Liebelei
5. Le box 12/7
Klose & Seidel
Bureau für Zeitungsausschnitte
Berlin NO. 43, Georgenkirchplatz 21
Zeitung:
Ort:
Datum: —
Die Oper „Liebelei“.
NachtArtur Schnitzler von Franz Neumann.
(Volksbühne.)
Ein Werk aus dem Gregorianischen Zeitalter
der Komischen Oper. Zehn Jahre zurückliegend.
Von Laien und Fachleuten halb oder ganz ver¬
gessen. Wie vieles vergessen wurde, was Hans
Gregor auf die Bretter stellte, die für ihn die
Opernwelt bedeutete.
Maximilian Morris, der schon damals die Regie
führte, hat gestern so manches korrigieren können.
Und — es gelang vortrefflich. Ein Quartett von
vier deutschen Sängern, von dem man jedes Wort,
jede Silbe verstank, als sei es plastisches Drama,
sang und spielte iese Konversationsoper und hob,
unterstützt vonmn glänzend disponierten und
vom Kapellmeister Gottlieb meisterhaft ge¬
leiteten Blüthnerorchester, die Gesamtaufführung
weit, weit über den in heutiger Zeit so beliebten
Grad der Sommeroper=Temperaturen. In der
Niese=Rolle der die „Liebelei“ so wahnsinnig ernst
nehmenden Mufikustochter Christine: Mar¬
garete Schleemüller, dieses Mädchen
für alles der Neftschen Oper, wundervoll bei
Stimme, wenn auch selbst der Niese an Mollig¬
keit noch über. Neben ihr im respektvollen Ab¬
stand die Mizzi, die leichtere, sehr reizvoll:
riedel Schwarz. Unübertrefflich aber die
Männer, der Fritz des Hans Heinz Boll¬
mann und Desider Zador als Freund
Theodor. Auch Helmuth Bernsen als alten Miller
will sagen, Musikus Weiering, konnte man sich
gefallen lassen.
Und nun hatte dies Werk, auf das man ein
Dezennium lang verzichten konnte, auf einmal
Leben erhalten. Ja, war es denn wirklich die
Darstellung allein? Nein, die Musik hat Quali¬
täten, an denen wir vielleicht allzu achtlos vor¬
übergingen. Ein Experiment? Der Komponist
bindet sich freiwillig ganze Zentner ans Bein, in¬
dem er lange Sätze nüchterner Prosa in Musik
umzusetzen sucht. Das hat Puccini auch schon ge¬
tan. Man könnte diese „Liebelei“ die deutsche
„Bohème nennen. Zwischendurch aber läßt der
Italioner Nerse singen. Darauf verzichtet Neu¬
——
Klavier). Trotzdem blüht seine Tonsprache, als
sei sie mit frischen Waldrosen durchwebt, Hin¬
geworfene Phrasen klingen wie von leichten Vers¬
füßen getragen. Geschlossene Sätze bauen sich
auf, als hätten sie dichterische Unterlage. Melo¬
disch, durchaus sanglich die Singstimme, ganz
selbständig geführt. Der sinfonische Charakter
des Orchesterparts dominiert nicht, die Instru¬
mente schreiten nicht daneben, untermalen
ist eine hochachtbare Technik,
nur.
die auch niemals über sich selber hin¬
ausstrebt, gefällig bleibt und oft auch der
Innerlichkeit nicht entbehrt. Ihre Sentimentalität
liegt im Stoffe (im Schauspiel mildert sie der
„Weaner“ Dialekt), ihre Heiterkeit schöpft sie aus
der schönen blauen Donau. Und Puccini (er
wohnt ja gar nicht so fern) schaut gnädig zu und
spendet dem Ganzen seinen Segen.
So ward diese musikalische Liebelei ein wirklich
liebenswertes Stück musikalischer Arbeit. Wenn
ich an der liebevollen Regiearbeit des Maximi¬
lian Morris etwas auszusetzen habe, so ist
die stumme Duellszene zu Beginn des letzten
Aktes. Als Visionshätte sie ihre Berechtigung, ist
aber überflüssig, weil das Zwischenspiel (zwar der
schwächste Teil der Partitur) den tragischen Aus¬
gang des Duells zur Genüge unterstreicht. So
werden wir die triefenden Tränen nicht los. Chri¬
stinens sentimentales Schicksal besiegelt die Musik,
die in der letzten Szene ihren Höhepunkt erreicht.
Damit sollte es sein Bewenden haben. Auch der
Kessel, aus dem das Publikum Ergriffenheit
schöpft, (und es schöpfte weidlich), will nicht über¬
hitzt sein.
L. R-r.
Klose & Seidel
Bureau für Zeitungsausschnitte
Berlin HO. 43, Georgenkirchplatz 21
Zeitung: Berl. Zeitung am Mittag
5 AlG Serlin
Ort:
Datum:meeetstiensansensetensantummnsnenneaerae
# „Liebelei“ als Oper.
Dés Experiment, Schnitzlers Liebelei als
Operstkext zu vertonen, liegt schön eine Reihe von
Jahren zurück und wurde von dem Frankfurter
Kapellmeister Franz Neumann unternommen,
als die veristische Welle in der Musik durch die
Welt ging. Damals, als man es in der Komi¬
schen Oper hörte, kam man fast zu einer Ableh¬
aung des Werkes, das nun, älter geworden, in
einer außerordentlich gelungenen Aufführung
unter der Sommerdirektion von Heinrich Reft
in der Volksbühne eine ganze Reihe von
Vorzügen enthüllt. Ohne Puceini und Leon¬
—
cavallo — das ist wahr! — wäre diese Musik
nicht denkbar, und sie behängt Alltäglichkeiten
des Dialogs mit hochdramatischen Akzenten, aber
sie hat andererseits Farbe und Schwung, und
besonders wenn sie heitere und volkstümliche
Töne anschlägt, sind Rhythmus und Melodik an¬
mutig und beinahe wienerisch.
Die Sänger hatten sämtlich Freude an ihren
Aufgaben, befleißigten sich einer hervorragend
deutlichen Aussprache (was bei dieser Dialogoper
besonders wichtig ist) und sangen und speelten so,
daß jeder an seinem Platz uneingeschränkte An¬
erkennung verdient. Dieses Lob gilt vor allem
Margarete Schlemüller, die bis auf das
körperlich etwas zu große Format für das „süße
Mädel“ als Sängerin und Darstellerin Muster¬
gültiges bot. Hans Heinz Bollmann als
Fritz, Desider Zädor als Theodoe, Friedel
Schwarz als Mizzi vervollständigten das
Quartett der Liebespaare aufs beste, das nur
leider, der Besonderheit der Oper wegen. nicht
recht zum Quartettsingen kam. Auch Helmuth
Berndsen, der Christigens liebenswürdigen
verständnisvollen Vat als echte Schnitzlergestalt
gab, Ida Holms als die opernhifte Klatschbase
Frau Binder und Hermann Kant mit den
tragischen Schicksalstönen des betrogenen Ehe¬
manns stellten sich eifrig in den Dienst des
Ganzen, dem Eugen Gottlieb, der musikalische
Leiter, Zusammenhalt und Fluß gab. E. M.
Se
5. Le box 12/7
Klose & Seidel
Bureau für Zeitungsausschnitte
Berlin NO. 43, Georgenkirchplatz 21
Zeitung:
Ort:
Datum: —
Die Oper „Liebelei“.
NachtArtur Schnitzler von Franz Neumann.
(Volksbühne.)
Ein Werk aus dem Gregorianischen Zeitalter
der Komischen Oper. Zehn Jahre zurückliegend.
Von Laien und Fachleuten halb oder ganz ver¬
gessen. Wie vieles vergessen wurde, was Hans
Gregor auf die Bretter stellte, die für ihn die
Opernwelt bedeutete.
Maximilian Morris, der schon damals die Regie
führte, hat gestern so manches korrigieren können.
Und — es gelang vortrefflich. Ein Quartett von
vier deutschen Sängern, von dem man jedes Wort,
jede Silbe verstank, als sei es plastisches Drama,
sang und spielte iese Konversationsoper und hob,
unterstützt vonmn glänzend disponierten und
vom Kapellmeister Gottlieb meisterhaft ge¬
leiteten Blüthnerorchester, die Gesamtaufführung
weit, weit über den in heutiger Zeit so beliebten
Grad der Sommeroper=Temperaturen. In der
Niese=Rolle der die „Liebelei“ so wahnsinnig ernst
nehmenden Mufikustochter Christine: Mar¬
garete Schleemüller, dieses Mädchen
für alles der Neftschen Oper, wundervoll bei
Stimme, wenn auch selbst der Niese an Mollig¬
keit noch über. Neben ihr im respektvollen Ab¬
stand die Mizzi, die leichtere, sehr reizvoll:
riedel Schwarz. Unübertrefflich aber die
Männer, der Fritz des Hans Heinz Boll¬
mann und Desider Zador als Freund
Theodor. Auch Helmuth Bernsen als alten Miller
will sagen, Musikus Weiering, konnte man sich
gefallen lassen.
Und nun hatte dies Werk, auf das man ein
Dezennium lang verzichten konnte, auf einmal
Leben erhalten. Ja, war es denn wirklich die
Darstellung allein? Nein, die Musik hat Quali¬
täten, an denen wir vielleicht allzu achtlos vor¬
übergingen. Ein Experiment? Der Komponist
bindet sich freiwillig ganze Zentner ans Bein, in¬
dem er lange Sätze nüchterner Prosa in Musik
umzusetzen sucht. Das hat Puccini auch schon ge¬
tan. Man könnte diese „Liebelei“ die deutsche
„Bohème nennen. Zwischendurch aber läßt der
Italioner Nerse singen. Darauf verzichtet Neu¬
——
Klavier). Trotzdem blüht seine Tonsprache, als
sei sie mit frischen Waldrosen durchwebt, Hin¬
geworfene Phrasen klingen wie von leichten Vers¬
füßen getragen. Geschlossene Sätze bauen sich
auf, als hätten sie dichterische Unterlage. Melo¬
disch, durchaus sanglich die Singstimme, ganz
selbständig geführt. Der sinfonische Charakter
des Orchesterparts dominiert nicht, die Instru¬
mente schreiten nicht daneben, untermalen
ist eine hochachtbare Technik,
nur.
die auch niemals über sich selber hin¬
ausstrebt, gefällig bleibt und oft auch der
Innerlichkeit nicht entbehrt. Ihre Sentimentalität
liegt im Stoffe (im Schauspiel mildert sie der
„Weaner“ Dialekt), ihre Heiterkeit schöpft sie aus
der schönen blauen Donau. Und Puccini (er
wohnt ja gar nicht so fern) schaut gnädig zu und
spendet dem Ganzen seinen Segen.
So ward diese musikalische Liebelei ein wirklich
liebenswertes Stück musikalischer Arbeit. Wenn
ich an der liebevollen Regiearbeit des Maximi¬
lian Morris etwas auszusetzen habe, so ist
die stumme Duellszene zu Beginn des letzten
Aktes. Als Visionshätte sie ihre Berechtigung, ist
aber überflüssig, weil das Zwischenspiel (zwar der
schwächste Teil der Partitur) den tragischen Aus¬
gang des Duells zur Genüge unterstreicht. So
werden wir die triefenden Tränen nicht los. Chri¬
stinens sentimentales Schicksal besiegelt die Musik,
die in der letzten Szene ihren Höhepunkt erreicht.
Damit sollte es sein Bewenden haben. Auch der
Kessel, aus dem das Publikum Ergriffenheit
schöpft, (und es schöpfte weidlich), will nicht über¬
hitzt sein.
L. R-r.
Klose & Seidel
Bureau für Zeitungsausschnitte
Berlin HO. 43, Georgenkirchplatz 21
Zeitung: Berl. Zeitung am Mittag
5 AlG Serlin
Ort:
Datum:meeetstiensansensetensantummnsnenneaerae
# „Liebelei“ als Oper.
Dés Experiment, Schnitzlers Liebelei als
Operstkext zu vertonen, liegt schön eine Reihe von
Jahren zurück und wurde von dem Frankfurter
Kapellmeister Franz Neumann unternommen,
als die veristische Welle in der Musik durch die
Welt ging. Damals, als man es in der Komi¬
schen Oper hörte, kam man fast zu einer Ableh¬
aung des Werkes, das nun, älter geworden, in
einer außerordentlich gelungenen Aufführung
unter der Sommerdirektion von Heinrich Reft
in der Volksbühne eine ganze Reihe von
Vorzügen enthüllt. Ohne Puceini und Leon¬
—
cavallo — das ist wahr! — wäre diese Musik
nicht denkbar, und sie behängt Alltäglichkeiten
des Dialogs mit hochdramatischen Akzenten, aber
sie hat andererseits Farbe und Schwung, und
besonders wenn sie heitere und volkstümliche
Töne anschlägt, sind Rhythmus und Melodik an¬
mutig und beinahe wienerisch.
Die Sänger hatten sämtlich Freude an ihren
Aufgaben, befleißigten sich einer hervorragend
deutlichen Aussprache (was bei dieser Dialogoper
besonders wichtig ist) und sangen und speelten so,
daß jeder an seinem Platz uneingeschränkte An¬
erkennung verdient. Dieses Lob gilt vor allem
Margarete Schlemüller, die bis auf das
körperlich etwas zu große Format für das „süße
Mädel“ als Sängerin und Darstellerin Muster¬
gültiges bot. Hans Heinz Bollmann als
Fritz, Desider Zädor als Theodoe, Friedel
Schwarz als Mizzi vervollständigten das
Quartett der Liebespaare aufs beste, das nur
leider, der Besonderheit der Oper wegen. nicht
recht zum Quartettsingen kam. Auch Helmuth
Berndsen, der Christigens liebenswürdigen
verständnisvollen Vat als echte Schnitzlergestalt
gab, Ida Holms als die opernhifte Klatschbase
Frau Binder und Hermann Kant mit den
tragischen Schicksalstönen des betrogenen Ehe¬
manns stellten sich eifrig in den Dienst des
Ganzen, dem Eugen Gottlieb, der musikalische
Leiter, Zusammenhalt und Fluß gab. E. M.
Se