität“ zu entschuldigen, baut der
Komponist eine große Fuge auf, deren sorgfältige Durch¬
„Liebelei.“
fihrung sehr anerkennenswert ist.
Oper in drei Akten, nach dem gleichnamigem Schauspiele von
An der Charakteristik der Männerfiguren ist nichts
Artur GMusik von Franz Neumann.
auszusetzen. Kraftvoll ist der „Herr“ gezeichnet und mit
Zum erstenmal in der Vollsoper aufgeführt am 14. Ok¬
dramatischer Wucht schildert Neumann sein Auftreten und
tober 1913.
seine Anklage gegen Fritz. Die Wucht nimmt nur wieder,
Seit Richard Strauß die „Salome“ von Oskar
wie heute in Tonwerken üblich, riesige Dimensionen an, und
Wilde nahm, wie sie war, das heißt das Prosadrama ohne
wenn der „Herr“ sagt: „Sie hat den Schleier vergessen“,
Versifizierung vertonte und seit er, wie erzählt wird, gesagt
tritt „das Erdbeben von Messina ein.
het, er könne eine ganze Inseratenseite einer Zeitung
Zu den hervorragendsten Stellen des Werkes ist die
serunterkomponieren, hat die Neuerung der Prosa¬
Sehnsuchtsschilderung der Christine nach Fritz, der Ku߬
komposition befruchtend auf die moderne Tondichterschaft
eingewirkt. Ein herkömmliches Opernbuch ist ihrer Ansicht moment, die Szene der Liebenden „So mit dir allein“ und
nach nicht mehr nötig. Rasch ein Schauspiel ergriffen ### es das Oeffnen der Briefkassette durch Christine zu zählen.
sofort in Musik setzen, ist das neueste Feldgeschrei und Ueberall blüht da melodischer Zauber im Orchester auf, der
wenn nun einer mit der komponierten „Liebelei“ von sich wonnig zu Gehör schmeichelt, insbesondere in der Brief¬
Schnitzler gekommen ist, können wir voraussichtlich an= kassetteszene. Ein symphonisches Vorspiel zum dritten Akte,
welches das Duell und den Tod des Frei behandelt und einen
nehmen, daß nächstens ein anderer die vertonten „Ge¬
Trauermarsch (Esmoll) aufklingen läßt, ist in seiner
spenster“ von Ibsen oder das musikalisch illustrierte
prächtigen Steigerung von großer Wirkung.
„Frühlingserwachen“ von Wedelicd daherbringt.
Das interessante. Werk Neumanns hat in der Volksover
Der Komponist der „Liebelei“, Franz Neumann,
nicht nur eine liebevolle Inszenierung, sondern auch eine
ist eine interessante Persönlichkeit, deren Werdegang durch
von sorgfältigem Studium Zeugnis gebende vortreffliche
besondere Originalität überrascht. Neumann lernte, bevor
Aufführung gefunden. Kapellmeister Tittel als
er am Wiener und später am Leipziger Konservatorium
musikalischer Führer und Overregisseur Markowsky als
die Lehren der edien Tonkunst in sich aufnahm, das ehr¬
feinfühlig arbeitender Mann der Szene haben sich beide
und nährsame Gewerbe der — Selcherei. Von seinem Voter,
ausgezeichnet und verdienen volle Anerkennung. Ihrer
einem Wursterzeuger in Prerau, war er nach Wien zum
Weißhappel gebracht worden, um dort in die Geheimnisse] Leitung ordneten sich die Darsteller unter und bewältigten.
ihre schwierigen, an heiklen Einsätzen überreichen Aufgaben,
der Würstelfabrikation einzudringen. Während er aber
mit künstlexischem Empfinden. Fräulein Engel war eine
manuell an der Entstehung diverser selcherischer Produkte
mustergültige Christine. Man hätte gar nicht geglaubt, daß
tätig war, schwebte sein Geist in anderen Regionen, wo
diese glutsprühende Carmen oder Nedda so weic so rührend
Polzhymnia ihr göttliches Herrscheramt ausübt. Mit eisernem
Fkeiße bildete sich der begeisterte Musikfreund zum selbst= werden könnte. Selbstverständlich bot die Künstlerin auch
schaffenden Musi#er hergn. Als seine Lehrzeit und sein ein= gesanglich Tadelloses. Fräulein Rveder als Schlager
riger Militärdienst herum waren, ließ er die Wurst= Mizzi — gewiß sehr lobenswert für ihre Leistung — ist nicht
die richtige Vertreterin dieser Partie, denn inre vornehme
Fritze endgültig zurück und studierte mit Feuereifer an den
frauenhafte Erscheinung nimmt der Fiaur die Cyarakteristik
LeidenIschon genannten Konservatorien. Bald stand Neu¬
Faun an der Spitze eines Theaterorchesters und nach einigen des süßen Mädels. Da gehört eine kleine, zierliche Soubrette
Wanderjahren landete er in Frankfurt am Main, wo er mit einem Schelmengesichterl her. Herr Lußmann schenkte
noch heute als Opernkapellmeister erfolgreich wirkt. Früh= dem Fritz seinen nun klangvollen Tenor und bewährte sich
zeitig hatte er sich schon der Komposition zugewendet. Wurden im zweiten Akte nach Vorschrift des Kompönisten als geübter
und sicherer Hochtourist des Gesanges. Herr Brand war
doch schon in Wien von Militärkapellen Tänze aufgeführt,
ein eleganier, stimmlich und darstellerisch frischer Theodor,
während ihr Schöpfer — Würstel in die Geschäfte aus¬
Herr Klein ein wie das Verhängnis düster wirkender.
stragen mußte. Zwei Opern, „Peri“ und „Brautwerbung“
„Herr“, Herr Bandl'er ein gemütvoller Weiring und
entstanden vor der „Liebelei“ und sanden an mehreren
Fräulein Macha eine zungengewandte Frau Binder.
Bühnen freundlichen Erfolg. Das Schauspiel Schnitzlers regte
Das Werk errang einen vollen Erfotg, der von Akt
—enmann mächtig an und nach langen Bemühungen ge¬
zu Akt zunahm. Sämtliche Darsteller, der anwefende Kom¬
lang es ihm, vom Dichter die Erlaubnis zur Vertonung
ponist, der Dichter, der Dirigentund der Regisseur, wurden
des Stückes zu erhalten. Wie Schnitzler an der Möglichkeit
mit rauschendem Beifalle ausgezeichnet. Es gab auch
zweifelte, daß die Prosadichtung komponiert werden könne,
Blumen für die Damen Engel und Röder und Lorbeerkränze
so zweifelten auch viele andere daran, bis alle durch das
für den Komponisten. Dieser lohnte das Orchester, das
Werk selkst den Beweis des Gelingens erhielten.
eine brillante Leistung bot, dadurch, daß er einen der Kränze
Neumann hat mit der „Liebelei“ nicht nur eine be¬¬
von der Bühne herab den Musikern zuwars. Das Haus war
deutende Talentprobe gegeben, sondern auch ein Kunststück
ausverkauft und von vornehmen Publikum besetzt:
an Routine geliefert. Als Richard Strauß die „Salome“
man sah daxumer viele Vertreter der Kunstweit. In der
schrieb, stand ihm die blumenreiche Prosa Wildes unter¬
Hofloagste Erzherzog Eugen der Vorstellung bis .
stützend zur Seite, Neumann aber hatte nur ein Kon¬
versationsschauspiel vor sich, in dem ein rascher Plauderton
Schlüsse bei.
rorherrscht, wo es spröde Textworte, wie auch alltägliche
Redensarten genug gibt. Ueber diese Klippen konnte nur
ein außerordentlicher Rontineur hinwegkommen, und diese
ist Neumann. Er versteht es, im Orchester sprudelnd zi