Liebelei
— box 12/8
Dr. Max Goldschmidt
Büro für Zeitungsausschnitte
BERLIN N4
Teleion: Norden 3051
Ausschnitt aus:
Brerner Nachrichten, Bremen
30 Mal 124—
Bremer Schauspielhaus
„Liebelei“. Von Arthur Schnitzler
Man spielte das Drama, das neben dem „Anatol“
zu Schnitzlers charakteristischsten Werken gehört, im Kostün.
eder neunziger Jahre. Die Herren erschienen in langen
Gehröcken, die Damen in weiten Schleppkleidern, alt¬
modischen Blusen und auf hohe Frifuren getürmten
Hüten. Den Zuschauern bereiteten diese Trachten un¬
sgeheures Vergnügen und bei jedem neuen Auftritt gab
jes lebhafte Heiterkeitsausbrüche. Dennoch gar diese J##
szenierung die einzig mögliche Aufführunssart. Hätte
man das Stück modern gespielt, wären zwar nicht die
Kostüme belacht worden, aber man würde das Stück selbst
hals überlebt empfunden haben. Heute ist es nicht mehr
Brauch, daß ein Mädel eine lockere „Liebelei“ so tragisch
nimmt, wie die kleine, sentimentale Violinsvielerstochter
Christine, die an Untreue und Tod ihres Geliebten zu¬
grunde geht. Heute ist mehr die Lebensauffassung der
Mizzi Schlager Sitte geworden, die das Leben von der
heiteren Seite zu nehmen versteht. Und wenn diese
Mizzi auch etwas gar zu leicht im Wiener Walzertalt
durch das bunte Leben tanzt, so würde der schwermütigen
Christine etwas mehr nüchterner Wirklichkeitssinn dech
nur vom Vorteil. gewesen sein. Die heutige Zeit hat
ihn von selbst geschaffen und Schnitzters „Liebelei“ rühhrt¬
desholb-heutzütage kein Gegenwartsproblem mehr au; er
wird von uns nur noch als ein Lebensbild aus vergan¬
genen Zeiten neugierig bestaunt. Bestannt wie die alt¬
modischen Trachten, die damals den „neuesten Wiener
Chick“ verkörperten, uns heute aber als Erscheinungen
aus lange, lange vergangenen Tagen anmuten.
Wenn die Aufführung trotzdem das bis auf den
letzten Platz besetzte Haus nicht nur fesselte, sondern zeit¬
weise geradezu hinriß, so ist das zum großen Teil der
hingebenden Leistung von Maria Czamsky zu danken.
Sie erfüllte ihre Christine mit solcher Leidenschaft innigen
Miterlebens und lieh den erregten Gefühlsausbrüchen
ihrer leidenden Seele eine solch eindringliche Inbrunft.
daß sie die Zuschauer tief in den Bann ihrer Darstellung
zwang und sich an den Aktschlüssen nur schwer in die
Wirklichkeit zurückzuversetzen vermochte. Alle Achtung vor
solcher Künstlerschaft! Sehr glücklich verkörperte den
Gegenpol dieses übertrieben starken Innenlebens Maria
[Koch als Mizzi Schlager, die den Typ des Wiener
Madels vorzüglich traf. Die beiden Wiener Kayaliere
fanden in Arnold Putz und Gustav Bartelmus aus¬
gezeichnete Vertreier.Carl Rehder Käthe Hausa
und Walter Kulisch'kundeten das Gesamtbild vortreff¬
lich ab. Überhaupt machte die Aufführung — zumal der
gewandt aufgebaute erste Akt, ein echter Schnitzler —
den Eindruck einer vorzüglich abgestimmten Leistung, mit
der sich auch Detlef Sierck als Spielleiter wieder ein
neues Zeugnis seines vornehmen Geschmacks ausstellte.
Trotz starker Ergriffenheit konnte sich das Haus nicht ver¬
sagen, Maria Czamskys leidenschaftlicher Hingabe laute
—ft.
Anerkennung zn zollen.
Dr. Max Goldschmidt
4
Büro für Zeitungsausschnitte
BBRLIN N 4
Teleion Norden 3051
Ausschnitt aus
Dresdener Anzeiger, Dresden
7. Juni 1926
Im Neuen Theater wurde am Sonnabend
das berannte dreiaktige Schauspiel von Arthur
Schnitzler Liebelei aufgeführt. Trötz derz
Ungleichheit in der Besetzung der Rollen wan
die Aufführung im ganzen eine anerkennens¬
S
werte Leistung, deren wienerisches Kolorit am
besten von Willy v. Hendrichs in der Rolle
des Theodor Kaiser zum Ausdruck kam. Ganz
ungezwungen und überzeugend fand er den
warmen Ton jener gemütvollen Heiterkeit, die
im Augenblick des Schmerzes noch wohltun kann
und kein trauriges Herz ungetröstet läßt.
Wienerisch war auch in der Darstellung von
Elisabeth Frank das eine der „süßen Mädels“,
die Modistin Mizi Schlager. Sie war herzlich
in ihrer jugendlichen Ausgelassenheit und
liebenswürdig in ihrem kindlichen Leichtsinn.
Lebenswahr wirkte vor allem der Vater des
zweiten süßen Mädels, von Paul Lewitt
wiedergegeben, eine weiche und abgeklärte, so
recht väterlich empfindende Künstlerseele, gewiß
die beste Charakterzeichnung in der gesamten
Darstellung. Demgegenüber hoben Ilse Voigt
als Christine und Ottokar Vahlkampf als
Fritz Lobheimer ihre Gestalten aus der Wiener
Atmosphäre stark heraus. Besonders Ilse Voigt
machte aus der Christine einen rein patho¬
logischen Fall, dem die Gesellschaft nur noch
schwer begegnen kann. Das Gewicht einer
reifenden Persönlichkeit in der Darstellung der
Christine, das die Tragik der Liebelei mittelbar
begründet, würde den Erfolg des Stückes in
seiner jetzigen Einstudierung erhöhen, zumal da
Spielleiter Robert George im ganzen einen
neuen Beweis seiner Regiekunst bereits er¬
bracht hat.
B#
— box 12/8
Dr. Max Goldschmidt
Büro für Zeitungsausschnitte
BERLIN N4
Teleion: Norden 3051
Ausschnitt aus:
Brerner Nachrichten, Bremen
30 Mal 124—
Bremer Schauspielhaus
„Liebelei“. Von Arthur Schnitzler
Man spielte das Drama, das neben dem „Anatol“
zu Schnitzlers charakteristischsten Werken gehört, im Kostün.
eder neunziger Jahre. Die Herren erschienen in langen
Gehröcken, die Damen in weiten Schleppkleidern, alt¬
modischen Blusen und auf hohe Frifuren getürmten
Hüten. Den Zuschauern bereiteten diese Trachten un¬
sgeheures Vergnügen und bei jedem neuen Auftritt gab
jes lebhafte Heiterkeitsausbrüche. Dennoch gar diese J##
szenierung die einzig mögliche Aufführunssart. Hätte
man das Stück modern gespielt, wären zwar nicht die
Kostüme belacht worden, aber man würde das Stück selbst
hals überlebt empfunden haben. Heute ist es nicht mehr
Brauch, daß ein Mädel eine lockere „Liebelei“ so tragisch
nimmt, wie die kleine, sentimentale Violinsvielerstochter
Christine, die an Untreue und Tod ihres Geliebten zu¬
grunde geht. Heute ist mehr die Lebensauffassung der
Mizzi Schlager Sitte geworden, die das Leben von der
heiteren Seite zu nehmen versteht. Und wenn diese
Mizzi auch etwas gar zu leicht im Wiener Walzertalt
durch das bunte Leben tanzt, so würde der schwermütigen
Christine etwas mehr nüchterner Wirklichkeitssinn dech
nur vom Vorteil. gewesen sein. Die heutige Zeit hat
ihn von selbst geschaffen und Schnitzters „Liebelei“ rühhrt¬
desholb-heutzütage kein Gegenwartsproblem mehr au; er
wird von uns nur noch als ein Lebensbild aus vergan¬
genen Zeiten neugierig bestaunt. Bestannt wie die alt¬
modischen Trachten, die damals den „neuesten Wiener
Chick“ verkörperten, uns heute aber als Erscheinungen
aus lange, lange vergangenen Tagen anmuten.
Wenn die Aufführung trotzdem das bis auf den
letzten Platz besetzte Haus nicht nur fesselte, sondern zeit¬
weise geradezu hinriß, so ist das zum großen Teil der
hingebenden Leistung von Maria Czamsky zu danken.
Sie erfüllte ihre Christine mit solcher Leidenschaft innigen
Miterlebens und lieh den erregten Gefühlsausbrüchen
ihrer leidenden Seele eine solch eindringliche Inbrunft.
daß sie die Zuschauer tief in den Bann ihrer Darstellung
zwang und sich an den Aktschlüssen nur schwer in die
Wirklichkeit zurückzuversetzen vermochte. Alle Achtung vor
solcher Künstlerschaft! Sehr glücklich verkörperte den
Gegenpol dieses übertrieben starken Innenlebens Maria
[Koch als Mizzi Schlager, die den Typ des Wiener
Madels vorzüglich traf. Die beiden Wiener Kayaliere
fanden in Arnold Putz und Gustav Bartelmus aus¬
gezeichnete Vertreier.Carl Rehder Käthe Hausa
und Walter Kulisch'kundeten das Gesamtbild vortreff¬
lich ab. Überhaupt machte die Aufführung — zumal der
gewandt aufgebaute erste Akt, ein echter Schnitzler —
den Eindruck einer vorzüglich abgestimmten Leistung, mit
der sich auch Detlef Sierck als Spielleiter wieder ein
neues Zeugnis seines vornehmen Geschmacks ausstellte.
Trotz starker Ergriffenheit konnte sich das Haus nicht ver¬
sagen, Maria Czamskys leidenschaftlicher Hingabe laute
—ft.
Anerkennung zn zollen.
Dr. Max Goldschmidt
4
Büro für Zeitungsausschnitte
BBRLIN N 4
Teleion Norden 3051
Ausschnitt aus
Dresdener Anzeiger, Dresden
7. Juni 1926
Im Neuen Theater wurde am Sonnabend
das berannte dreiaktige Schauspiel von Arthur
Schnitzler Liebelei aufgeführt. Trötz derz
Ungleichheit in der Besetzung der Rollen wan
die Aufführung im ganzen eine anerkennens¬
S
werte Leistung, deren wienerisches Kolorit am
besten von Willy v. Hendrichs in der Rolle
des Theodor Kaiser zum Ausdruck kam. Ganz
ungezwungen und überzeugend fand er den
warmen Ton jener gemütvollen Heiterkeit, die
im Augenblick des Schmerzes noch wohltun kann
und kein trauriges Herz ungetröstet läßt.
Wienerisch war auch in der Darstellung von
Elisabeth Frank das eine der „süßen Mädels“,
die Modistin Mizi Schlager. Sie war herzlich
in ihrer jugendlichen Ausgelassenheit und
liebenswürdig in ihrem kindlichen Leichtsinn.
Lebenswahr wirkte vor allem der Vater des
zweiten süßen Mädels, von Paul Lewitt
wiedergegeben, eine weiche und abgeklärte, so
recht väterlich empfindende Künstlerseele, gewiß
die beste Charakterzeichnung in der gesamten
Darstellung. Demgegenüber hoben Ilse Voigt
als Christine und Ottokar Vahlkampf als
Fritz Lobheimer ihre Gestalten aus der Wiener
Atmosphäre stark heraus. Besonders Ilse Voigt
machte aus der Christine einen rein patho¬
logischen Fall, dem die Gesellschaft nur noch
schwer begegnen kann. Das Gewicht einer
reifenden Persönlichkeit in der Darstellung der
Christine, das die Tragik der Liebelei mittelbar
begründet, würde den Erfolg des Stückes in
seiner jetzigen Einstudierung erhöhen, zumal da
Spielleiter Robert George im ganzen einen
neuen Beweis seiner Regiekunst bereits er¬
bracht hat.
B#