II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 1237

Liebelei
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S
Arthur Schnitzler Gestern gelangte das be¬
ersck Schauspiel in unserem
neuen Häuse zum erstenmale zur Aufführung.
Es ist dies wohl unstreitig das beste Werk
des Wiener Arztes und Dichters, denn seine
ganze Eigenart spiegelt sich in diesem wie¬
der Schnitzler, dessen Domäne und eigent¬
liche Stärke der „Einakter“ ist, ging in die¬
ser Dichtung von der dramatischen Stubie zur
größeren dramatischen Komposition, vom skep¬
tischen Lächeln zu vertiefter, einster Betrach¬
tung, über. Auch hier bewegt er sich als ech¬
#ter Naturalist wieder im engen Kreise des
bürgerlichen Lebens der Gegenwart, auch hier
spielen wieder das „süße Mädchen“ die ver¬
heiratete Frau, die ein Verhältnis hat, der
Liebhaber und der Freund eine große Rolle
lauter ureigen Gestalten Schnitzler'scher
Muse; — auch hier liefert er uns einen Bei¬
trag zur Psychologie der „lieben, füßen Mäd¬
chen“, wie Wolzogens wohlklingende Namen¬
gebung lautet. Und nun käme die Handlung:
Ein junger Student, Fritz Lobheimer (Herr
Gebhard dem das Lieben gewohnte Beschäf¬
tigung ist, lernt in Christine Weiring (Frl.
Herting) ein junges Mädchen kennen, dees ihn
wirklich innig liebt. Sie ist die Tochter eines
ellten Violinspielers vom Josefstädter Theater.
(Herr Schleger). Sie nimmt das Verhältnis
tiefernst, andessen es Fritz nur als Liebelei
auffaßt. Zwei Tage, nachdem er Christine be¬
sucht hatt, erfährt sie, daß er im Duell ge¬
fallen ist, um eine andere, verheiratete Feau#¬
Keine Zeile zum Abschied hatte ihr Fritz hin¬
terlassen, ja nicht einmal seine Leiche darf sie
mehr sehen. Da fühlt Christine, daß sie ihm
im Grunde nichts gewesen, obgleich sie ihm
alles gab. Und so macht sie ihrem Leben durch
Selbstmord ein Ende. — Hier bildet die Vor¬
führung eines leicht in den Tag hinein leben¬
den Liebespaares den Hintergrund für die
ernste Schilderung der aus dem Spiele erwach¬
senden, tieferen, das ganze Leben des Mäd¬
chens durchzitternden und vernichtenden Nei¬
gung.
Die Aufführung auf unserer Bühne kann
=werden; insbesondere gebührt dem Spielenel¬
Herrn Gebhard für seine stimmungsvolle,
liebevolle Inszenierung, sowie für das flotte
Zusammenspiel vollstes Lob. Auch sein Fritz
wurde von ihm in Sprache und Geste durch¬
aus lebenswahr verkörpert. Sein treuer
Freund, der gute Kerl Theodor fand in Herrn
[Dekner einen flotten, der Rolle voll ge¬
wachsenen Darsteller. Besonders im ersten Akt
woirkte sein, von jeder Uebertreibung freier,
warmer Humor erquickend Seine ebenbürtige
Partnerin, Frl. Targler, stellte das Modi¬
stenmädchen Mizzi, mit dem leichten Sinn, und
dem guten Herzen, schick, urwienrisch, dar.
In Spiel und Auffassung gleich lobens¬
wert war Frl. Herting in der schwierigen
Rolle der Christine. Nur wäre nächstens manch¬
mal etwas mehr Deutlichkeit zu wünschen.
Auch scheint Frl. Herting manchmal, was
Dialekt anhelangt, vergessen zu haben, daß
sie an der schönen, blauen Donau lebt.
In Maske, Sprache und Darstellung ein Ka¬
binettstückchen brachte Herr Schleger als
Weising auf die Bühne. Doch auch ihm kann
für nächstes Mal, speziell im letzten Akte, mehr
Deutlichkeit empfohlen werden. — Auch die
übrigen kleineren Rollen, waren durch Frl.
Ullrich und Herrn Mohr gut besetzt. Schlie߬
lich wäre noch zu bemerken, daß das sehr
mäßig besuchte Haus allen Darstellern ver¬
dienten Beifall zollte und daß vielleicht näch¬
stens im Schauspiel die höchst überflüssige, nur
störend wirkende Zwischenaktmusik lieber fort¬
bleiben sollte, denn: entweder was Gutes —
oder gar nichts 144 —Th—.
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