II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 1430

Liebelei
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Hailesche Rachrichter
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Volksbühlte.
Liebelei, Schauspiel von Arthur Schnitzler.
Dem Wiener Dichter sind kürzlich ausAnlaß.,
seines 60 Gebjrtstages
viel schöne Dinge
gesagt wordens daß das Erscheinen seines wirkungs¬
vollsten und fürzihn bezeichnendsten Stückes im Spiel¬
plan der Volkssühne doppelt (nicht bloß um des Ge¬
burtstages willen) berechtigt ist. Einer an sich ziem¬
lich alltäglichen Geschichte
doch: „wem sie just
passieret“
durch Herausheben von allerlei
kleinen Wesenszügen aus einer Welt, die das Glück
nimmt, wo sie es findet, durch Emporwachsen der das
Ganze von Anfang an durchwehenden Melancholie zu
ergreifender Tragik, dramatisches Blut eingeflößt
worden. Dazu die Eigenart der Schnitzlerschen Dar¬
stellung, diese weiche leise Art, die sentimentale Heiter¬
keit mit lächelnder Wehmut zu mischen weiß; anders,
liebenswürdiger wie der norddeutsche Naturalismus,
wie Sudermann z. B., dessen „Fritzchen“
eine seiner
besten Arbeiten — in der Hauptlinie dem Schnitzler¬
schen Stück einigermaßen ähnelt.
Zwei Studenten aus der Wiener Lebewelt, die am
Ende ihrer Studien stehen, Fritz Lobheimer und
Theodor Kaiser, haben sich mit Bürgermädchen,
Christine Weiring und Mizi Schlager, zusammen¬
gefunden. Aber während das Verhältnis Theodors
und Mizis jeden Tag schmerzlos gelöst werden könnte,
sind Fritz und sein Mädel innerlich eng verbunden.
Das Plus der Liebe ist freilich bei Christinen, einem
Seelenschößling „vom Stamme jener Asras, welche
sterben, wenn sie lieben“; die tief empfindende Natur
Christinens, der Fritz ihr Gott, ihre Seligkeit ist, lehnt
sich gegen das harte Schicksal auf, das ihr den Ge¬
liebten durch ein Duell um die verheiratete Neben¬
buhlerin raubi, und so geht das unglückliche Mädchen
in den — freiwilligen — Tod.
Das Spiel, von Eugen Teuscher geleitet, war
im ersten Aufzug, dem am meisten von der linden Luft
des Wienertums umwehten. trotz allen Bemühens
nicht ganz frei von Steifheit, die erst nach und nach
wich. Die beiden Liebespaare waren Fritz Hensel
(Fritz) und Friedel Doerr (Christine), denen in
Ludwig Hartwig (Theodor) und Trude Horn
(Mizi, Typ des sog. süßen Mädels) lustige Vertreter
des lebensfrohen „Heut ist heut“ gegenüberstanden.
Am echtesten wurde die Darstellung da, wo nicht der
besondere Schnitzler=Ton gefordert wird, im zweiten
und dritten Aufzuge; im zweiten besonders bildete die
Unterhaltung Vater Weirings mit der Nachbarsfrau
Binder einen Höhepunkt. Die kleine Szene, in der
die weitherzige Lebensauffassung eines lachenden
Philosophen die Enge pharisäerhafter Korrektheit zu
durchbrechen sucht, wurde von Erich Nowack (in vor¬
züglicher Maske) und Hermine Ziegler außer¬
ordentlich hübsch wiedergegeben.
Dem tragischen Schluß entsprach die Stille des
Hauses; dann setzte Beifall ein zum Dank für die Dar¬
stellung.
ADOLF SCHUSTERMANN
ZEITUNGSNACHRICHTEN-BUREAU
BFNLIN SO. 16, RUNGESTR 22-24
Zeltugg: Schleswig-Holsteinische Landesteitung¬
Ps40.
Adresse: Kiel
„1
Stadttheater Neumünster.
KLiebelei", Schauspiel in drei Akten von Arthur Schnitzler.
Vos überfülltem Hause ging hier Sonntagabend düs im Jahre
1896 zum ersten Male aufgeführte Schauspiel über die Bretter.
Der Dramatiker Schnitzler. #er über eine gute Bühnentechnik
verfügt, auch oib feiner ###hchologe und Frauenkenner ist, hat in
„Liebelei“ einW geschaffen, das bei jeder Aufführung ein
volles Haus vesdichte. Ein Student hat mit einer verheirateten
Frau ein ernstes Verhältnis. Sein Gefühlsleben nimmt die: Ver¬
hältnis so in Anspruch, daß sein Freund nach Mitteln sinnt, wie er
ihn ablenken kann. Er bringt Fritz mit der Freundin seiner
„Mizi“, ein echtes, fesches Wiener Madel, Christine, eine sinnige.
ernste Natur, zusammen. Diese gewinnt Fritz so lieb, daß sie ihr
Leben für ihn lassen kann. Sie weiß sehr wohl, daß ihre Lieb¬
schaft nicht zum Rechten führen kann. Einmal will sie nur glücklich
gewesen sein, wenn es auch nur vorübergehend sei, um ihr ganzes
Leben davon zehren zu können. Fritz hat eine Ahnung von dem
Seelenzustand des Mädchens, und wenn das andere nicht wäre, hier
könnte er das stille innige Glück finden, das er so sehr braucht. Der
Ehemann hat das Verhaltnis entdeckt, es kommt zum Duell. In
seiner Todesahnung sucht Fritz Christine noch einmal auf. Er
genießt ein Stündchen das ersehnte stille Glück. Dann nimmt er
Abschied, um angeblich eine mehrtägige Reise zu unternehmen
Christine gesteht ihrem alten Vater, einem Violinspieler am The¬
ater, alles. Dieser alte Mann versteht sein Kind und will ihm alle:
Glück gönnen. Er zieht Erkundigungen ein, erfährt von den
Duell und daß Fritz gefallen. Schonend will er es seiner Tochte:
beibringen. Christine, darüber unruhig geworden, springt auf un
will sich selbst Gewißheit verschaffen. Da treten Mizi und seit
Fzsund entgegen und teilen mit, daß er im Duell für eine ander
gefallen. Fraulein Wiese als Gast (Christine) errang eine
großen Erfolg. Herr Krause war ihr als Fritz ein tüchtige
Partner. Fraulein Wulf spielte die Mizi in gewohnter fesche
kecker Weise. Herr Müller=Hamdorf fand sich mit seine
Rolle als Freund vortrefflich ab, ebenso Herr Roebbelen al
Vater.