Liebelei
box 12/7
— A. — 4 — —
Hiose & Semder
Bureau für Zeitungsausschnitte
Berlin NO. 43, Georgenkirchplatz 21
Zeitung:
Ort:
Datum: —
leicht, so das man versteht, was die Sänger singen, und er hat
meledischen Ehrgeiz, den er
Anleihen (von Schubert bis d'Albert — bleibt kein Tonmeister
„Liebelei.“
ganz ungerupit) befriedigt. Ein paar wirklich schöne Stellen
Oper, nach dem Schauspiel Schnitzlers,
hat er seinem alten Vater Weiering, dem Wiener Musikus,
von Franz Neumann.
gegeben. Alles in allem aber ist ein großer Aufwand an Mühe
und Geschicklichkeit vertan, weil dem Komponisten, wie so vielen
Sommeroper an der Volksbühne.
seiner engeren Kollegen in dieser Zeit, der Instinkt für die
Wahl des richtigen Stoffes fehlte.
97 Die Volksbühne dürfte, wenn sie ihre Aufgabe ernst
stimmt, meines bescheidenen Erachtens nie, auch zur Zeit der
Nun hat auch noch die Aufführung, so fleißig und lebendig
sauren Gurken nicht, die Sorgfalt außer acht lassen, ihren Spiel¬
sie auch ist oder sein will, gewisse unerträgliche Mängel. Der
plan so zu wählen, daß durch seine Gaben dem Volke aufwärts
junge Wiener Windhund, der im Duell bleibt, muß ein frischer
weisende Eindrücke vermittelt werden. Leider handelt sie nun
ranker Kerl sein, den man gerne sieht und um den es einem
schon im eigentlichen Theaterjahr keineswegs von diesem Ge¬
leid tut, auch wenn man ihn keineswegs segnen möchte. Hans
sichtspunkt aus, und zurzeit hat sie ihrem Geschäftsfuhrer Neft
Heinz Bollmann gibt einen jungen jüdischen Konsektionär
ihr Haus einfach zu einer persönlichen Unternehmung übergeben,
mit weinerlichem Gesicht, und sein Singen, soviel gutes Roh¬
bei der die ästhetischen Bedürfnisse des Volkes sicherlich weniger
material auch da ist, ist ein beständiges Wettrennen zwischen
in Betracht kommen als das Geschäft. Herr Nest will Geld
Kehl= und Nasentönen. Der erfahrene und beflissene Desider
machen. Hierzu braucht er natürlich freilich erst recht das Volk.
Jador ist nicht jung und leicht und nicht genug
das er seiner Bühne gerne in dunklen Scharen zuströmen sehen
wienerisch für den fidelen Liebelei=Kumpan Theodor. Dann die
möchte. Ein zugkräftiger Titel ist da mehr wert als das ge¬
Christine! Sehr begab#d bemüht, aber —— eine Walküre
waltigste Kunstwerk! „Liebelei“ und „frei nach Artur
als „süßes Mähel“! Ich glaube, um diese wuchtige, überreife
Schnitzler“, dem Verfasser des berüchtigten „Neigens — dasn
Figur überhaupt mädchenähnlich erscheinen zu lassen, kam der
das Bluthner=Orchester, Operngefang —, daraufhin, meint
Spielleiter Moris auf die Idee, das moderne Stück in die Bieder¬
Herr Neft, kann man's schon wagen. Wieniele wissen heute
meier=Zeit zu verlegen. Er erreichte seinen Zweck nicht und ließ
noch, daß Neumanns veroperter Schnitzter vor 10 Jahren
obendrein allerhand Stellen im Dialog stehen, die nun unglaub¬
schon einmal hier in Berlin das Nennen verlor? Gregor
lich gedankenlos wirken. So wenn der „Doppeladler“=Marsch
tischte das Werk damals in seiner Komischen Oper auf. Er
von Franz Wagner auf der Bühne erklingt oder einer der
konnte es trotz einer sehr sorgfältigen Auffüyrung nicht halten.
Biedermeier=Jünglinge laut ankündigend einen „1893er“ (!) in
Herrn Neft wird es jetzt vermutlich ebenso gehen. trotzdem er im
die Weingläser gießt. Moderne Regiekunst..
großen ganzen recht gute Mittel dafür einsetzt: ein paar hübsche
Sehr nett und anmutig wirkt Friedel Schwarz als Mizzi,
Stimmen, einen guten Kapellmeister, Eugen Gottlieb, und
aber ihr hübscher Sopran flackert und trillert beständig. Kein
ein richtiges Berliner Konzertorchester.
Ton hat seinen richtigen Ansatz. Schöne Stimmen sind die Her¬
Die Komödie Schnitzlers widersetzt sich eben ihrem innersten
mann Kantsund Helmut Berndsens. Für den „Herrn“.
Stil gemäß ihrer pathetischen Uebergrößerung durch den Geist
aber — Mitterwurzer hat ihn einst „kreiert“! — ist Herr
der Tonkunst. Sie ist auf den Wiener Plauderion gestellt, und
Sant zu klein im Format. Vor seinem Eintritt verkündet das
der Todesfall, auf den sich die Handlung zuspißt, ist alles andere
Orchester einen Niesen ... der Auftritt dieser untersetzten Figur
als ein tragischer Fall. Einem jungen Luftilus, der mit Vor¬
im Bratenrock ist also ein unfreiwillig komischer Effekt. Bleiben
liebe an verbotenen Früchten nascht, wird das Handwerk gründ¬
die guten Leistungen Berndsens und Ida Holms als alt¬
lich gelegt. Einer weniger, wie sie Dreizehn aufs Dutzend
jungferliche Hausschwätzerin.
gehen... Wenn man dem sinfonischen Zwischenspiel Herrn Neu¬
manns zu seinem dritten Akt, diesem letzten Akt überhaupt
Bleibt die gute Leistung des Blüthner=Orchesters unter dem
glauben wollte, müßte man sich einreden lassen, daß hier ein
schon genannten Kapellmeister Gottlieb.
Held zu Falle käme, ein junger Gott von bösen Mächten ge¬
Will Herr Reft also unbedingt das Werk halten, muß er
mordet wird... Nein, diese Oper gehört an eine Bühne, die sich
vor allem für eine jüngere Christine sorgen! Warum aber
„unfreiwillig Komische Oper“ nennt. Sie hätte allerdings ein
das Werk halten? Er lasse sich Josef Neiters „Tell“
großes modernes Repertoire.
kommen oder Siegfried Wagners „An allem ist Hüt¬
Dabei sollen bestimmte musikalische Tugenden Franz Neu¬
chen“ schuld — und das Volk wird ihm die Kassen wochenlang
manns nicht geleugnet werden. Er weiß für Stimmen zu
stürmen und ein musikgeschichtliches Verdienst ist ihm obendrein
schreiben, allerdings unter ausreichender Venutzung Puccinischer
Aug. Püringer.
Rezepte, sein Olches#er Uingt gut, gelegentlich sogar locker und i sicher!
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Bureau für Zeitungsausschnitte
Berlin NO. 43, Georgenkirchplatz 21
Zeitung:
Ort:
Datum: —
leicht, so das man versteht, was die Sänger singen, und er hat
meledischen Ehrgeiz, den er
Anleihen (von Schubert bis d'Albert — bleibt kein Tonmeister
„Liebelei.“
ganz ungerupit) befriedigt. Ein paar wirklich schöne Stellen
Oper, nach dem Schauspiel Schnitzlers,
hat er seinem alten Vater Weiering, dem Wiener Musikus,
von Franz Neumann.
gegeben. Alles in allem aber ist ein großer Aufwand an Mühe
und Geschicklichkeit vertan, weil dem Komponisten, wie so vielen
Sommeroper an der Volksbühne.
seiner engeren Kollegen in dieser Zeit, der Instinkt für die
Wahl des richtigen Stoffes fehlte.
97 Die Volksbühne dürfte, wenn sie ihre Aufgabe ernst
stimmt, meines bescheidenen Erachtens nie, auch zur Zeit der
Nun hat auch noch die Aufführung, so fleißig und lebendig
sauren Gurken nicht, die Sorgfalt außer acht lassen, ihren Spiel¬
sie auch ist oder sein will, gewisse unerträgliche Mängel. Der
plan so zu wählen, daß durch seine Gaben dem Volke aufwärts
junge Wiener Windhund, der im Duell bleibt, muß ein frischer
weisende Eindrücke vermittelt werden. Leider handelt sie nun
ranker Kerl sein, den man gerne sieht und um den es einem
schon im eigentlichen Theaterjahr keineswegs von diesem Ge¬
leid tut, auch wenn man ihn keineswegs segnen möchte. Hans
sichtspunkt aus, und zurzeit hat sie ihrem Geschäftsfuhrer Neft
Heinz Bollmann gibt einen jungen jüdischen Konsektionär
ihr Haus einfach zu einer persönlichen Unternehmung übergeben,
mit weinerlichem Gesicht, und sein Singen, soviel gutes Roh¬
bei der die ästhetischen Bedürfnisse des Volkes sicherlich weniger
material auch da ist, ist ein beständiges Wettrennen zwischen
in Betracht kommen als das Geschäft. Herr Nest will Geld
Kehl= und Nasentönen. Der erfahrene und beflissene Desider
machen. Hierzu braucht er natürlich freilich erst recht das Volk.
Jador ist nicht jung und leicht und nicht genug
das er seiner Bühne gerne in dunklen Scharen zuströmen sehen
wienerisch für den fidelen Liebelei=Kumpan Theodor. Dann die
möchte. Ein zugkräftiger Titel ist da mehr wert als das ge¬
Christine! Sehr begab#d bemüht, aber —— eine Walküre
waltigste Kunstwerk! „Liebelei“ und „frei nach Artur
als „süßes Mähel“! Ich glaube, um diese wuchtige, überreife
Schnitzler“, dem Verfasser des berüchtigten „Neigens — dasn
Figur überhaupt mädchenähnlich erscheinen zu lassen, kam der
das Bluthner=Orchester, Operngefang —, daraufhin, meint
Spielleiter Moris auf die Idee, das moderne Stück in die Bieder¬
Herr Neft, kann man's schon wagen. Wieniele wissen heute
meier=Zeit zu verlegen. Er erreichte seinen Zweck nicht und ließ
noch, daß Neumanns veroperter Schnitzter vor 10 Jahren
obendrein allerhand Stellen im Dialog stehen, die nun unglaub¬
schon einmal hier in Berlin das Nennen verlor? Gregor
lich gedankenlos wirken. So wenn der „Doppeladler“=Marsch
tischte das Werk damals in seiner Komischen Oper auf. Er
von Franz Wagner auf der Bühne erklingt oder einer der
konnte es trotz einer sehr sorgfältigen Auffüyrung nicht halten.
Biedermeier=Jünglinge laut ankündigend einen „1893er“ (!) in
Herrn Neft wird es jetzt vermutlich ebenso gehen. trotzdem er im
die Weingläser gießt. Moderne Regiekunst..
großen ganzen recht gute Mittel dafür einsetzt: ein paar hübsche
Sehr nett und anmutig wirkt Friedel Schwarz als Mizzi,
Stimmen, einen guten Kapellmeister, Eugen Gottlieb, und
aber ihr hübscher Sopran flackert und trillert beständig. Kein
ein richtiges Berliner Konzertorchester.
Ton hat seinen richtigen Ansatz. Schöne Stimmen sind die Her¬
Die Komödie Schnitzlers widersetzt sich eben ihrem innersten
mann Kantsund Helmut Berndsens. Für den „Herrn“.
Stil gemäß ihrer pathetischen Uebergrößerung durch den Geist
aber — Mitterwurzer hat ihn einst „kreiert“! — ist Herr
der Tonkunst. Sie ist auf den Wiener Plauderion gestellt, und
Sant zu klein im Format. Vor seinem Eintritt verkündet das
der Todesfall, auf den sich die Handlung zuspißt, ist alles andere
Orchester einen Niesen ... der Auftritt dieser untersetzten Figur
als ein tragischer Fall. Einem jungen Luftilus, der mit Vor¬
im Bratenrock ist also ein unfreiwillig komischer Effekt. Bleiben
liebe an verbotenen Früchten nascht, wird das Handwerk gründ¬
die guten Leistungen Berndsens und Ida Holms als alt¬
lich gelegt. Einer weniger, wie sie Dreizehn aufs Dutzend
jungferliche Hausschwätzerin.
gehen... Wenn man dem sinfonischen Zwischenspiel Herrn Neu¬
manns zu seinem dritten Akt, diesem letzten Akt überhaupt
Bleibt die gute Leistung des Blüthner=Orchesters unter dem
glauben wollte, müßte man sich einreden lassen, daß hier ein
schon genannten Kapellmeister Gottlieb.
Held zu Falle käme, ein junger Gott von bösen Mächten ge¬
Will Herr Reft also unbedingt das Werk halten, muß er
mordet wird... Nein, diese Oper gehört an eine Bühne, die sich
vor allem für eine jüngere Christine sorgen! Warum aber
„unfreiwillig Komische Oper“ nennt. Sie hätte allerdings ein
das Werk halten? Er lasse sich Josef Neiters „Tell“
großes modernes Repertoire.
kommen oder Siegfried Wagners „An allem ist Hüt¬
Dabei sollen bestimmte musikalische Tugenden Franz Neu¬
chen“ schuld — und das Volk wird ihm die Kassen wochenlang
manns nicht geleugnet werden. Er weiß für Stimmen zu
stürmen und ein musikgeschichtliches Verdienst ist ihm obendrein
schreiben, allerdings unter ausreichender Venutzung Puccinischer
Aug. Püringer.
Rezepte, sein Olches#er Uingt gut, gelegentlich sogar locker und i sicher!
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