II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 1349

Liebele
5.1 box 12/7
·OARZ 1870
7A.
Warh
Schaubühne und Kun
Stadttheater. S „Liebee¬
Flei“. Gastspiel Anny Schrötter und Hans
Kainz.
Für Schnitzlers zierliche Klein¬
dramatik ist die intime Wirkung einer klei¬
neren Bühne nur von Vorteil. Wenn dann
auch wirklich gut gespielt wird, wie das bei
uns der Fall war, dann erzielt dieses leben¬
dige Gegenwartsdrama volle Wirkung. Die
beiden Gäste, Fräulein Schrötter und
Herr Kainz, als Hauptrollenträger, wußten
durch richtiges Erfassen des psychologisch
Markanten, das der Dichter lieber skizzenhaft
andeutet statt breitspurig auszumalen, ihr
Darstellen zu wirklichem Erlebnis zu ge¬
stalten. Die wichtigste Aufgabe des darstellen¬
„den Künstlers, sich in eine Rolle ganz einzu¬
leben, haben beide voll erfüllt. Mit feinem,
unausdringlichem Gebärdenspiel hat Herr
Kainz den Seelenkampf, der „Lobheimers“
Lebensschicksal ist, zum Ausdruck gebracht.
Fräulein Schrötter bot einen Höhepunkt
schauspielerischer Kunst in der letzten Szene,
in der „Christine“ unter der Wucht der
Doppelenttäuschung zusammenbricht. Schlicht
und Harum wirkungsvoll wußte Herr Redl
den alten Musiker zu gestalten. Auch die
„Frau Binder“ des Fräuleins Markowitz¬
war eine lebensechte Figur, die den scharfen
Gegensatz zwischen der Ideenwelt eines nüch¬
ternen Alltagsmenschen und der Traumwelt
Christinens prächtig hervorgehoben hat. Die
tlebenslustige und leichtlebige „Mizzi“ fand
in Fräulein Delys eine ausgezeichnete
Vertreterin. Auch Herr Kroll als „Theo¬
dor“ verdient Lob; nur neigte er — was ja
auf den Operettensänger zurückzuführen ist
— dazu, die heitere Note dieser Figur allzu¬
sehr zu betonen. Endlich sei auch noch Herr
Preiß genannt, der den Auftritt der beiden
Duellgegner zu einer packenden Szene zu
gestalten wußte und auch als Spielleiter.
volles Lob verdient.
Stadttheater. Heute und morgen abends
„Ein Herbstmanöver“. Sonntag nachmittags
„Der Vogelhändler“. Montag und Dienstag
„Die ideale Gattin“, Operette von Franz
Lehar. Die Erstaufführung des Werkes finder
als Ehrenabend der beliebten Opexetten¬
jängerin Else Trauth statt.
halb irrsinnigem Leugnen die einzige Ret¬
tung sah und dann zum Schluß auch die
Ermordung ihres Kindes gestand, das war
eine Meisterleistung, die mit Worten nicht
zu erschöpfen ist und von der man bloß
sagen kann: man wurde mit fortgerissen,
gepackt und tief gerührt.
Ihre Gegenspieler waren Herr Mühlberg
als Leutnant Flamm, der auch als Regis¬
seur zeichnete (aber scheinbar auch nur
zeichnete) und Herr Hölzlin als August
Keil. — In den paar Worten zeigte sich
der unüberbrückbare Abstand der beiden:
Rose: „Am liebsten flög ich ja in alle
Welt“ und Flamms Antwort: „Ich mit.
ich mit!“ Wie lächerlich der Ausruf bei
Herrn Mühlberg doch klang und wie wun¬
derbar bei Fräulein Rosar. — Und wer
übermimmt es, Bewegung, Temperament
und Auffassung in Herrn Hölzlin zu brin¬
gen? Er schien geradezu bockbeinig,
trotzig, so steif war er. Auch den Dialekt
hätte er etwas besser studieren können.
In der Schlußszene des Stückes, in der
sich die Meisterschaft Fräulein Rosars auf
vollster Höhe zeigte, war es Herrn Hölz¬
lins geradezu sonderbares Spiel, das uns
in Erinnerung brachte, daß auch Fräulein
Rosar „nur“ Theater spielte. Anderseits
wieder ermöglicht er eine klarere Kritik
über ihre lebendige Kunst. Deshalb ist
man auch ihm Dank schuldig. Herr Reigt
hardt als Streckmann war unmöglich.
Hans Gerbard Sc hol.
Der Liebestrank.
Schwank von Frank Wedekind. Neu¬
inszenierung in Prag.
Ale Einziges an diesem Abend
Wenn dieses Stück nur ein kleit, wenig
Wedekind, nur ein Miniatur-Hohelied auf
Praxis und Vernunft, unbeeinflußt von
fremder Persönlichkeit („wie hieß doch
der Dichter gleich?“... „Goethe!“), Wis¬
sen und Bildung, wenn dieser Schwiger¬
ling, egozentrisch in eigener Philosophie,
Schüler und Meister der Welt wie sie ist
und nicht wie sie sein könnte, ist, so muß
er wohl seinen Weg kennen. Und wenn er
ihm klar ist, müßte er es doch auch uns
sein. Da er in Rußland seine Frau trifft,
die, von ihm unerkannt, höchst lächerlich
über die Bühne schaukelt, er dann aber,
sie an ihrem Zeichen am Arm erkennend,
innigst küßt, doch später aber ihre Mit¬
reise fürchtet ... wwo waren Regie und
Darstellung, uns das Komödienspiel an
dieser oder jener Stelle erkengen zu
lassen. Man müßte ihn ja sonst für einen
Idioten halten, der er doch wohl nicht ist.
Also ist das Wackeln des Hinterdecks der
Frau, die er einstens liebte, ein Unsinn,
denn sonst müßte er ja brechen und nicht
sie küssen oder es ist Trugspiel seiner
Person. Herr Hüttig klapperte zwar
fleißig mit den Sporen, Frau Pitschau
wülzte sich zwar recht zackig nach vorn,
ammerte und sprach pathetisch, aber das
f genügt doch nicht. — Herr Wurmser
spielte den russischen Fürsten mit dem
Gesicht eines bayerischen Bauern und
böhmelnder Sprache, was wahrscheinlich
an die Gegend erinnern sollte. — Aber
es ist zwecklos, über diese Aufführung
übenhlaupt etwas zu sagen, in der einzig
und allein Fräulein Mittler etwas Tem¬
perament und angedeutete Begeisterung
aus dem Munde — wenn es schon nicht
aus dem Herzen kam — brachte. — Schade
bei diesem Resultat# Mühe des
Regisseurs, vielleicht da war, wenn
man sie-auch nicht zu spüren bekam.
Hans Gerhard Scholz.
C
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Schauspiel von Arthur Schnitzler*)
Gastspiel Annie
Dieses süß-traurige Stück, in dem eine
brave, hübsche Musikerstochter die Liebe
eines jungen, —hatürlich reichen. Mannes