II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 1226

5. Liebelei
box 12/6


alis, Kom, San Francisco, Stockholm, ö#..
(Quellenangaha ohne Gew Wer).
Kronstadter Zeitung, Kronstadt. C.
Ausschnitt aus:
29 3 1913
vom:
Deutsches Theater.
((F—r.) Gestern: Liebelei von Arthur
Schnitzler! Esist ein Jugendwerk, und Schnitz¬
hsticher geistreichere und geschicktere Dra¬
men verfaßt; unerreicht an lebendiger Wahrheit
und innerer Schönheit ist Liebelei geblieben —
es ist Schnitzlers erlebteste und am tiefsten mit¬
litiene Tragödie. Ihre Wahrheit: das mensch¬
liche Genußleben, woraus unversehens der Blitz
des Verderbens fährt, der ewige Fluch seit Adam
und Eva; und die Schönheit: verständige Be¬
trachtung aller Menschlichkeit und deren Dar¬
stellung mit graziöser Geste und liebevoller Ein¬
dringlichkeit. Zwei Wiener Mädeln aus dem
Volk, die eine resolut, resch und fesch, wie man
das Wiener Mädel seit jeher kennt, die an¬
dere ..... Als das „süße Mädel“ ist Christine
zum Besitz der Weltliteratur geworden. Sie liebt
einen jungen Herrn, und als dieser in dem Duell
um eine Frau fällt, stürzt sie sich vom dritten
Stock hinunter. Die Handlung ist knapp
und doch welcher Umfang von Daseinsleiden
und Lebensempfinden! Wie armselig ist dage¬
gen Sudermanns vielgeschäftiges Inirigenspiel,
wie kläglich sein unendlicher Phrasenschwall.
Lolly Lederer als Christine: Im ersten
Akt schwankt noch ihr Spiel, das dumpfe Ahnen
einer Katastrophe wird manchmal zu süßlicher
Empfindsamkeit, und man wünscht, daß die in
diesem Akt hie und da hervorlugende Sentimen¬
talität Schnitzlers herber und knapper gegeben
würde oder retouchiert mit leiserer Betonung, be¬
langloser gemacht. Im zweiten Akt findet sich
Lolly Lederer zu ihrer Christine, in dem An¬
genblick, da der Geliebte in ihr Stübchen tritt.
Prachtvoll ist diese Szene! Und nun schreitet das
Spiel aufwärts, klar und selbstsicher, in macht¬
voller Suggestionskraft. Diese Freude, daß der
Liebste bei ihr ist, und dieser Druck auf sol¬
che Freude, weil sie mit dem Seherblick der Lie¬
be den S###tten um den Geliebten erschaut, und
dirsé Setigkeit der Sorge um ihn und diese Qual,
daß solche Sorge an der Verschlossenheit des Ge¬
liebten abprallt in wunderbarem Rhythmus
kam das alles heraus. Endlich der Höhepunkt,
da sie den Tod des Geliebten erfährt: dieses Zu¬
sammenbrechen und Schluchzen, schließlich die
Tat der Verzweiflung
.... Es war eine Sze¬
ne der vollendetsten Kunst, die beste Leistung,
dir uns bis jetzt geboten wurde.
Jaques Nelson als Vater Christinens, Em¬
my Bognar als Mitzi, Ernestine Kühnau als
Frau Binder, Hans Olden und Kurt Wonger als
die zwei Herren und Kurt Walter als belei¬
digter Gatte spielten ausgezeichnet. Die Vor¬
stellung als Ganzes war eine Leistung von so
hohem Niveau, wie es in der Provinz selten
und auf Großstadtbühnen nicht alltäglich ist.
Us

Frl. Jarany und Herr Roden, die ver¬
läßlichsten Stützen unseres Schauspielensembles
haben sich ihren Ehrenabend redlich verdient und
es wäre nur zu wünschen, daß ihnen neben dem
verdienten lauten Danke des zahlreichen Publi¬
kums und den herrlichen Spenden einzelner Gön¬
ner auch klingender Lohn zuteil würde. Fräulein
Jaranyi hat in ihren Rollen stets ein tiefes Ver¬
ständnis für den darzustellenden Charakter bewie¬
sen, sie hat diesen in allen Einzelheiten ausgear¬
beitet und nie übertrieben. Auch am Freitag gab
sie die Traute schlicht und rührend. So soll die
Traute sein. Wir werden kaum eine bessere Ver¬
treterin dieses Faches für unser Stadt¬
theater finden. Das Gleiche läßt sich von
Herrn Roden sagen. Auch er hat in der verflosse¬
nen Spielzeit Typen von außergewöhnlicher
Schärfe auf die Bühne gestellt, sein Fleiß und seine
Verläßlichkeit sind oft in unseren Besprechungen
(gerühmt worden. Dem Oberleutnant Robitsch gab
zer am Freitag den richtigen Ton des willensstar¬
cken Mannes, der eine Schwäche weder an sich noch
zan andern duldet, als ein Kommißknopf im Kreise
seiner Kameraden gekannt und gefürchtet, weil er
sim Gegensatz vom weichen Hans in erster Linie
Soldat und dann erst Mensch ist. Herr Roden war
kurz, immer dienstlich, nie aus sich heraustretend,
im ganzen: eine markante Figur. Her Hohe¬
nau, im Besitze einer kleinen Rolle, sah am besten
aus, die ändern Herren waren zum Teil mehr als
kommiß angezogen und alles eher denn schneidig.
2.
V
Artur Schnitler.—Liebetei“„Ab¬
schiedssouper“. (Gastspiel Frl. Hermine Me¬
delsky und Herr Alfred Huttig vom Kgk.
deutschen Landestheater in Prag.)
Schnitzler ist einer der modernen Analytiker
und Stimmungspoeten, die mit der Gewissenhaf¬
tigkeit des Arztes an ihren Nebenmenschen herum¬
horchen und herumfühlen. Das dreiaktige Dra
ma „Liebelei“ hat ein verwandtes Gefühlsthema
mit der „Sündigen Liebe“ des Italieners Giaco¬
sa. Es ist eine sehr alltägliche Geschichte, die sich
da in den drei Akten mehr novellistisch als drama¬
tisch abwickelt. Die Fabel kommt auch erst in zwei¬
ter und dritter Linie; die Hauptsache ist ihm der
Kontakt, der sich zwischen den Personen erzeugt
und das überrascht diejenigen, welche bereits die
Bekanntschaft des Novellisten Schnitzler gemacht
haben, keineswegs.
Zwei liebe Gäste haben uns am Samstag ein
Abschiedssouper gegeben, aus dem zwischen ihnen
und den Brüxern im Laufe des Abends eine rechte
Liebe, keine Liebelei wurde. So wie die zwei den
Wiener Autor spielen, das macht ihnen nicht leicht
jemand nach, sie das resche, fesche Wiener Madl
mit dem goldigen Herzen und dem leichten Sinn,
er der elegante, leichtfertige Lebemann. Es ist
eine rechte Wiener Liebelei zwischen dem Theodor
und seiner Freundin Mizzi Schlager, die im Mai
nicht daran denken mag, ob man sich im August
noch lieben wird. An Frl. Medelsky ist alles
Leben, ihre Mizzi ist der Typus des „süßen Mä¬
dels“. Wie sie lacht, wie sie plappert, wie sie drol¬
lig schmollt und schmeichelt, wie sie andererseits
ernst und besorgt tut mit dem warmen, herzlichen
Ton in der Sprache, alles und jedes wirkt originell
und natürlich. Er markiert ausgezeichnet die
nachlässig=vornehme Art des Wiener Lebemannes,

man bewundert diese einfache natürliche Fuhrung
des Dialogs. Es war ein wahrer Genuß. Einen
schweren Stand hatten demgemäß unsere heimi¬

schen Kräfte, die sich mit Anstand aus der Affare
zogen. Herr Hohenau gefiel uns im Dreiakter—