II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 1200


handelnden Personen, die Färbung
des Tones so intensiv wahrnehmen,
als beim Vertiefen in eine literarisch¬
künstlerische Schöpfung, bei einem
stummen Roman? Sind Sie nicht da¬
zu fähig, sehr geehrter Herr Engel, ist
hier nicht jeder und noch so vollkom¬
mener Synchronismus zwischen
Grammophon und Film überflüssig,
hochgeschätzter Herr Moszkowski?
Wir glauben auch ferner, daß eine
den Sujets streng angepaßte künst¬
lerisch-musikalische Begleitung viel,
viel stilgemäßer ist, viel illustrieren¬
der als ein Grammophon.
Und jetzt zu dem zweiten, nicht
weniger interessanten Artikel des
Herrn Engel zurück: Der Artikel
spricht gegen das Kino. Die Intonation
ist richtig und kompromiert sich zu
der auch von uns festgestellten Tat¬
sache, daß der Film nur zur Belusti¬
gung geeignet, von den künstlerischen
Ambitionen fern zu halten ist. Aber
nur in gegenwärtiger Form!
In dem Artikel heißt es: „Ich muß
widersprechen, wenn Sie (Mosz¬
kowski) mit möglichen technischen
Vollendungen den Ruf aller derjeni¬
gen ersticken wollen, welche in der
Institution des Kino, des gegenwärti¬
gen und des zukünftigen, eine Be¬
reicherung der „Kunstsphäre“, er¬
blicken können.
Wir haben weiter oben darauf hin¬
gewiesen, daß die technische Ent¬
wicklung des Kinos mit konkreten
Faktoren arbeitet, also auf dem posi¬
tiven Restglied logisch nachzuprüfen
ist. Dieses Restglied ist eben das
plastische Bild, das die Möglichkeit
liefert, künstlerische Stimmung her¬
vorzurufen, und daher die Impression
der Gefühlsaffekte zu erwecken.
Das ist die Kunst! — Bereits bei dem
zweiten Absatz halten wir die Deduk¬
tionen Herrn Engels als widerlegt,
und so wäre eigentlich im allgemeinen
über den Artikel nichts weiteres zu
sagen. Es sind aber noch weitere,
allerdings geringfügige Verirrungen
da, die uns doch interessieren.
Herr Engel schreibt von dem Kino:
.Notbehelfe für Farmer an der
Grenze des Urwaldes, die den Kul¬
tur- und Kunstzentren fern bleiben
müssen; daß sie schließlich die Sehn¬
sucht erwecken, sie äber nie befriedi¬
gen werden nach dem Original: nach
der menschlichen Stimme ... die
ewig das zarteste und stärkste Instru¬
ment seelischer Wirkung bleiben
wird.
Daß diese Behauptung übertrieben
ist, will ich nur an einem Beispiel
zeigen. In diesem Tagen ist Schnitz¬
lers „Liebelei“ zur Aufführung ge¬
kommen; dieser Film ist deshalb sehr
geeignet (ganz zufällig), obige Be¬
hauptungen zu widerlegen, weil ge¬
rade „Liebelei“ ein Drama ist, wo auf
der Bühne nur die Schnitzlersche
Dramatisierung das Kunstinteresse
erweckt. Handlung ist eigentlich gar
wenig. Und siehe da! Der verpönte
Film bringt uns einen subtil spannen¬
den Stoff; gerade der Film „Liebelei“
steigert uns gegen den Schluß der¬
maßen zu einer dramatischen Stim¬
mung, welche wir in der Sprechbühne
nur sehr selten erlebt haben. Soll ich
noch weiter gehen? — Welche wir
bei dem Original Schnitzler nie und
nirgends gefühlt haben. Und nich!
etwa bombastische Mittel, Sensations¬
sang und Klang, eine einfache Staf¬
fage-Parade, ein einfaches Stim¬
mungsbild der Trauerszene, ohne die
mystische Draperie,ohne die in ge¬
heimnisvollem Schattentanz schwel¬
genden, flackernden Fackel-Requi¬
siten, Tränen-Pumpen und vibrie¬
rende Bariton frisch „aufgewärmt“.
wurde ad oculos demonstriert,
doch nicht, wenigstens nicht das
ige „stärkste Instrument der seeli¬
schen Wirkung die menschliche
S’imme ist. Gerade die zarteste see¬
lische Wirkung hat ein noch zärteres
Instrument zur Verkündigung, zur
Mitresonnanz — die Musik! Einige
ebenso zarte (vielleicht auch noch
zartere Harmoniumakkorde haben
uns nahe dazu gebracht, daß wir,
nicht etwa wegen eines überstarken
„Flimmerns“ die Taschentücher her¬
ausziehen mußten. Dieser Leier¬
kasten wird morgen und übermorgen
genau so sterotyp die Taschentücher
herausdrehen, ohne daß er auch ein
einzigesmal improvisiert. Nein, Herr
Engel, einer von diesen so verdamm¬
ten nichtsnützigen Films wie die
Liebelei (trotz der veralteten, unaus¬
stehlichen Kino-Mondsüchterei Psy¬
landers) wecken in mir keine Sehn¬
sucht, das Original zu sehen, keinen
Wunsch nach der zartesten mensch¬
lichen Stimme, wenigstens nicht etwa,
um potenzierte Kunstgefühle zu be¬
friedigen. Was der Film hier ge¬
schaffen hat, war bereits Kunst! Sie
sagen: Ja, Schnitzler! Ich kann aber
doch nicht glauben, daß das Alpha
der Kunst bei Hamlet ist. In der
Kunst gibt’s auch Potenzierung, aber
das erste Glied heißt
Kunst. Und Gott nehm
übel, wenn es der Fal
Kino tatsächlich zum Au
Originals, zu Kunsta
reizt, dann hi
tte der Fi
edle Missi
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zu
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Szenen in „Germinal“
kommt morgen ein ande
richtigen Anschlag von G
zustande bringt. Und ge
Film, der körper- und ze
geschaffen für die dichten
lose Freiheit. Glauben
Engel, die Poeten, die di
veredeln“ wollten, haben
nur den Schlossern Platz
die Leinwand erst für
rische Arbeit präparier
aber nachher kommen si
kommen ganz sicher. Di
lung“ ist zu früh gekon
wenn ich mit drastisch
dienen darf, so gescheh
man einen Säugling im
Meister präsentieren we
derkind. Der Kunstfral
dem, was wir von
haben, ist eben für besti
geschnitten, die Wickel
erst heranwachsen.
„Technischen Urspr
von Hause aus, wie
Geld machen wollen
Schöpfer haben den Teu