II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 1348

ebelei
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5. L.
Wien, 1.
#meritzer Zeitung
Stadttbeater.
„Liebelei.“ Schauspiel in drei Akten von Artur
itzler. Auf Schnitzler, den Kämpfer, den Verfechter
folgte der Schilderer der Wiener Lebe¬
welt und Schösser der „süßen Mädels“, das es mit der
Liebe zu den gesellschaftlich und geistig über ihr stehenden
Manne so bitter ernst nimmt, daß es daran zugrunde
gehe, während er, der nur mit dem Mädchen gespielt
und ihre tiefe Neigung nur leise geahnt hat, das Opfer
seiner Leidenschaft für eine Dame der Gesellschaft wird,
deren Mann ihn im Duell tötet. Hier erst hat das
„süße Mädel“ seine Weihe erhalten, das arme, hübsche
Mädchen, dem nichts winkt, als vielleicht das darbende,
arbeitsreiche Leben an der Seite eines Strumpswirkers
und das nur einmal das wahre Glück, das Glück der
Liebe auskosten möchte, unbekümmert darum, daß es doch
zu nichts führen kann und daß es bald zu Ende sein
muß. Nicht das traurige Ende des geliebten Maunes
nicht das Zerrinnen ihres Glückstraumes treibt sie ind der
Tod, sondern die Erkeuntnis, daß sie all ihre Liebe ar
einen Unwürdigen verschwendet hat und daß für sie, die
keinen Man# mehr lieben kann und kein Glück mehr zu
erhoffen hat, die Erinnerung, von der sie Zeit ihres
Lebens zehren wollte, nur Qual und Bitterkeit übrig hat.
Frl. Sorolta, die diese Gestalt verkörpern sollte, war
im ersten Akte viel zu melancholisch und erst im zweiten
und britten Akte, in der Stunde des schmerzvollen Ab¬
schiedes und des bittern Schmerzes hat sie sich wieder
gefunden. Als Vertreterin des heiteren Typus des
süzzen Mädels war Frl. Hütter, der die Kenntnis des
Wiener Dialektes gute Dienste geleistet hat, von einer
entzückenden Frische und Natürlichkeit. Herr Reinhold
mas als Fritz Lobheimer besser als gewöhnlich, wenn ihm
uuch die Verkörperung der bangen Todesahnung nicht
restlos gelungen ist. Herr v. Janko (Theodor Kaiser),
hat durch seins übermütige Laune im ersten, wie durch
sein gemessenes Wesen im dritten Akt den Absichten des
Dichters voll entsprochen. Trifflich war Herr Wipp
linger in der Rolle des betrogenen, nach Rache dür¬
penden Gatten. Herr Renner, als guter, alles ver¬
stehender und alles verzeihender Musikus und Frau
Reäner, als Vertreierin der kleinbürgerlichen Gesinnung,
vervollständigten die Reihe der Darsteller. Der Beifall
war reich und läßt erhoffen, daß wir nach hiesem spät
erfolgten Anfang noch mehr dieser Art zu sehen bekommen.
Hierauf folgte „Satans Maskn.“ Groteske in
einem Akte von Paul Czinner. Da es hiebei vor allem
auf Ueherraschung ankommt, wollen wir von dem Juhalt
des Stückes nichts verraten. Ein jeder komme und sehe,
er
wird nicht enttäuscht sein. Denn Herr Direktor
Weninger hat allen seinen Leistungen hier die Krone
aufgesetzt. Die Darstellung des Wahnsinns machte einen
so gewaltigen Eindruck auf das Publikum, daß sich der
Beifall am Schlusse zu einer förmlichen Ovation für den
Leiter unserer Bühne gestaltete. Auch Frl. Garolta
kann ihre dämonisch wirkende Schauspielerin zu ihren
besten Leistungen zählen.
Dr. A. H.
1— ME
Pustter Tagblatt
Theater und Konzerte.
Zeutsches Theater. Das Schauspiel „Liebelei“
Fier kuhne Griff Schnitzlers in das leichte Wiener
Lichesloben, verei Bönerstag die besten
Krafte unseres Schauspielensembles auf der Bühne¬
Die beiden cherzigen Wiener Madeln wurden von
Frl. Richter und Frl. K# an bestens darge¬
stellt. Die Christine der ersteren war zwar von einer
gewissen norddeutschen Kühle umslossen, durch welche
aber schöne Empfindung hervorbrach. Schade, daß sie
in der letzten Szene des dritten Aktes von einem
monotonen Lamentierton nicht loskam, während doch
neben dem Schmerz um den geliebten Mann, die Bit¬
terkeit, daß er sie nur als Spielzeug für den Augen¬
blick, als „Liebelei“ benutzt chatte, mit aller Macht
nach Ausdruck verlangte. Die Worte: „Auch von
mir“, bilden eine so furchtbare Anklage aller armen
Mädchen, die ihre Jugend freudlos verbringen, gegen
die ganze menschliche Gesellschaft, daß hier ein Durch¬
brechen des Temperaments nur zu berechtigt gewesen
ware. Im übrigen führte Fri. Richter ihre
Aufgabe mit voller Hingebung und schönen Intentio¬
nen durch und erntete für ihre schöne Leistung wieder¬
helten Beifall. Die Mizzi Schlager des Frautein
Kronau war dagegen an „Weaner Madl“ wie es
leibi und lebt. Sie planschte so übermütig, ausge¬
lassen, herzensgut und — dumm, daß man dem
lieben Kinde für all dessen Leichtsinn nicht bose sein
konnte. Bis zum Schluß; hier versagte auch sie.
Siumm zuzuhören, hochstens einige gleichgültige
Worte dazwischen stammeln, und doch die ganze
niederschmetternde Tragit,
ja den stillen Vorwurf
und die selbstanktagerische Reue zum Ausdruck
bringen, ist allerdings eine Leistung, die schon volle
Künstlerschaft erfordert. Das helle Lachen und lebens¬
lustige Tollen in den ersten zwei Akten entschädigten
nus für diesen letzten kleinen Mangel und wurden
vom Publikum mit lechaftem Beifall und einer Blu¬
menspende belohnt. Hyacinthen, wie uns deucht; für
iese Mizzi wäre vielleicht, statt dieser Kulturblume,
eine wilde Rose passender gewesen, eine wilde Rose
ohne Okulierungen, ohne Gartenzucht, ohne Geruch,
aber taufrisch und — stachlig. Die beiden jungen
Männer fanden in den Herren Nestor (Fritz Lob¬
heimer) und Braun (Theodor Kaiser) sehr gute
Vertreter; insbesondere Herr Braun wußte das
Schnitzler'sche Milen trefflich hervorzukahren. Doch
gilt das, was wir hinsichtlich der letzten Szene Frl.
Kronau gesagt haben, auch ihm. Als dritter im Bunde
gesellte sich zu ihnen Herr Schleger, der den alten
Labensphilosophen im Dachstübchen, Hans Weiring,
mit schönem Gefühle spielte. In der schwierigen
Episodenrolle des fremden Herrn zeigte Herr Feld¬
mar mühsame Beherrschung in aufgeregten Augen¬
blicken, was sehr vorteithaft für die Handlung wirkte.
Frl. Blechner wollte trotz gutgemeinter Bemühun¬
gen die Wiener Strumpfwirkersfrau nicht recht gelin¬
gen. Das Werk Schnitzlers, mit seinen Abweichungen
von der üblichen Theaterschalone, fand eine gelun¬
gene Darstellung auf unserem Theater und ließ auch
Zuhörerraume einen nachhaltigen Eindruck zurück.