II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 1144

Liebelei
5. E box 12/4
Nr. 42.
(lente Wort ist ia schen eine Uchetreibunig, der lon¬
ponierte Satz eine Vergrößerung der Gebärde. Darum
u
ist die veristische Oper eine Kontradiktion. Die Musik
r
n kann gar nicht anders, als stilisieren, kann gar nicht
nsanders, als sich vom Alltagsleben entsernen, nicht an¬
d ders als romantisch sein. Die Alltagsrede ist und bleibt
unmusikalisch.
Mag sein, daß musikalische Stimmungen aus der
„Liebelei“ zu holen waren. Aus den Worten des
Stückes allerdings bestimmt nicht. Es ist die ent¬
scheidende Verirrung des Komponisten gewesen, daß er,
von kleinen Kürzungen abgesehen, den Text wörtlich
vertonte, wie er vor ihm lag. Er hat ein großes Kön¬
enen, eine imponierende Geschicklichkeit an dieses aus¬
sichtslose Beginnen gewendet. Er mußte an der ein¬
sachen und lächerlichen Selbstverständlichkeit scheitern,
#daß man „Armeeschematismus" und „Konversations¬
lexikon“ wohl in Noten setzen, nie aber Musik daraus
machen kann. Und selbst mit dem Notensetzen geht es
nicht immer. Man sehe sich einen Satz an, wie diesen:
„Neulich war ich mit dem Lensky in der Josefstadt und
da hab ich mir die Leut' mit den Baßgeigen angeschaut.“
Auch der ist komponiert. So geschickt es gemacht wird,
es kommt nur noch unnatürlicher, ja komisch heraus
Asthmatisch reden die Leute, setzen ab, bleiben auf einer
Silbe liegen, um drei andere schnell zu verschlucken.
Noten, nichts als Noten. Da darf man Schnitzlers
Theodor schon recht geben, wenn er meint: Noten
schreiben muß eine fürchterliche Arbeit sein ...!“
Wird die Musik aber wieder pathetisch, — und wie
könnte sie auf die Dauer anders? — so wirkt eine schwul¬
stige Opernphrase zu den Worten: „Da kann man sich
kaum trennen,“ erst recht deplaziert und geradezu paro¬
distisch. Man komme nicht mit dem Beispiel der Ver¬
führerin „Salome". Dort war eine gehobene Sprache
zu vertonen, die, ungereimt, doch wie in freien Vers¬
rhythmen klingt. Dort war ein eminent romantisches
Sujet gegeben. Es hilft nichts: das Alltagswort ist
antimusikalisch.
Von diesem Kardinalfehler abgesehen, bleibt die
Geschicklichkeit, mit der der Musiker die Sache über¬
haupt möglich gemacht hat, bewundernswert. Ueber¬
hört man, was, charakteristisch genug, ganz leicht geht,
bei einer zweiten Aufführung die Singstimmen völlig,
so hat man manch Erfreuendes, das einem das Or¬
chester verrät. Besonders in der mittleren Linie des
Geschehens. Gleich zu Anfang einen angenehmen Sechs¬
achteltakt, der ein leichtlebiges Milieu vergnüglich
schildert, ein munter hüpfendes Motivchen für die
Schlager=Mizzi, ein ähnlich lustiges für den Theodor.
Ein hübscher, aber gar nicht wienerischer Walzer —
keine Note ist wienerisch in der ganzen Partitur, das
ohnitt aus gie-Revue, Wien
Zitat eines populären Marschliedes ausgenommen
20 Uhirorn 1913
bringt die Fröhlichkeit auf den Höhepunkt. Die mit dem
Erscheinen des Störers hereinbrechende Tragik findet
laute, aber ziemlich konventionelle Akzente. Eine freund¬
liche Liebesstimmung beschließt den gelungensten der
„Liebelei.“
drei Akte.
Das durchwegs meisterhafte Spiel des diskret
## in drei Atten nach Arthur Schnibl
Franz Neumalli.
untermalenden Orchesters wird weniger erfreulich, wo
Seit der Frankfurter Premiere im Jahre 1910 ist
es selbständig und bedeutsam auftritt. Die erste Zwi¬
diese Oper über zahlreiche Bühnen gegangen. So eilig
schenaktsmusik mündet, unbekannt warum, in ein recht
gegangen auf dem Weg des Erfolges, daß ihres
schulmeisterliches Fugato aus, das, seltsam genug,
Bleibens nirgends lange war. Nun ist sie, die in
direkt in Christinens Kammer leitet. Das zweite ist
gewissem Sinn die erste wienerische Oper ist, auch zu
schlimmer. Es berichtet, noch ehe Fritz Schicksal dem
uns gekommen. Wird ihr's hier anders ergehen?
Störer bekannt ist, in flinkem Telegrammstil von seinem
Wenn von einer Wienerischen Oper gesprochen
Leben und Sterben. Dann kommt es mit größter Aus¬
wurde, so ist damit bloß das Buch gemeint. Das ist
führlichkeit der wienerischen Vorliebe für eine „schöne
wienerisch durch Milieu und Empfinden. Seine feine,
Leich'“ entgegen und schildert das Begräbnis mit
vornehme, unpathetische und beinahe ganz unsentimentale
größtem Pomp (pompes kunébres) und stark unga¬
Art ist es vielleicht schon nicht mehr. Das reizvollste an
rischem Akzent. Der Höhepunkt des Dramas, die große
Schnitzlers reizvollem Stück ist dieser leicht schwe¬
Schlußszene, behält seine starke Bühnenwirkung auch mit
bende, selbstverständliche Dialog, diese alltäglichen, Musikbegleitung. Oder vielleicht richtiger gesagt: auch
banalen Worte, aus denen doch unausgesprochen tiefe trotz der Musikbegleitung. Hier hat sie wirklich nichts
Empfindung, Angst und Grauen vor einem zermal-anderes zu tun, als nicht zu stören, und daß sie das nicht
mendem Geschick strömt, das hinter Phrasen und Nichetut, sei gerne als Lob gebucht.