II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 1197

Liebelei
5. S
box 12/5
ngabr onne Gewanr.)
Ausschnitt aus sritischt !
vom: 15 M4l.7914 Müneisen,
Schnitzler contra Schnitzler.
Jedes Niedersteigen entwürdigt den Höheren und schwächt
ihn. Ich weiß nicht, wer der erste war, der sein Werk hergab
zur Verfilmung, eine gewisse Neugierde, die Erwartung neues
Land zu neuen Taten sich zu erobern, mag ihn geleitet haben
bei seinem Entschluß. Das ist so sehr erstaunlich, daß viele
diesem Ersten nachfolgten, daß sogar Dichter kamen, die all¬
gemein bekannt sind und deren Name eine Macht ist, die
ihnen alle Pforten öffnet, sodaß sie es nicht nötig haben,
sich der Menge gleich zu machen und ihr zu dienen. Ger¬
hard Hauptmann gab seinen Roman „Atlantis“ für den
Kino her. Der ungenießbare Roman ist auf dem Kino er¬
träglicher geworden. Sit! Er trug seinen niederen Kern in
sich! Es wirkt auch weniger der innere Gehalt des Romans,
sondern das Technische, der Untergang des Dampfers. Aber
Arthur Schnitzlers Liebelei? Diese Dichtung ist über alle
Bühnen gegangen und hat überall sich Freunde erworben.
Neumann komponierte das Werk und neuer Erfolg wurde
der Dichtung. Wie kommt die Liebelei nun auf den Kino?
Wie kommt Schnitzler dazu, sein Werk zu verwässern, ins
Sentimentale herabzuziehen, wie kommt er dazu, aus dem
straffen Drama einen unwürdigen und durchaus schlechten
Film zu machen DDer Kino hat sein eigenstes Gebiet noch nicht
gefunden. Ich glaube, daß das Phantastische und Groteske, das
was aus technischen Gründen der Bühne verschlossen ist, das
besondere Gebiet des Kino ist. Die Erkenntnis der eigenen
Kräfte und Machtmöglichkeiten schränkt ein und verinnerlicht
auch den Kino. Doch aus geschäftlichen Gründen wird es lange
dauern, bis er gereinigt ist und nur sein eigenes Gebiet aus¬
baut. Vorläufig will er noch Theater sein und Leidenschaften
wie die Bühne zeigen. Wie ist es möglich, daß ein Dichter,
der wie Schnitzler auf der Bühne Erfolg in Fülle hatte, sein
Werk dem Geringsten dienstbar macht?] Der Dichtung wird
nicht zum wenigsten dadurch pikanter Reiz, daß mancherlei
verschwiegen und dem Leser überlassen wird, letzten Sinn zu
deuten und zu ahnen, wie auch der Maler nicht jede Linie
mit seinem Stifte umreißt, sondern dem Auge überläßt, das
Ganze letztlich auszuführen. Der Kino von heute kennt
dieses Pikante, dieses Vornehme und Zurückhaltende noch
nicht. Das Drama des Kinos gleicht dem Familienroman,
der auch dort breit ausmalt, wo der Roman des Dichters
Kusfe.hat.
verschweigt oder nur leise aufklingen läßt. Der Kino von
heute ist brutal, er zerrt ans Licht, er will sehen lassen,
will Effekte geben, schreien, verblüffen. All dem fügte sich
Schnitzler. Er machte einen zweiten Aufguß seiner Liebelei,
und aus seiner Dichtung wurde ein geschmackloses und senti¬
mentales Machwerk, das man gepeinigt und angeekelt an¬
sieht. O dieser Schluß der Kinoliebelei! Wie kommt ein
Dichter, der soviel Geist und Grazie besitzt wie Schnitzler
dazu, sich so wegzuwerfen? Oder handelte er so aus Ironie ?/#
Hanns Christoph Ade.