II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 1235

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iebelei
5. Jnn
Ausschnitt ausvaurheit, Linz, Oberösterr.
3-0K119
vom:
Theater und Kunlt.
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„Liebelei“ von Arthur Schnitzler Auch diese Auf¬
führung hat gezeigt, daß unser Landesthealer heuer
über ein ganz vorzügliches Schauspielensemble verfügt,
das uns noch manchen genußreichen Abend bescheren
wird — wenn es das operettenlüsterne Publikum er¬
laubt. Die Hauptrolle des Stückes, die unglückliche Mu¬
sikerstochter Christine, gab Fräulein Alice Lilard mit
inniger Wärme in den Liebesszenen und mit erschüttern¬
dem Schmerz in der Szene, wo sie von dem Tode des
Geliebten erfährt. Das war wahre Kunst! Ihr eben¬
rtig zur Seite standen die Herren Willi Rolden
ritz), Kurt Walter (Theodor) und Josef Hüb¬
r (Christinens Vater). Als munteres, lebenslustiges
ädel war Frl. Vicky Pistor (Mizzi) ganz auf dem
richtigen Platze. Frl. Elsa Maltana gab die klatsch¬
süchtige Strumpfwirkerin sehr gut. Das Zusammenspiel
war ein recht flottes und der Gesamteindruck der N
stellung daher ein sehr angenehmer, obwohl dasschlecht
besetzte Haus davon wenig merken ließ.—
GELAan
Ausschnitt ausVelser Anzeiger
voln:

— Schnitzlers „Liebele i“ (aufgeführt Sonn¬
Lagdn 12. Olisber-1013) entzückt wie am
ersten Tag (von wie viel Stücken, die beinahe
zwunzig Jahre alt sind, kann dies noch gesagt
werden?) durch die edelschlichte Einfachheit seines
Bauesnd seiner Heiterkeit. Alles fügt sich an¬
überhaster, kräftig und gerundet zusammen; die
Menschen eines kleinen Weltausschnittes haben mit¬
einander zu tun und wieder aus kleinem Ausschnitt
ist noch eine kleinere Lahl, sind nur zwei, die enger
zusammenwachsen, eine stille, lautlos, verblutende,
unpathetische Tragödie inmitten der lauten, stürmen¬
den und gellenden Wellen der großen Stadt. Aber
trotz dieses Vornehmen und Adetigen des Stückes
.— die Heldin steht dennoch in vielen Augenblicken
scharf an der Grenze, wo innig=süße, berauschende
Liebesworte zur sentimentalen Pose, zur theatrali¬
schen Deklamation werden — und in manchen Mo¬
menten überschreitet sie diese Linie sogar. Darum
obliegt der Künstlerin, in deren Händen die Rolle
der Christine Weiring ruht, dopvelt die Verpflich¬
tung, das übergrell Geratene, das zerfließend Rühr¬
selige, das Unwienerische und Unlebendige ihrer
Partie zu dämpfen, über aller Wehmut und allem
tiefen Seelenton etwas Jungfrisches, Hinreißendes
und Berauschendes leuchten zu lassen. Frl. Li¬
lard, weniger theatralisch akzentuierend als im
„Meister“ und also künstlerisch befriedigender, hatte
gleichwohl noch zu viel des Unterstrichenen, ein¬
tönig im Jammer Versunkenen an sich. Das Theater
zu vergessen und für Stunden in die Geheimnisse
des von starken Händen geöffneten Lebens zu
— wie sehnt man sich monatelang nach
tauchen
solchen Offenbarungen der Kunst! — es wollte und
wollte nicht gelingen! Ihr Partner Herr Rol##
den gab ein gutes und erfreuliches Spiel voll¬
schwerer, erdrückender Angst, jähem, krampfhaftem
Vergessenwollen und der erstarrenden Wiederkehr
würgender Ahnungen. Seine Leistung bestätigte
den angenehmen Eindruck seines ersten Auftretens.
Die neue Naive, Frl. Pistor, stellte sich als
mit einer frischen Fidelität
Mitzi Schlager vor
und schnippischen Zappligkeit, die sie sicherlich für
das längst verwaiste Fach der wirbeligen Backfische
sie auch Seele hat, wird
geeignet macht.
sich ja weisen. Erheblich höher als im Meister“
stand diesmal Herr Hübner, der dem alten Wei¬
ring die feine, abgeklärte, tröstende Güte des Aters
gab, und Herr Walter, dem die anbekünmherten
Flaneure besser zu liegen scheinen, als schwere,
gedanken= und problembetadene Menschen. Frau
Maltana war eine Wienertratschen von er¬
quicklicher Echtheit. Der Beifall des dichtgefüllten
Hauses klang aufrichtig.
Gelegentlich der heutigen Besprechung von
Arthur Schnitzlers „Liebelei“ sei auf Julius
Kapp's „Arthur Schnitzler“ (Leipzig, im
Xenienverlag), hingewiesen. Dieses gescheite
und liebevoll, bei aller Verehrung nicht blinde
Buch (mir scheint der Verfasser in der geringen
Einschätzung des „Jungen Medardus“ sogar mehr
als zu viel Objektivität bewiesen zu haben) ent¬
wickelt, bei den Einzelheiten nie mehr als nötig
verweilend, in einer großen Linie des Wiener Dich¬
ters Leben und Schaffen von den „Anatol“dialogen
bis auf unsere Tage. „Und es stellt dies Wirken,
dessen hohe und schöne Kraft bei solcher Ueberschau erst
recht in die Erscheinung tritt, mitten in das Je¬
samtbild deutschösterreichischen Dichtens, Verwanot¬
schaften erweisend, Unterschiede und Schattierungen¬
aufzeigend; es entwirft kein isoliertes Bild des
bedeutungsvollsten, bei uns noch immer zu wenig
gewürdigten Wiener Menschenschilderers und Séelen¬
künders, vielmehr erleuchtet gerade die Uytgebung
R.
## D#ae des Gefeierten.