Liebele
5. S
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streisend, zwei gegensätzliche Haupttysen des süßen
Mödels sich bis zu den äußersten Folgerungen ihrer
Veranlagung ausleben: die eine, Mizzi Schla¬
ger, deren gesunde, krästige Natur den ersten An¬
hieb überstanden hat und die Männer kennt, lenkt
mit starkem Vernunftseinschlag ihre Liebelei — wie
manche frühere — auf das gewohnte Geleise mit
dem gewohnten Ende. Die sentimentale Liebelei
der anderei Christine Weiring, wächst zu einer
tiefen Neigung aus und findet in Fritz Lobhei¬¬
mer hertliche, aber zu späte Gegenliebe: in dem
Augenblicke, wo Fritz den Wert seines Mädchens
erkeint, zwingt ihn ein betrogener Gatte, die ge¬
sellschaftlichen Konsequenzen einer innerlich über¬
wunde en Schuld im Zweikampfe zu ziehen. Lob¬
heimers Fall vernichtet auch Christinens Leben. —
Frl. Sorolta verlieh ihrer Christine anfangs zu
schwerblütige, zu grüblerische Züge. Sie verkennt
damit etwas die moralisierende Tendenz des Au¬
tors und verzeichtet sich in der Charalterisierung
der trotz Schwärmerei und trotz frommen Selbst¬
betrug in dei Stenen des 1. Akles recht lebhaften
und recht glücklichen Christine. Auf der Seele ihrer
Christine liegt anfänglich zu viel Reiß, zu große
Härte. Mehr an der Oberfläche schwimmende, we¬
niger herbe Sentimentalität ist hier notwendig. Das
Wesen der Liebelei muß breiter, augenfälliger er¬
poniert werden, das Hinübergleiten aus der vor¬
aussetzungslosen Liebelei, die sich zu nichts ver¬
pflichtet, zur tieseren, den Konflikt heraufführenden
Neigung muß scharf ins Auge fallen. In der Tra¬
gödie ihrer Liebe findet dann Frl. Sarolta rasch
altvertraute Wege dramotischer Kraft. Sie wächst
von Szene zu S#ene in der Steigerung ihrer Leiden¬
schaft, ihres Schmeres, ihrer Verzweiflung zu pa¬
ckender Wirkung und beschließt ihre Rolle mit einem
vollen, von Blunenspenden begleiteten Erfolg. Die
Rolle der Mizzi Schlager ist mit Frl. Hütter vor¬
trefflich besetzt. Von der Operette kommend, bringt
sie alles mit, was den Gegensatz zu Christine ver¬
körpert: Frohsing, Leichtsinn, quecksilbernes Tem¬
perament, reuelose Freude am Lebensgenuß,
Kenntnis und lachende Verachtung der Männer.
Sie ist# anz vom Schlage des Wiener Mädels, süß
und scwer, findet aber auch innige Laute der
Freundschaft. Dabei ist sie die einzige, die den
Wiener Dialekt beherrscht. Herr Reinhold bemüht
sich außerordentlich — und mit Erfolg, — von der
Deklamation abzukommen, sein Phatos klingt echter,
wärmer, inverlicher, überzeugender, das innere Er¬
lebnis beginnt sich wechselooller in seinem Mienenspiel
zu spiegeln. Nur müßte sein Fritz anfangs weniger
ehrbar und steif, etwas frivoler und leichtflüssiger
stigiert sein und später die Prädestination des To¬
des sich ausdrucksvoller, schwerer auf Haltung und
Miere lgen. Herr „Janko vertritt mit ge¬
schmeidiger Eleganz und vornehmer Lässigkeit die
Wiener jeneusse doree von 1890. Bemerlenswert
ist seine feinerfaßte Kredenzzene. Herr Renner
als Hans Weiring ist ein erquickender, alter Musi¬
kant und übereugender Polemiker der Lebensfreude,
Herr Wipplinger in der eisigen Kälte und Nachsucht
des betrogenen Gatten äußerst wirksam. Die bis¬
sige Klatschsucht der Frau Binder bringt Frau Ren¬
ner gut zur Geltung. — Unser fleißiges Ensemble
fand reichen Beifall. Hingegen sei auf die störende
Unruhe eines Teiles des Publikums hingewiesen,
das am liebsten auf die Stellen reagierte, die seinem
Faschingsgrundsatz „ich will a Hetz'hab'n“ entgeger¬
kamen.—
72—
Imtrte 3g hr: A7w. L.|P. 1010.
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streisend, zwei gegensätzliche Haupttysen des süßen
Mödels sich bis zu den äußersten Folgerungen ihrer
Veranlagung ausleben: die eine, Mizzi Schla¬
ger, deren gesunde, krästige Natur den ersten An¬
hieb überstanden hat und die Männer kennt, lenkt
mit starkem Vernunftseinschlag ihre Liebelei — wie
manche frühere — auf das gewohnte Geleise mit
dem gewohnten Ende. Die sentimentale Liebelei
der anderei Christine Weiring, wächst zu einer
tiefen Neigung aus und findet in Fritz Lobhei¬¬
mer hertliche, aber zu späte Gegenliebe: in dem
Augenblicke, wo Fritz den Wert seines Mädchens
erkeint, zwingt ihn ein betrogener Gatte, die ge¬
sellschaftlichen Konsequenzen einer innerlich über¬
wunde en Schuld im Zweikampfe zu ziehen. Lob¬
heimers Fall vernichtet auch Christinens Leben. —
Frl. Sorolta verlieh ihrer Christine anfangs zu
schwerblütige, zu grüblerische Züge. Sie verkennt
damit etwas die moralisierende Tendenz des Au¬
tors und verzeichtet sich in der Charalterisierung
der trotz Schwärmerei und trotz frommen Selbst¬
betrug in dei Stenen des 1. Akles recht lebhaften
und recht glücklichen Christine. Auf der Seele ihrer
Christine liegt anfänglich zu viel Reiß, zu große
Härte. Mehr an der Oberfläche schwimmende, we¬
niger herbe Sentimentalität ist hier notwendig. Das
Wesen der Liebelei muß breiter, augenfälliger er¬
poniert werden, das Hinübergleiten aus der vor¬
aussetzungslosen Liebelei, die sich zu nichts ver¬
pflichtet, zur tieseren, den Konflikt heraufführenden
Neigung muß scharf ins Auge fallen. In der Tra¬
gödie ihrer Liebe findet dann Frl. Sarolta rasch
altvertraute Wege dramotischer Kraft. Sie wächst
von Szene zu S#ene in der Steigerung ihrer Leiden¬
schaft, ihres Schmeres, ihrer Verzweiflung zu pa¬
ckender Wirkung und beschließt ihre Rolle mit einem
vollen, von Blunenspenden begleiteten Erfolg. Die
Rolle der Mizzi Schlager ist mit Frl. Hütter vor¬
trefflich besetzt. Von der Operette kommend, bringt
sie alles mit, was den Gegensatz zu Christine ver¬
körpert: Frohsing, Leichtsinn, quecksilbernes Tem¬
perament, reuelose Freude am Lebensgenuß,
Kenntnis und lachende Verachtung der Männer.
Sie ist# anz vom Schlage des Wiener Mädels, süß
und scwer, findet aber auch innige Laute der
Freundschaft. Dabei ist sie die einzige, die den
Wiener Dialekt beherrscht. Herr Reinhold bemüht
sich außerordentlich — und mit Erfolg, — von der
Deklamation abzukommen, sein Phatos klingt echter,
wärmer, inverlicher, überzeugender, das innere Er¬
lebnis beginnt sich wechselooller in seinem Mienenspiel
zu spiegeln. Nur müßte sein Fritz anfangs weniger
ehrbar und steif, etwas frivoler und leichtflüssiger
stigiert sein und später die Prädestination des To¬
des sich ausdrucksvoller, schwerer auf Haltung und
Miere lgen. Herr „Janko vertritt mit ge¬
schmeidiger Eleganz und vornehmer Lässigkeit die
Wiener jeneusse doree von 1890. Bemerlenswert
ist seine feinerfaßte Kredenzzene. Herr Renner
als Hans Weiring ist ein erquickender, alter Musi¬
kant und übereugender Polemiker der Lebensfreude,
Herr Wipplinger in der eisigen Kälte und Nachsucht
des betrogenen Gatten äußerst wirksam. Die bis¬
sige Klatschsucht der Frau Binder bringt Frau Ren¬
ner gut zur Geltung. — Unser fleißiges Ensemble
fand reichen Beifall. Hingegen sei auf die störende
Unruhe eines Teiles des Publikums hingewiesen,
das am liebsten auf die Stellen reagierte, die seinem
Faschingsgrundsatz „ich will a Hetz'hab'n“ entgeger¬
kamen.—
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Imtrte 3g hr: A7w. L.|P. 1010.