Liebelei
9. Senennense
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zu
jen
che
ing
een
den
nge
en:
on,
gs-
ng,
un¬
hie,
ind
ke
box 12/7
Ugekrepe audierene
21.809 1912
Leitmeritzer Kreis
B
Leitn
*
Stadttheater Leneritz.
Liebelei“, Schauspiel in 3 Alten von Arthur
Schnitzler. — Der Autor ist uns kein Fremde: mehr.
nkMäkungsgang haben wir anläßlich der Auf¬
führung von „Professor Bernhardi“ eingehend betrach¬
tet. Den Namen vom „lieben, süßen Mädel“ ha.
Ernst von Wolzogen geprägt. Um die literarische
Verwertung dieses Frauentypus, der nur auf dem
Boden der ewig lachenden und ewig frivolen Phäaken¬
stadt Wien erblühen konnte, haben sich eine ganze Reihe
Wiener Autoren mit mehr oder minder Glück und
Geschick bemüht. Ihn in seiner ganzen lebensdurstigen
Bedenkenlosigkeit, köstlichen Süßigkeit, humorvok¬
len Natürlichkeit, weichen Sentimentalität und tra¬
gischen Tiefe zu erschöpfen, blieb Schnitzler vorbe¬
halten. Als Endglieder dieser Gefühlskette häßt
der Autor in seinem Schauspiel, die Duellfrage
streifend, zwei gegensätzliche Haupttypen des süßen
Mödels sich bis zu den äußersten Folgerungen ihrer
Veranlagung ausleben: die eine, Mizzi Schla¬
ger, deren gesunde, kräftige Natur den ersten An¬
hieb überstanden hat und die Männer kennt, lenkt
mit starkem Vernunftseinschlag ihre Liebelei — wie
manche frühere — auf das gewohnte Geleise mit
dem gewohnten Ende. Die sentimentale Liebeiei
der andere# Christine Weiring, wächst zu einer
tiefen Neigung aus und findet in Fritz Lobhei¬
mer hertliche, aber zu späte Gegenliebe: in dem
Augenblicke, wo Fritz den Wert seines Mädchens
erkeint, zwingt ihn ein betrogener Gatte, die ge¬
sellschaftlichen Konsequenzen einer innerlich über¬
wundenen Schuld im Zweikampfe zu ziehen. Lob¬
heimers Fall vernichtet auch Christinens Leben. —
Frl. Sarolta verlieh ihrer Christine anfangs zu
schwerblütige, zu grüblerische Züge. Sie verkennt
damit etwas die moralisierende Tendenz des Au¬
tors und verzeichet sich in der Charakterisierung
der trotz Schwärmerei und trotz frommen Selbst¬
betrug in den Szenen des 1. Aktes recht lebhaften
und recht glücklichen Christire. Auf der Seele ihrer
Christise liegl anfänglich zu viel Reif, zu grosse
Härte. Mehr an der Oberfläche schwimmende, we¬
niger herbe Sentimentalität ist hier notwendig. Das
Wesen der Liebelei muß breiter, augenfälliger er¬
poniert werden, das Hinübergleiten aus der vor¬
aussetzungslosen Liebelei, die sich zu nichts ver¬
pflichtet, zur tieseren, den Konflikt heraufführenden
Neigung muß scharf ins Auge fallen. In der Tra¬
gödie ihrer Liebe findet dann Frl. Sarolta rasch
altvertraute Wege dramotischer Kraft. Sie wächst,
von Szeue zu Seene in der Steigerung ihrer Leiden¬
schaft, ihres Schmertes, ihrer Verzweiflung zu pa¬
lt ckender Wirkung und beschließt ihre Rolle mit einem
vollen, von Blumenspenden begleiteten Erfolg. Die
Rolle der Mizzi Schlager ist mit Frl. Hütter vor¬
trefflich besetzt. Von der Operette kommend, bringt
sie alles mit, was den Gegensatz zu Christine ver¬
körpert: Frohsinn, Leichtsinn, quecksilbernes Tem¬
perament, reuelose Freude am Lebensgenuß,
Kenntnis und lachende Verachtung der Männer.
Sie ist ganz vom Schlage des Wiener Mädels, süß
und schwer, findet aber auch innige Laute der
Freundschaft. Dabei ist sie die einzige, die den
Wiener Dialekt beherrscht. Herr Reinhold bemüht
sich außerordentlich — und mit Erfolg, — von der
Deklamation abzukommen, sein Phatos klingt echter,
wärmer, innerlicher, überzeugender, das innere Er¬
lebnis beginnt sich wechselvoller in seinem Mienenspiel
zu spiegeln. Nur müßte sein Fritz anfangs weniger
leichtflüssiger
IcE9u
Faschingsgrundsatz „ich willa Hetz' hab'n“ entgeger¬
kamen. — Den Abend beschloß P. Czinners einaktige
Grotesle „Satans Maske“. — Man könnte diesen
verblüssenden, außer jeder Berechnung liegenden.
dabei tief erregenden Einakter als Varitesketch an¬
sprechen, wenn er nicht durch seine zwar mit schil¬
lernden Paradoren maskierten, aber außerordent¬
lichen Gedanken tiefer Lebensweisheit Anspruch auf
literarische Wertung hätte. Ein Theaterdirektor
schreibt keine widerspruchslose Macht über. Schau¬
spieler, Literaten und Mitmenschen der gewaltigen
Selbstdressur zu, mit der er nicht nur seine Rollen
darstellt, sondern sein ganzes persönliches Seelen¬
leben, seine Liebe, seinen Haß, seine Güte und seine
Energie, vor der Mitwelt mit beispielloser Vollen¬
dung und Natürlichkeit schauspielert. Sein Gefühl
ist sklavischer Untertan seiner satanisch herrschenden
Vernunst. Da findet er in einer Schauspielerin, die
ihr Engagement bei ihm anstrebt, seine Meisterin.
Selbst gewohnt, ihr tausendfaches Ich immer nur
zu spielen, nie zu zeigen, wo ihr Mensch aufhört und
die mit Herzen spielende Satanin beginn, ent¬
kleidet sie ihn seiner Maske. In dem fesselnden
Kampfe, der sich nun zwischen diesen glänzenden
Schauspielerindividualitäten entspinnt und in dem
bald ihre, bald seine Ueberlegenheit sich offenbart.
bleibt er schließlich Sieger. Und doch zweiselt letzten
Endes die Ueberzeugung des Zuschauers, wo in
beiden die Grenzen zwischen Mensch und Satan
liegen. Mehr sei für den Fall, daß die Direktion
diese merkwürdige Groteske wiederholen will, von
dem Inhalt nicht verraten. Denn alles kommt
auf die Ahnungslosigkeit des Zuschauers an. —
Wir sind an die glänzenden Darstellungen des
Herrn Meninger gewöhnt. Aber seine gestrige Ver¬
körperung des Theaterdirektors Maitrenjen ist ent¬
schieden seine prachtvollste Leistung in der ganzen
Saison. Dasselbe gilt von Frl. Sarolta als Luvia.
Es ist beispiellos, packend, unheimlich, wie diee
beiden Darsteller in ihren Rollen mit vollendeter,
restloser Erfüllung ihrer Künstlerschaft die Gren¬
zen zwischen eigenem Ich und Maske, zwischen Wahr¬
heit und Dichtung verwischen. Beide, Direktor We¬
ninger, völlig ungeschminkt, Frl. Sarolta überra¬
schend dezent, schön, fesselnd, ganz kalte Schlange.
erleben ihre Rolie als ein neues Ich ihrer vielge¬
staltigen Persönlichkeit so intuitiv, daß der Spieger
ihrer Seele auf dem Antlitz, am ganzen Körper
den Eindruck einer wundervoll erfaßten Rolle zu
einer entsetzlichen Menschenirogödie verdichtet. Herr
Reinhold, (Dr. Wimmerhölzel), Herr Gottschling
als Literat Stucken und Herr Wipplinger als Baron
Kleinmut — man beachte die charakteristischen Na¬
pabten sich vorteilhaft dem Nahmen der
men —
seltsamen Groteske an. Der stürmische Beifall wurde
für Herrn Direktor Weninger und Frl. Sarolta
zu einem begeisterten Manifest ihrer Peliebtheit.
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Stadttheater Leneritz.
Liebelei“, Schauspiel in 3 Alten von Arthur
Schnitzler. — Der Autor ist uns kein Fremde: mehr.
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führung von „Professor Bernhardi“ eingehend betrach¬
tet. Den Namen vom „lieben, süßen Mädel“ ha.
Ernst von Wolzogen geprägt. Um die literarische
Verwertung dieses Frauentypus, der nur auf dem
Boden der ewig lachenden und ewig frivolen Phäaken¬
stadt Wien erblühen konnte, haben sich eine ganze Reihe
Wiener Autoren mit mehr oder minder Glück und
Geschick bemüht. Ihn in seiner ganzen lebensdurstigen
Bedenkenlosigkeit, köstlichen Süßigkeit, humorvok¬
len Natürlichkeit, weichen Sentimentalität und tra¬
gischen Tiefe zu erschöpfen, blieb Schnitzler vorbe¬
halten. Als Endglieder dieser Gefühlskette häßt
der Autor in seinem Schauspiel, die Duellfrage
streifend, zwei gegensätzliche Haupttypen des süßen
Mödels sich bis zu den äußersten Folgerungen ihrer
Veranlagung ausleben: die eine, Mizzi Schla¬
ger, deren gesunde, kräftige Natur den ersten An¬
hieb überstanden hat und die Männer kennt, lenkt
mit starkem Vernunftseinschlag ihre Liebelei — wie
manche frühere — auf das gewohnte Geleise mit
dem gewohnten Ende. Die sentimentale Liebeiei
der andere# Christine Weiring, wächst zu einer
tiefen Neigung aus und findet in Fritz Lobhei¬
mer hertliche, aber zu späte Gegenliebe: in dem
Augenblicke, wo Fritz den Wert seines Mädchens
erkeint, zwingt ihn ein betrogener Gatte, die ge¬
sellschaftlichen Konsequenzen einer innerlich über¬
wundenen Schuld im Zweikampfe zu ziehen. Lob¬
heimers Fall vernichtet auch Christinens Leben. —
Frl. Sarolta verlieh ihrer Christine anfangs zu
schwerblütige, zu grüblerische Züge. Sie verkennt
damit etwas die moralisierende Tendenz des Au¬
tors und verzeichet sich in der Charakterisierung
der trotz Schwärmerei und trotz frommen Selbst¬
betrug in den Szenen des 1. Aktes recht lebhaften
und recht glücklichen Christire. Auf der Seele ihrer
Christise liegl anfänglich zu viel Reif, zu grosse
Härte. Mehr an der Oberfläche schwimmende, we¬
niger herbe Sentimentalität ist hier notwendig. Das
Wesen der Liebelei muß breiter, augenfälliger er¬
poniert werden, das Hinübergleiten aus der vor¬
aussetzungslosen Liebelei, die sich zu nichts ver¬
pflichtet, zur tieseren, den Konflikt heraufführenden
Neigung muß scharf ins Auge fallen. In der Tra¬
gödie ihrer Liebe findet dann Frl. Sarolta rasch
altvertraute Wege dramotischer Kraft. Sie wächst,
von Szeue zu Seene in der Steigerung ihrer Leiden¬
schaft, ihres Schmertes, ihrer Verzweiflung zu pa¬
lt ckender Wirkung und beschließt ihre Rolle mit einem
vollen, von Blumenspenden begleiteten Erfolg. Die
Rolle der Mizzi Schlager ist mit Frl. Hütter vor¬
trefflich besetzt. Von der Operette kommend, bringt
sie alles mit, was den Gegensatz zu Christine ver¬
körpert: Frohsinn, Leichtsinn, quecksilbernes Tem¬
perament, reuelose Freude am Lebensgenuß,
Kenntnis und lachende Verachtung der Männer.
Sie ist ganz vom Schlage des Wiener Mädels, süß
und schwer, findet aber auch innige Laute der
Freundschaft. Dabei ist sie die einzige, die den
Wiener Dialekt beherrscht. Herr Reinhold bemüht
sich außerordentlich — und mit Erfolg, — von der
Deklamation abzukommen, sein Phatos klingt echter,
wärmer, innerlicher, überzeugender, das innere Er¬
lebnis beginnt sich wechselvoller in seinem Mienenspiel
zu spiegeln. Nur müßte sein Fritz anfangs weniger
leichtflüssiger
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Faschingsgrundsatz „ich willa Hetz' hab'n“ entgeger¬
kamen. — Den Abend beschloß P. Czinners einaktige
Grotesle „Satans Maske“. — Man könnte diesen
verblüssenden, außer jeder Berechnung liegenden.
dabei tief erregenden Einakter als Varitesketch an¬
sprechen, wenn er nicht durch seine zwar mit schil¬
lernden Paradoren maskierten, aber außerordent¬
lichen Gedanken tiefer Lebensweisheit Anspruch auf
literarische Wertung hätte. Ein Theaterdirektor
schreibt keine widerspruchslose Macht über. Schau¬
spieler, Literaten und Mitmenschen der gewaltigen
Selbstdressur zu, mit der er nicht nur seine Rollen
darstellt, sondern sein ganzes persönliches Seelen¬
leben, seine Liebe, seinen Haß, seine Güte und seine
Energie, vor der Mitwelt mit beispielloser Vollen¬
dung und Natürlichkeit schauspielert. Sein Gefühl
ist sklavischer Untertan seiner satanisch herrschenden
Vernunst. Da findet er in einer Schauspielerin, die
ihr Engagement bei ihm anstrebt, seine Meisterin.
Selbst gewohnt, ihr tausendfaches Ich immer nur
zu spielen, nie zu zeigen, wo ihr Mensch aufhört und
die mit Herzen spielende Satanin beginn, ent¬
kleidet sie ihn seiner Maske. In dem fesselnden
Kampfe, der sich nun zwischen diesen glänzenden
Schauspielerindividualitäten entspinnt und in dem
bald ihre, bald seine Ueberlegenheit sich offenbart.
bleibt er schließlich Sieger. Und doch zweiselt letzten
Endes die Ueberzeugung des Zuschauers, wo in
beiden die Grenzen zwischen Mensch und Satan
liegen. Mehr sei für den Fall, daß die Direktion
diese merkwürdige Groteske wiederholen will, von
dem Inhalt nicht verraten. Denn alles kommt
auf die Ahnungslosigkeit des Zuschauers an. —
Wir sind an die glänzenden Darstellungen des
Herrn Meninger gewöhnt. Aber seine gestrige Ver¬
körperung des Theaterdirektors Maitrenjen ist ent¬
schieden seine prachtvollste Leistung in der ganzen
Saison. Dasselbe gilt von Frl. Sarolta als Luvia.
Es ist beispiellos, packend, unheimlich, wie diee
beiden Darsteller in ihren Rollen mit vollendeter,
restloser Erfüllung ihrer Künstlerschaft die Gren¬
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heit und Dichtung verwischen. Beide, Direktor We¬
ninger, völlig ungeschminkt, Frl. Sarolta überra¬
schend dezent, schön, fesselnd, ganz kalte Schlange.
erleben ihre Rolie als ein neues Ich ihrer vielge¬
staltigen Persönlichkeit so intuitiv, daß der Spieger
ihrer Seele auf dem Antlitz, am ganzen Körper
den Eindruck einer wundervoll erfaßten Rolle zu
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Reinhold, (Dr. Wimmerhölzel), Herr Gottschling
als Literat Stucken und Herr Wipplinger als Baron
Kleinmut — man beachte die charakteristischen Na¬
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seltsamen Groteske an. Der stürmische Beifall wurde
für Herrn Direktor Weninger und Frl. Sarolta
zu einem begeisterten Manifest ihrer Peliebtheit.
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