II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 1262

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Liebelei
5. LaeSe box 12/6
diesem einen Akt als schaffender Musiker von ¬
sentimentale Geschichte des herzigen Wiener
Geist und Können vor. Es gibt heute sicher¬
Madels, die so ergreifend in die paar Worte
lich nur ganz wenige, die befähigt sind, etwas
ausklingt, die diese Christine am Grabe ihres
Aehnliches und Gleichwertiges zu Papier zu
Liebesglückes spricht: „Was bin ich ihm denn
bringen Es ist nicht Neumanns Schuld, daß
gewesen?“, diese fast novellistisch zarte Begeben¬
nach diesem entzückenden ersten Akt die Oper in
heit war man geneigt, jenen dramatischen Stoffen
ein leises Dekrescendo ihrer Wirkung hinein
zuzuzählen, die aus der Addition von Musik
gerät. Noch gelingt es ihm in dor Einleitung
eigenilich nur eine Subtraktion ihrer Gesamt¬
zum zweiten Akt zunächst in einer kleinen wie¬
wirkung erhalten können. Als Franz Neu¬
nerischen Schwärmerei und im Anschluß daran
mann sich trotzdem entschloß, unter ziemlich
in einer kunstvoll gefügten, hurtig raschelnden
enger Anlehnung an das Schnitzlersche Original,
Fuge — in der sich wohl die Lästermäuler der
bei der es sich allerdings nicht ganz vermeiden
un¬
lieben Nachbarschaft austoben sollen?
ließ, daß psychologische Feinheiten der Dichtung
sere Teilnahme anzuspannen und auch der Auf¬
den Erfordernissen des Opernbuches zum Opfer
tritt der hämischen Strumpfwirkersfrau, deren
fielen, dies Drama in Musik zu setzen, war er
sprudelnder Klatschsucht schließlich nur durch
sich der Gefahr, in die er sich begab: der Gefahr
eine schrille Ratsche im Orchester der entspre¬
im besten Falle etwas Ueberflüssiges zu tun,
chende Ausdruck gegeben werden kann, fesselt
sicherlich wohl bewußt. Aber mit ganz außer¬
durch seine musikalischen Qualitäten; aber von
ordentlichem Geschick, mit dem unfehlbaren In¬
stinkt und der Hellsichtigkeit eines geborenen] da ab gerät Neumann etwas in das breite
Fahrfasser einer kondentionellen und nicht mehr
Dramatikers wich er dieser Gefahr aus, hütete er
ganz persönlichen Opernlyrik. Immerhin ver¬
sich wohl, Schnitzler auf das Gebiet zu folgen,
leugnet sich ein vornehmer Geschmack, mit dem
das der Musik verschlossen ist. Er machte gar
sich gegen Schluß des Aktes auch starke Leiden¬
nicht den Versuch, musikalische Seelenanalyse
schaftlichkeit und Pathetik paaren, weder hier
zu treiben und statt sich in psychologische Klein¬
noch in den Schlußszenen des Ganzen.
malerei zu zersplittern, sammelte und konzen¬
Man darf Herrn Direktor Moris sehr
r sich auf die musikalisch dramatische
trierte
dankbar sein, daß er sich dieser Oper annahm,
Unterstreichung und Untermalung der wesent¬
die vielleicht gelegentlich von Puccini und an¬
lichen Grundstimmungen, auf die Schnitzler sein
deren Veristen abhängg ist, zugleich aber im !
Werk aufgebaut hat. Diese kyrische Grund¬
selben Maße, in dem jene italienisch empfunden
stimmungen aber: die laue und kosende, schmeich¬
sind, wienerisch gefühlt ist. Eine Vernachlässi¬
serische Wiener Luft, der Alem der Sehnsucht,
gung verdient dieses Werk ja sicher am aller¬
der in dem Ganzen weht, die behagliche Trau¬
wenigsten! Die Aufführung des Werkes, das
lichkeit, wie sie im Heim des Viokinspielers
sehr anspruchsvoll ist, an Sänger und Darsteller
Werng zu Hause ist, das alles kommt der
gewaltige Anforderungen stellt, überall an Grazie
Musik weit entgegen. Und so steht man denn
und Anmut, an beschwingle Lebhaftigkeit und
im ganzen vor einem durchaus geglück¬
einen flüssigen Reproduktionsstil sich wendet,
ten Experiment, so verdankt die deut¬
stellte die Volks=Oper vor eine ungewöhnlich¬
sche Bühne dem Versuche Neumanns eine Oper,
schwierige Aufgabe. Um so lauter wird man
die man unbedenklich dem Besten zuzählen
die ganz ausgezeichnete Art und Weise rühmen
kann, was uns die letzten nicht gerade fetten
itt aus: Raltbenrge. 1 Seitnenmg
dürfen, mit denen man dieser Schwierigkeiten
Jahre auf diesem Gebiete geschenkt haber
Herr wurde. Das Hauptverdienst gebührt dabei
Das gilt namentlich von dem ersten Akt
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neben Herrn Moris, der so geschickt der Auf¬
dieser Liebelei“=Oper, der im einzelnen wie als
führung im ganzen den Zuschnitt und im ein¬
dramalisches Ganzes die starke Begabung Neu¬
zelnen die ordnende Hand gab — und der nur
manns in heilstes Licht rückt. Neumann fin¬
vielleicht aus gut gemeintem Streben nach Ver¬
det da, indem er aus einem schlichten, jeder
Theater,
deutlichung in der Einfügung der Duell¬
Verstiegenheit abholden Empfinden heraus
Pantomime während des Vorspiels zum letzten
musiziert und indem er das berauschende Aroma
Kunst und Wissenschaft.
Akt einem Irrtum verftel — Herrn Kapellmeister
eines maienhaft frischen Wiener Liebesfrüh¬
Karl Pfeiffer. Unter diesem peinlich ge¬
lings auffängt, von Anfang an die lieben,
wissenhaften und dabei doch stets großzügigen,
halblauten und gleichsam verhangenen Töne,
Hamburger Volksoper.
in dramatischem Miterleben mitschwingenden
mit denen es ihm gelingt,, uns so eng an
Dirigenten, spielte das kleine Orchester den
seine Gestalten anzuschließen, daß wir von da
Erstaufführung von „Liebelei“.
instrumentalen Teil überraschend klangschön,
ab mit ihnen empfinden, uns mit ihnen iden¬
Text nach dem Schauspiel
reich nuanciert und mit fast virtuoser Sicher¬
tifizieren. Und in einem Auftritt von packender
heit. Auch die Besetzung der Hauptrollen hol
von Artbur She
Gegensätzlichkeit und von atemraubender Wucht
in glücklichster Weise die Wirkung des Werkes.
Musik von Franz N###
stellt er mitten in sein Liebesidyll die Episode
Grete Schlemüller als Christine war von
er als Rächer seige¬
S
des „fremden Herrn“
Wer Arthur Schnitzlers seine Art der Seelen¬
Ehre auftauckt, einer tifschwarzen Wolks gleit# # rührender Schlichtheit, ganz das „liebe Ding",
#schilderung, das sorgsame Mosaik seiner Character¬
wie es sich Schnitzler gedacht; Meta Scheu¬
da die sonnige Heiterkeit der bis dahln be#
Tzeichnungen und seinen eleganten, geistreichen
len stand zu ihr in der richtigen Gegensätzlich¬
schenden Almosphäre verdunkelt. In der ve¬
und mit allen Mitteln funkeinder Paradoxe zu¬
keit, ohne zu übertreiben. Prächtig bei Stimme
in der feinsinnigen,
schwingten Rhythmik,
gespitzten Dialog kennt, durfte füglich bezweifeln,
sang Herr Waschmann den Fritz, hervor¬
überall reizend klingenden Instrumentation, in
ab eines seiner Werke, die als Buchdramer
ragend gut in der Partie des fremden Herrn
einer ganz statt'ichen Serle von lustigen und
bei der Lektüre ihre kostbarsten Reize enthüllen,
war Herr Kant und auch die Herren Stich¬
witz'gen musikal schen E'nfällen, vor allem aber
der Musik für eine Over genügend feste und
li
Challis trugen nach ihren
g und
sichere Stützpunkte geben könne. Insbesondere in der stilistischen Treffsicherheit und der Prä¬
Kräften zu dem Erfolge bei. Dieser Erfolg,
die Miniaturtragsdie seiner „Liebelet“, zie kleine zision des Ausdrucks stellt sich Neumann mit
bei fast ausverkauftem Hause, war groß — nach
allen Aktschlüssen und besonders nach Schluß
der Oper mußten die Mitwirkenden sowie
Direktor Moris und Herr Kapellmeister Pfeiffer
zahlreichen Hervorrufen Folge leisten. H.,Eb.