belei
5. Li. box 12//7
o#36. m#furter Zeite
Frankfurt e. M.
(Frankfurter Neues Theater.] „Liebelei“ und
Die Unschuldige“ vertragen sich nicht an ein und demselben
Abend. Die immer graziöse Ausgelassenheit, die melancholische
Wollust süß rieselnder Fränen des Wieners und (was über
Schnitzlers Konversationsgenie gern vergessen wird) die echte
Gefühlsentladung im dritten, Akt rühren so tief und nachhaltig
am Innersten, daß der errechneten Künstlichkoit des Heinrich
Mann' schen Einakters das Herz kein Willkommen zuruft.
Der Adrokat Dr. Hallarnd hat für die des Mordes an ihrem
ersten Gatten schwer verdächtigte Gabriele, kraft seiner
Anwaltskünste, einen Freispruch erkämpft. Die „Unschuldige“.
will die Liebe des Erretters unbedingt und unabhängig
davon, ob sie Mörderin sei oder nicht; sie fordert moralin¬
freie Liebe und stellt sich ihm als die Schuldige an
der Blutiat dar. Und siebe da: der Dr. joris uimsque hält
auch dieser Prüfung stand. Sei sie Tier oder Engel — er
liebt sie. Da gibt sich die von Hemmengen so herrlich Unge¬
trübte wieder als die Unschuldige, und er empört sich über ihr
Katzenspiel. Sie wieder empört sich über seine Empörung -
und es könnte ewig so weiter gehen. Denn, daß sich nach
einer Dialektik über Mannestat und „Weibchen“=Nache die
angeblich Liebenden akkurat zum Fallen des Vorhangs in die
Arme schließen, verbürgt keinen inneren Adschluß. Hier
kämpften nicht zwei Menschen um sich, sondern zwei Ge¬
hirne um ein Rätsel. Ein Experiment — Heinrich Mann
hat schon bei Weitem Größeres gezeitigt. Herr Schröder
gab sich als einen zielsicheren Liebhaber, dessen Männlichkeit
vor nichts zurückschreckt, und Frl. Marija Leiko erfreute sich
und uns mit weiblicher Schonheit. Das Spiel dieses Aktes
war geschlossener als das in Schnitzlers Stück; wo Herr
Schwartze als Musikus Weiring auffiel, der einzige, der
etwas Wienerisches verbreitete — abgesehen von der im Munde
Dhd.
des Theodor=Spielers kohlenden k. k. Virginia.
gurfer Vürrhers
Feünklecher
25.0417
Theater und Musikz,
Kammerspiele.
G. Nürnberg, 25. Juni. „Liebese: —„Alt.
Heidelberg“, „Alt=Heidelberg“ — „Liebelei“, gar
groß ist der Unterschied am Ende nicht. Die süße
Mischung von Moll und Dur ist so ziemlich dieselbe
und die Wirkung auf das Publikum vollkommen die
gleiche. Ob Schnitzler seinen dramatisierten
Studentenroman in unbewußter Naivität oder mit
schlauer Berechnung auf den durchschnittlichen Ge¬
schmack der gleichermaßen wein= wie lachseligen
Theater=Stammgäste so reichlich mit Sentimentali¬
täten, Schlagrahm=Poesie und abgestandenen Fideli¬
täten bespickte, weiß ich nicht. Das aber weiß ich,
daß es gegenüber solchen Stücken Pflicht jedes Spiel¬
leiters und Schauspielers wäre, abzuschwächen und ab¬
zutönen, wo es nur immer geht. Also bitte, Herr
Sondinger, das Licht nicht gar so theatralisch=roman¬
tisch=symbolisch am Ende des ersten Aktes ausblasen!
Nicht gar so sehr die Augen rollen, nicht gar so viel
Schmelz in die Stimme usw. Auch der alte Weiring
kann ruhig etwas weniger gedrückt und zitterig ge¬
geben werden. Uebrigens stehen Herrn Korter solche
Rollen — seine Maske war recht geschickt — ungleich
besser als Lebemänner, Barone usw. Am besten ge¬
fielen mir — abgesehen von Herrn Sattler als Gast,
der die dankbare Figur des Theodor Kaiser recht nett
Frl. Steuermann als Christine, ob¬
herausbrachte —
gleich auch sie sich allzu schmachtend und elegisch gab,
und vie wirklich natürlich frische Mizi Schlager des
Frl. Heinlein, ein Schackerl, an das man glauben
konnte. Im übrigen fehlte es dem Zusammenspiel
im großen und ganzen an der gerade in Stücken wie
der „Liebelei“ dringend notwendigen Oelung.
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o#36. m#furter Zeite
Frankfurt e. M.
(Frankfurter Neues Theater.] „Liebelei“ und
Die Unschuldige“ vertragen sich nicht an ein und demselben
Abend. Die immer graziöse Ausgelassenheit, die melancholische
Wollust süß rieselnder Fränen des Wieners und (was über
Schnitzlers Konversationsgenie gern vergessen wird) die echte
Gefühlsentladung im dritten, Akt rühren so tief und nachhaltig
am Innersten, daß der errechneten Künstlichkoit des Heinrich
Mann' schen Einakters das Herz kein Willkommen zuruft.
Der Adrokat Dr. Hallarnd hat für die des Mordes an ihrem
ersten Gatten schwer verdächtigte Gabriele, kraft seiner
Anwaltskünste, einen Freispruch erkämpft. Die „Unschuldige“.
will die Liebe des Erretters unbedingt und unabhängig
davon, ob sie Mörderin sei oder nicht; sie fordert moralin¬
freie Liebe und stellt sich ihm als die Schuldige an
der Blutiat dar. Und siebe da: der Dr. joris uimsque hält
auch dieser Prüfung stand. Sei sie Tier oder Engel — er
liebt sie. Da gibt sich die von Hemmengen so herrlich Unge¬
trübte wieder als die Unschuldige, und er empört sich über ihr
Katzenspiel. Sie wieder empört sich über seine Empörung -
und es könnte ewig so weiter gehen. Denn, daß sich nach
einer Dialektik über Mannestat und „Weibchen“=Nache die
angeblich Liebenden akkurat zum Fallen des Vorhangs in die
Arme schließen, verbürgt keinen inneren Adschluß. Hier
kämpften nicht zwei Menschen um sich, sondern zwei Ge¬
hirne um ein Rätsel. Ein Experiment — Heinrich Mann
hat schon bei Weitem Größeres gezeitigt. Herr Schröder
gab sich als einen zielsicheren Liebhaber, dessen Männlichkeit
vor nichts zurückschreckt, und Frl. Marija Leiko erfreute sich
und uns mit weiblicher Schonheit. Das Spiel dieses Aktes
war geschlossener als das in Schnitzlers Stück; wo Herr
Schwartze als Musikus Weiring auffiel, der einzige, der
etwas Wienerisches verbreitete — abgesehen von der im Munde
Dhd.
des Theodor=Spielers kohlenden k. k. Virginia.
gurfer Vürrhers
Feünklecher
25.0417
Theater und Musikz,
Kammerspiele.
G. Nürnberg, 25. Juni. „Liebese: —„Alt.
Heidelberg“, „Alt=Heidelberg“ — „Liebelei“, gar
groß ist der Unterschied am Ende nicht. Die süße
Mischung von Moll und Dur ist so ziemlich dieselbe
und die Wirkung auf das Publikum vollkommen die
gleiche. Ob Schnitzler seinen dramatisierten
Studentenroman in unbewußter Naivität oder mit
schlauer Berechnung auf den durchschnittlichen Ge¬
schmack der gleichermaßen wein= wie lachseligen
Theater=Stammgäste so reichlich mit Sentimentali¬
täten, Schlagrahm=Poesie und abgestandenen Fideli¬
täten bespickte, weiß ich nicht. Das aber weiß ich,
daß es gegenüber solchen Stücken Pflicht jedes Spiel¬
leiters und Schauspielers wäre, abzuschwächen und ab¬
zutönen, wo es nur immer geht. Also bitte, Herr
Sondinger, das Licht nicht gar so theatralisch=roman¬
tisch=symbolisch am Ende des ersten Aktes ausblasen!
Nicht gar so sehr die Augen rollen, nicht gar so viel
Schmelz in die Stimme usw. Auch der alte Weiring
kann ruhig etwas weniger gedrückt und zitterig ge¬
geben werden. Uebrigens stehen Herrn Korter solche
Rollen — seine Maske war recht geschickt — ungleich
besser als Lebemänner, Barone usw. Am besten ge¬
fielen mir — abgesehen von Herrn Sattler als Gast,
der die dankbare Figur des Theodor Kaiser recht nett
Frl. Steuermann als Christine, ob¬
herausbrachte —
gleich auch sie sich allzu schmachtend und elegisch gab,
und vie wirklich natürlich frische Mizi Schlager des
Frl. Heinlein, ein Schackerl, an das man glauben
konnte. Im übrigen fehlte es dem Zusammenspiel
im großen und ganzen an der gerade in Stücken wie
der „Liebelei“ dringend notwendigen Oelung.