II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 1320

Liebele
5. Merse box 12/7
Nr. 11960
Samstag
Wiener Allgemeine Zeitung
[Revuebühne „Femina“.] Die große Ausstattungsrevue geholt, hier leichter begrifflich. Man denke nur an
„Wenn Wien wieder walzt“ gelangt schon in der kommenden Woche
Lionardos Frauentypus, um diese höhere Gemeinsamkeit
zur fünfzigsten Auszührung. Sensationell wirkt allabendlich die
in der reichsten Vielart zu schauen. Oder an die Herrlich= des 9.
ebenso originelle als hochaparte Kriegsmodenschau, bei der die
keiten, aus welchen Klimt anbetend der Tausendfält.gkeit Kärn
neuesten Toiletten aus einem Meter Stoff vorgeführt werden. Den
der Weiblichkeit immer doch seines Ideals Gnadentum
lanzvollen Abschluß bilden die Revue „Das blaue Ballett“, bei dem
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verlieh. Das einfache Vorstadtmädel, Tochter eines
eine Reihe bekannier Tanzkünstlerinnen mitwirkt.
Musikanten aus der Josesstadt, bleibt irgendwie den Leid u
(Café Lurion.] Dieses populärste Konzert=Etablissment der
Mia P
Geschöpfen der Kompliziertheit und der Dämonie ver¬
Residenz erweitert durch das großzügige Konzertprogramm täg¬
Diva“:
wandt, denen Artur Schnitzler auf seinen späteren Wegen
lich den Kreis seiner Stammgäste. Sowohl bei den Nachmittags¬
(Kru¬
begegnete. Der Errater psychischer Seltsamkeiten, der
konzerten als auch — und dies im ganz besonderen Maße — bei
Sucher aller Gegensätze, der Bejaher aller Unerwartet¬
den täglichen Abenddoppelkonzerten sind die schönen Räume dieses
modernen Konzertcafés glänzend besucht.
heiten, aller Ueberraschungen, alles Unberechenbaren,
Possenbühne „Max und Moritz“.] 1. Bezirk, Annagasse 3.
dieser wagende Seelenabenteurer, der von den Schlicht= Lage,
Die gestrige 100. Au fubrung der Komödie „Der zuckersüße Oppen¬
heiten der „Liebelei“ raschen Fluges Abschied nahm, trägt Kunf
heim“ von Ad. Glinger und Otto Taussia setzt die ununterbrochene
die Empreinte (ein deutsches Wort gibt es nicht für demnä
Serie der ausverkauften Häuser fort. Eisenbach in seiner Glanz¬
„Gespe
diesen Wert) der herben Edelheit des füßen Geschöpfes hereits
leistung als Kommerzialrat Ovvenheim, Springer, Glinger. Breslauer
unlöschbar im Herzen seines Schaffens. Und er, der nun Titel
sowie die Damen Telmont und Walden wurden mit vielem Beifall
ausgezeichnet.
der Züchter dunkler, glittender, rätselhaft geformteri Liebes
(Wolf in Gersthe..] Zu den beliebtesten Zerstreuungen ge¬
Orchideen wird, verliert den Duft der zarten, wildenquist
hört jetzt umstreitig ein Abend beim Wolf in Versthof. Bei Wiener
Orchideenart des Wienerwaldes nie mehr aus den theater
Musik und Lied, einem guten Tropfen und ebensoguter Küche findet
Sinnen. Marie (im „Ruf des Lebens*) ist Cheistinens bereits
der Besucher allabendlich eine harmtos=gemütliche Zerstreuung.
erzähl
tragischere Schwester, sowie überhaupt dieses Schauspiels
[Lichtes Original=Malzbier] kommt unter anderem auch im
Filmh
in seinem Beginn die steile Linie des tragischen Volks¬
Restaurant Münchnerhof, 6. Bezirt, Mariahilferstraße 81,
Freud
stückes erklimmt. Anna, das still den Tod=suchende Bürger¬
zum Ausschank und stellt sich der Preis desselben nicht höher als
verbü:
mädchen, eine der Heldinnen aus „Medardus“ dem selt¬
die gangbaren ungarischen Ersatzbiere. In der Qualität vorzüglich
und in der Quantität unbeschränkt. Die Räumlichkeiten dieses
samsten Volksstück heroischer Art, sie ist Blut von Tage
Etablissements sind täglich trotz des großen Fassungsraumes
Christinens Blut. Und auch jene wundervoll reine, wie Schon
überfüllt und übt speziell der „Gelbe Saal“ in seiner vornehmen
mit Silberstift keusch gezeichnete Sabine ist es, die in Das
und traulichen Ausstattung eine große Anziehungskraft auf das
einer der letzten künstlerisch abgewogensten Novellen und e
vornehme Publikum.
Schnitzlers („Badearzt Gräsler“) wieder zum Kristall= getauf
mögli
gebilde der Edeleinfachheit wird.
Eindr
*
Theater, Kunst und Literakur.
Nur die alte, wundervolle Figur des Musikers, nur zinen
Wien, 2. März.
der Vater Weyring ist nicht wieder auferstanden im der k
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weiteren Leben dieser Gestalten bewegten Dichterwelt. Der grand
Burgtheater.
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herzensliebe Bejaher von Jugendrausch und Glück, dem verpft
Von Naimund zu Schnitzler. Daß das Burgtheater
die tiefe Weisheit geworden war, seiner Christine Gesel
innerhalb vierzehn Tagen diesen Weg zurückgelegt hat,
Frühlingstraum mit leisem Herzen zu bealeiten, er ist Tag“
mag dem äußeren Zufall angehören. Immerhin konnten
ebenso monumental im Allverstehen wie Hebbels Meister „Gese
kaum auf eindringlichere Weise Unterströmungen der
Anton in der düsteren Abwehr seines „Ich verstehe diese Spar
Tradition erwiesen werden Die (aus dem allegorischen
Welt nicht mehr“. Die naive Seele des alten Weyring wär
Beiwerk gelöste) Poesie des schlichten Menschentums, welche
flugbereit für viele andere Probleme, die der Dichter von
des Oesterreichers Raimund wundervolles Vermächtnis
ihr gefordert hätte, Weshalb klieb sie von ihm fernerhin
ist, schlägt nach 70 Jahren des Schlafes ihre tiefen Augen¬
unerlöst? Vielleicht weil ihr tiefes Volkstum im schöpferisch
wieder auf. Ein junger, noch wenig bekannter Dichter elementaren Sinn niemals lebendig wurde, ist sie auch
schreibt im Jahre 1894 das Schauspiel „Liebelei“. Da= dem späteren Schnitzler entglitten. Sie verlangte nach
begin
mals war das Raimund=Theater erbaut worden. Man einem Darsteller gleichen Blutes.
Mass
wollte unter diesem symbolisch gewordenen Namen dem
Nun ist Girardi gekommen und hat die tiefe Innig¬
erste:
erloschenen Volksstück einen neuen Boden bereiten. An=keit der österreichischen Volksgestalt zauberhaft erlöst. Seine ein.
gesagte Literaturprogramme aber versagen stets wie an=hohe Kunst, Kunst zu reiner Menschlichkeit zu erhöhen, unge
gesagte Revolutionen. Es gibt ebensowenig eine „Pflege zeigte sich in ihrer schlichten Größe. Nur gerade dieser1 50.00
des Volksstückes“ als es eine Pflege der Wald=, Wiesen= und frühlingsliebe Greis mit der kindlichen Seele konnte dieser besue
Bergflora, aller wildsüßen Blüten eines besonderen Land=Christine Vater sein. Der herrliche Celloton seiner Stimme, des:
striches geben kann. Weshalb wachsen auf den Abhängen die Melodie war; die wundervolle Schwingung seiner und
des Bisamberges Blumen, die dieses Stückchens Erde Rede, deren einzelnes Wort durchflutetes Erlebnis ist, die Gem
Kild
Alleinbesitz sind? (Wie in der Botanit zu lesen ist.) karge Zurückhaltung seiner erschütternden Trauer. Dies alles
Warum auf den Wiesen des Kalienleutgebener Hügellandes
heißt Vollendung. Frau Medelskys Christine ist geblieben##le
troß
eine Orchideenart, die nur in diesem Himmelsstrich der
was sie war. Mehr des Lobes ist nicht zu sagen. Lustig Herr
werk
Sonne innig Antwort gibts Gleiches Geheimnis natur¬
Lackner. Forciert lustig Fräulein Kutschera. Herr Gerasch
Veri
hafter Kräfte waltet um die Atmosphäre der geistigen
war nicht österreichisch. Sondern internationaler Liebhaber¬
zu 1
Zeugung völkischer Dichtungsart, die Menschen erblühen theater=Liebhaber. Frau Kalbek aber wußte um das
Kilo
läßt, wie sie an einem einzigen Plätzchen der weiten Welt Geheimnis der Atmosphäre, die der unverwelkliche Zauber
sind
einzig gedeihen. Einzigartige Menschen, und doch wieder
und
des österreichischen Volksstückes „Liebelei“ ist.
B. Z.

durch ihre ungetrübte Wesenhaftigkeit dem Allmenschentum
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zu tiefst verbunden. So sind Gestalten unserer echten
(Freivorstellung.) Als Schülervorstellung wurde im
steir
Volksdichter Wurzeltriebe dieser österreichischen Erde und
Burgtheater Lessings, vor wenigen Tagen neuinszenierte
Tire
sind doch noch anderes. Sind Sager und Sänger des Emilia Galotti“ aufgeführt. Die Neubesetzungen