II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 1143

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Asthmatisch reden die Leute, setzen ab, bleiben auf einer
Silbe liegen, um drei andere schnell zu verschlucken.
Liebelei
5. L box 12/4
Noten, nichts als Noten. Da darf man Schnitzlers
Theodor schon recht geben, wenn er meint: „Noten
schreiben muß eine fürchterliche Arbeit sein ...!“
Wird die Musik aber wieder pathetisch. — und wie
könnte sie auf die Dauer anders? — so wirkt eine schwul¬
stige Opernphrase zu den Worten: „Da kann man sich
kaum trennen,“ erst recht deplaziert und geradezu paro¬
distisch. Man komme nicht mit dem Beispiel der Ver¬
führerin „Salome". Dort war eine gehobene Sprache
zu vertonen, die, ungereimt, doch wie in freien Vers¬
rhythmen klingt. Dort war ein eminent romantisches
Sujet gegeben. Es hilft nichts: das Alltagswort ist
antimusikalisch.
Von diesem Kardinalfehler abgesehen, bleibt die
Geschicklichkeit, mit der der Musiker die Sache über¬
haupt möglich gemacht hat, bewundernswert. Ueber¬
hört man, was, charakteristisch genug, ganz leicht geht,
bei einer zweiten Aufführung die Singstimmen völlig,
so hat man manch Erfreuendes, das einem das Or¬
chester verrät. Besonders in der mittleren Linie des
Geschehens. Gleich zu Anfang einen angenehmen Sechs¬
achteltakt, der ein leichtlebiges Milieu vergnüglich
schildert, ein munter hüpfendes Motivchen für die
Schlager=Mizzi, ein ähnlich lustiges für den Theodor.
Ein hübscher, aber gar nicht wienerischer Walzer —
keine Note ist wienerisch in der ganzen Partitur, das
chnitt aus# laue-Ravue, Wien
Zitat eines populären Marschliedes ausgenommen —
20 chiretk 1913
bringt die Fröhlichkeit auf den Höhepunkt. Die mit dem
Erscheinen des Störers hereinbrechende Tragik findet
laute, aber ziemlich konventionelle Akzente. Eine freund¬
liche Liebesstimmung beschließt den gelungensten der
„Liebelei.“
drei Akte.
##er in drei Akten nach Arthur Schnifternn
Das durchwegs meisterhafte Spiel des diskret
Franz Neumann¬
untermalenden Orchesters wird weniger erfreulich, wo
Seit der Frankfurter Premiere im Jahre 1910 ist
es selbständig und bedeutsam auftritt. Die erste Zwi¬
diese Oper über zahlreiche Bühnen gegangen. So eilig
schenaktsmusik mündet, unbekannt warum, in ein recht
gegangen auf dem Weg des Erfolges daß ihres
schulmeisterliches Fugato aus, das, seltsam genug,
Bleibens nirgends lange war. Nun ist sie, die indirekt in Christinens Kammer leitet. Das zweite ist
gewissem Sinn die erste wienerische Oper ist, auch zuj schlimmer. Es berichtet, noch ehe Fritz' Schicksal dem
uns gekommen. Wird ihr's hier anders ergehen?
Störer bekannt ist, in flinkem Telegrammstil von seinem
Wenn von einer Wienerischen Oper gesprochen
Leben und Sterben. Dann kommt es mit größter Aus¬
wurde, so ist damit bloß das Buch gemeint. Das ist
führlichkeit der wienerischen Vorliebe für eine „schöne
wienerisch durch Milien und Empfinden. Seine feine,
Leich'“ entgegen und schildert das Begräbnis mit
avornehme, unpathetische und beinahe ganz unsentimentale
größtem Pomp (pompes funébres) und stark unga¬
Art ist es vielleicht schon nicht mehr. Das reizvollste an
rischem Akzent. Der Höhepunkt des Dramas, die große
[Schnitlers reizvollem Stück ist dieser leicht schwe¬
Schlußszene, behält seine starke Bühnenwirkung auch mit
bes## selbstverständliche Dialog, diese alltäglichen,
Musikbegleitung. Oder vielleicht richtiger gesagt: auch
baugeen Worte, aus d##en doch unausgesprochen tiefe
trotz der Musikbegleitung. Hier hat sie wirklich nicht
Empfindung, Angst und Grauen vor einem zermal¬
anderes zu tun, als nicht zu stören, und daß sie das ni¬
mendem Geschick strömt, das hinter Phrasen und Nich¬
tut, sei gerne als Lob gebucht.
tigkeiten groß und hart und erbarmungslos thront.
Unwienerisch, wie das Werk in der neuen Gest
Nichts packender, als die kurze Szene zwischen den zwei
war auch die Inszenierung der Volksoper. Selbst
haßerfüllten Männern, in der in ein paar konven¬
Aussicht aus Christinens Fenster war fremd und un
tionellen Sätzen die tragische Wendung sich mit furcht=send. Auch von den Sängern traf keiner den Ton.
barer Deutlichkeit ankündigt. Darum scheint mir die ehesten noch in einer kleinen Rolle Frl. Macha.
große Schlußszene, so wirksam sie ist, doch schon dem[ Lußmann als Fritz schmetterte mit seinem Te
nur Effektvollen, dem Bloß=Theatralischen zu sehr ge¬dem jede Leichtigkeit fehlt, daß es nur so eine Art!
nähert. Das so lang und glücklich vermiedene Pathos, Frl. Engel lag der dramatische Schluß ihrer: le
hier seht es plötzlich vor uns, nackt und brutal, und besser, als die sentimentale größere Hälfte, err
treibt die arme Christine zu einem gewaltsamen Ab¬
[Brand ausgezeichnet auch als Schauspieler, el ant
schluß ihres Lebens, das zerstört und zerbrochen und
liebenswürdig und lustig, kann doch den Ungarn nich
dennoch weiter getragen noch tragischer wirken müßte.
ganz verleugnen, wenn auch besser, als seine Part
So würde auch das leise angeschlagene schöne Motiv
nerin. Wa hat man uns mit Fräulein Roe
von der alten Tante, die die liebevolle Sorgfalt des
der angetan? Ein frisches Wiener Mädel sol
Bruders vor dem —
Glück beschützt hat, eine neue die Mizzi Schlager sein. Nun mit dem Deutse
Bedeutung gewinnen. Eine gerade durch ihre un= der Dame steht es so schlimm, wie mit der brüchige:
pathetische trostlose Selbstverständlichkeit erschütternde
Stimme. Und was die Frische betrifft ... Her
Perspektive. Die unpathetische Tragik ist eine durch¬
Bandler als Vater, Herr Klein als der „Herr
aus moderne, und überaus wertvolle Bereicherung des
ergänzten sehr wirksam das Ensemble und das Orcheste
Theaters. Den Ueberschwang der Rede, die überlebens¬
unter Tittel ist höchsten Lobes würdig. Das ist ei
große Gebärde verträgt man nun mehr in der — Oper.
Tittel mit Mitteln, und mit ganz ungewöhnlichen so
Und in der Tat kann die Musik des Pathos, der ge¬
gar. Seit Zemlinsky der erste Dirigent der Volksope
hobenen Sprache, ja der Uebertreibung kaum entraten,
der sich sehen lassen kann.
will sie auf tragische Wirkung ausgehen. Das kompo¬
Dr. R. S. Hoffmanu,
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