II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 1293

5. Liebelei
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EECHSPOST, WIEN
Theater, Kunst, Musik.
Hofburgschauspieler Girardi.
Davon war schon öfter als einmal die Rede, daß
Gitardi, unser Girardi, dieser wenn auch nicht gewalligjte
so doch sicher dem wahren Menschentum nächste deutsche Schau
spieler, eigentlich an unsere erste österreichische Schauspiel
bühne gehöre. Nein, das gehe dab nicht, hieß es da immer
gleich, denn Girardi sei ja doch „nur ein Volksschau
spieler, er habe den „Burgtheaterstil“ nicht und sei in
klassischen Stücken völlig unverwendbar. Das ist in all
den Jahren, seit er sich fast ausschließlich der Operett¬
zugewendet hat, die landläufge Vorstellung von ih go
worden: Ein g'spassiger Herr, der unlängst zwar mit wenig!
Stimme aber hinreißender Betonung und Gebärden
sprache den neuesten Schluger in irgendeiner „Tanzender
Hoheit" oder dergleichen gesungen oder unlängst in
„Zigeunerbaron“ so fesch Csard# getanzt hat. Also wohl
wert, daß die runden Strohhute nach ihm benannt wur
den. — Wieviel tausend dumme, stipffinnige Operetten
abende sind durch ihn allein erträglich geworden! Kein¬
Rolle konnte so flach sein, daß er ihr nicht doch irgendein
Gelegenheit abgelistet hätte, in ein hanales Scherzwon
plötzlich eine Welt von Gemüt zu legen und so die Zu
hörer seines Geistes einen Hauch verspflren zu lassen. Hir
und wieder ließ er sich bereden, in einem Schwank zu
gastieren, in den ein findiger Bühnenautor eine „Girardi
rolle“ hineingegtmmert hatte. Mochte solch ein Schwan
dann „Er heiratet seine Frau“ oder sonst irgendwie hei
ßen, mehr als eine bessere Hanswurstiade war es niemals
was man diesem außerordentlichen Schauspieler zudachte
Jetzt hat ihn der neue Burgtheaterdirektor mit be
herztem Zugriff für das Hofburgtheater gewonnen. E
sagte sich: Ich will Raimund spielen, ich will das Volks
stück pflegen. Dieser ist mein Mann. — Jetzt wird es sic
zeigen, daß für einen Gitardi gar keine neuen Rollen ge
schrieben werden brauchen, sondern daß sich in jeden
guten, wirklichen Volksstück eine Girardirolle findet. 2
nächst kommt ja wohl Raimund in Betracht, auf desse
Eigenart Girardis weiches, österreichisches Wesen so außer
ordentlich paßt. Seinem berühmten Valentin wird jetz
der Künstler noch manche andere von Raimund erdacht
Gestalt anreihen können. Auch bei Nestroy wird er manch
dankbare Aufgabe finden. Was alles nicht sagen will, da
er in klassischen Stücken in der Tat unverwendbar sei
Warum sollte er etwa nicht den Hofmusikus Miller in
„Kahale und Liebe“ spielen können? Es würde an einen
Hofburgtheater gar nicht störend wirken, wenn er der
Miller mit einem leisen dialektischen Anflug spreche
ließe. Man hat in der letzten Zeit ohnedies — und siche
nicht mit Unrecht — darüber geklagt, daß am Hofburg
theater imfolge vieler Neuengagements von reichsdeut
schen Schauspielern das spezifisch reichsdeutsche Spreche
allzu sehr überhand nehme. Mit Girardi wird ein starke
österreichischer Ton in das Haus kommen. Wir müssen ge
stehen: Wir wissen nicht, ob er reines Hochdeutsch zu spre
chen instande ist. Aber wir würden es gar nicht fü ei
großes Unglück halten, wenn er es nicht imstande wäre.
Den Hauptnutzen, den die Gewinnung dieses Schau
spielers dem Hofburgtheater bringen wird, erblicken wi
aber in dem Umstand, daß sich der neue Direktor dadurd
offensichtlich die Verpflichtung auferlegt, dem Volksstü
wieder einen breiteren Raum zu öffnen. Um das Volks
stück war es im Hofburgthoater in den letzten Jahren
schlecht genug bestellt. Mancherlei, was Schnitzler schrieb
gab sich den Anschein des wienerischen Volksstückes. Abe
wie unwienerisch ist doch dieser Dichter im Grunde seine
Wesens wie volksfremd ist doch seine Art zu denken, wi
ferne liegen doch unserem wirklichen, seiner Rasse durc
unübersteigliche Schranken des Blutes unzugänglicher
Volke seine erklügelten, schwülen Probleme! Der neuerer
magyarischen Dichtung ist auf dem Burgtheater in de
letzten Zeit mehrsach Unterstand geboten worden, wahrlic
nicht zum Besten dieser Bühne. Nur für das deutsch
österreichische Volksstück ist nichts geschehen. Schönherr
Stücke, so treu und stark im Dialekt und in der Beibehal
tung bäuerlicher Umwelt, können in der literarischen Aus
gemessenheit ihrer Probleme und in ihrer, von natürliche
Naivität meilensernen Bewußtheit sicher nicht als Volks
stücke in wahrem Sinne angesprochen werden. Nein, in