II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 1464

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Liebelei

Berliner Börsen-Courier
15. Osct. 1925
Schnitzler=Abend.
„Schillertheater (Vornotiz).
Man feierte das dreißigjährige Jubiläum der
„Liebelei“ auf norddeutsch bis auf einige Aus¬
nahmen. Dazu gehörte der Dichtersohn Heinrich
Schnitzler, der den Freund Theodor resch und
frisch loslegte. Die Regie Fehlings holte
nach Länglichkeiten der ersten beiden Aufzüge
Starkes aus dem Schlußakt. Das Tragische brach
trotz einer gewissen Exaltiertheit in Lucie
Mannheim ungewöhnlich auf. Ergreifend
auch der Vater des Jakob Tiedtke. E. F.

Der Tag, Berlin
1 5.Okt. 1925


„Liebelei“.
Schiller=Theater.
Gerobe dreißig Jahre snd es ja her, d
chnitzlera „Liebelei“ zum ersten Male gespielt
verr allen Stücken des Dichters i
das bekannteste geblieben und am meisten
sielt worden. Eine recht saubere und wackere
ssnhrung wirde ihn auch wieder im Schue¬
heater zuteil, und der herzliche Beifall zeigte
„ H.—
noch immer seine Geliebtheit.
Beiliaet Ableiger
Okt. 1925
1. —
Staatliches Schillertheater.
Schnitzler=Abend.
Ein Ehrenabend für den jungen Schnitzler, den
Anatol=Schnitzler. Nur das das zweite Mal der
Anatol „Fritz“ heißt — was ja auch ein schößzer
Name ist, wenn er auch für Wiener Ohren etchas
preußisch klingen mag.
Also zunächst kommt, als „Lever de rideait“,
jenes zwischen Verliebtheit und Entsagung
Prahlerei und Ironie so graziös schaukelnde (be¬
spräch bei den „Weihnachtseinkäufen“.
Der wirkliche Anatol führt es, der gleichtsinnige
Melancholiker“ mit der eleganten Mondäne, die
so neugierig nach der Vorstadtliebe ist, nach der
Liebe des „süßen Mädels“; und die, etwas ver¬
wegen, glaubt, ebenso lieben zu können, wenn —
ja wenn sie nur den Mut dazu hätte ...
In der Wiedergabe erfreute ein reizendes
Wiener Bild: der Platz „Am Hof“ mit Weih¬
nachtsbuden und abendlichem Schneegestöber,
Lina Lossen und Erwin Faber gaben
das Wiener Paart leicht, elegant, verhalten, mit
aufdämmernder und rasch wieder unterdrückter
Empfindung. Reicher Beifall rief sie wiederholt
an die Rampe. Und dann in der „Liebelei“
die andere Liebe — die mit dem süßen Mädel,
das sein ganzes Herz selbstlos und arglos weg¬
schenkt: während doch die elegante Frau, die
Mondäne — ist es vielleicht die der Weihnachts¬
einkäufe (?) — als die ernsthaftere Liebe be¬
trachtet wird. Als diejenige Liebe nämlich, für
die Anatol — Verzeihung, er heißt ja diesng
Deutsche Tagesseltung, Beriin
4 5 Oil. 1925

Schnitzler im Schiller=Theater.
Vor 30 Jahren erlebte Schnitzlers „Liebelei“ ihre Urauf
führung in Wien. Heute ist einem die müde Dekadenz, die in
allen Sentiments wühlende Treglk dieser Süßemädelsgeschicht
weltenfern. Trotzdem übte sie dank Jürgen Fehlings geniale
Führung eine verblüssende Wirkung aus. Voran ging die nett
Plauderei aus dem Aus el=Zyklus „Weihnachtseinkäufe“. Lin,
Lossen. Lucie Manuheim und Maria Paudler erntete:
E. M.
Beifallsstürme.
———
itz — sein Blut verspritzt, in einem feschen und
standesgemäßen Duell. So war denn wirklich seine
Liebe
armen Christel bloß eine „Liebelei“?
Ae
hgewiß; denn sie war ja eben nicht stan¬
des
.Aber ob nicht doch der dumme Fritz
mit seinem wahren Herzen mehr an dem Vorstadt¬
mädel hing, das er opferte, als an der mondänen
Frau, für die er sich vom beleidigten Gatten tot¬
schießen ließ? Das ist immer noch sehr die Frage.
So fad der Fritz als männliches Wesen erscheinen
mag, einfach und durchsichtig ist er trotzdem nicht.
Denn er ist Wiener.
Ein putziger Regieeinfall Jürgen Fehlings ließ
das Stück, das ja ganz die Signatur aus der
Mitte der verflossenen Kaiserzeit trägt, in alt¬
modischen Kostümen spielen — was anfangs eine
ironische Heiterkeit weckte, dann aber doch recht
stimmungsvoll wirkte. Jedenfalls kam Schnitzlers
wehmütig=schöne Dichtung auch diesmal wieder
zu voller Geltung, zumal der unübertreffliche
erste Akt mit seiner simpel=frohen Heiterkeit und
seinem jäh einschneidenden Weh. Des Dichters
Sohn, Heinrich Schnitzler, hielt mit bester
Laune die Rolle des feschen Theodor, dem in
gleicher, nur mehr volkstümlich=naiver Art Ma¬
ria Paudler als Schlager=Mizzi entsprach.
Sehr fein traf Lucie Mannheim den etwas
trüben und doch so innigen Ton der liebenden
ahnungslos verratenen Christine, dieses echten
jener Mädels, dessen Einfalt dennoch fähig ist,

zu tragischem Schmerz sich zu steigern.
etwas physiognomielose und ziemlich undankbare
Rolle des verräterischen Fritz wurde durch
Richard Duschinsky unaufdringlich und
sympathisch verkörpert. Patrys sichere Rou¬
tine und Tiedtkes gemütvoller Humor
schlossen das Ensemble bestens zusammen.
Franz Servaes.