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rthur Schnitzler, der Dichter dieses Schauspiels, das
in fast alle Sprachen der Welt übersetzt wurde,
4X über unzählige Bühnen gegangen ist und die Her¬
zen unzähliger Menschen gerührt hat. Er selbst sagte
einmal von einem seiner Helden: „Er ist ein Wiener und
wie alle jungen Wiener ein leichtsinniger Melancholiker!“
Dieses Urteil seines geistigen Vaters trifft auch auf Fritz
Lobheimer zu, den Helden von „Liebelei“, auch er ist
einer jener Menschen, die sich über ihre eigenen Gefühle
nicht klar werden, zwischen einander widersprechenden Emp¬
findungen hin und hergeworfen werden, in der Liebe zwischen
den Frauen dahingleiten, ohne sich für ein Weren zu entscheiden,
und über sich selbst erst dann Einsicht gewinnen, bis es zu spät ist.
Fritz Lobheimer liebt Doris, die kapriziöse, begehrenswerte
Gattin des Bankiers Velten, — doch nein! — er wird von ihr
geliebt, läßt sich von ihr lieben, willenlos, hingegeben, wie ein Spiel¬
zeug. Und er ist auch nicht mehr für sie! Eine Liebelei, nichts weiter.
Ihretwegen vernachlässigt er seine Freunde, sein Studium, ihr opfert er seine
Zeit, jeden seiner Gedanken. Wo sie ist, ist auch er zu finden. Aber er liebt auch
Christine, die schlichte Tochter des alten Musikers Weyring, oder besser wieder: er hat nichts dagegen, daß
sie ihn liebt. Und das tut sie mit der ganzen Innigkeit ihres noch unerweckten Herzens, anders als Doris,
mächtiger und doch hilfloser. Sie hat ihn durch ihre Freundin, die lustige Schlager-Mizzi, kennengelernt.
Diese ist mit Theodor Kaiser befreundet, seinem Studienkollegen, dem Menschen, der es am besien mit Fritz
meint und der in dieser guten Absicht das bitterste Leid über ein junges Menschenherz bringf. „Aus dem
Verhältnis mit der verheirateten Frau kann für Fritz nichts Gutes werden“, sagt er sich eines Tages und
setzt seine Gedanken laut zu Mizzi fort: „Wir müssen ihm ein Mädel verschaffen, das ihn ablenkt!“ Dabei
denkt er, der junge Wiener, der leichtsinnige Melancholiker, natürlich an eine wie Mizzi, an ein leichtes,
lustiges Ding, das es mit der Liebe nicht so tragisch nimmt und dem auch ein Abschied nicht sehr zu Herzen
geht. Er kann nicht ahnen, wie Christine geartet ist. „Wir sagen „Du“ zueinander“, gesteht sie bald selig
ihrer Freundin Mizzi, und als diese fragt: „Ist dir denn das soviel wert?“, sagt sie einfach nur: „Alles!“
Für Fritz aber ist sie die längste Zeit nur, was er für Doris ist: Eine Liebelei, nichts weiter! Der alte Wey¬
ring aber sagt: „Meine Christine weiß, was sie tut!“ Er hofft in seiner Einfalt, die beiden als ein jun¬
ges Paar zu sehen.
Gewiß, auch Fritz liebt Christine, auch er weiß, daß sie anders ist als die Mädchen, die nach der Schlager¬
Mizzi geraten sind, und als sie ihm erst alles gegeben hat, scheint er sich auch ganz zu ihr hin zu neigen.
Schon verkehrt er im Hause des Bankiers, der eben Verdacht zu schöpfen beginnt, gerade ist er von Vel¬
ten für den nächsten Tag in die Theaterloge gebeten worden, denn Velten fördert vorläufig noch den Ver¬
kehr zwischen ihm und seiner Frau, um sichere Beobachtungen zu machen, da kommt Christine mit zwei
Karten an, die sie von ihrem Vater bekam, und die für dieselbe Vorstellung gelten. Gewiß, Fritz rafft sich
auf, sagt Velten ab, Christinen zuliebe, und zerstreut damit wieder vorübergehend den Verdacht des eifer¬
süchtigen Gatten, ja er setzt sich sogar an seine Maschine, um Doris einen formellen, kühlen Abschiedsbrief
zu schreiben, aber — das Aber, das bei Charakteren seiner Art eine so große Rolle spielt — als Doris das
Außerste wagt, zu ihm in die Wohnung geht und eben zurechtkommt, um den noch unfertigen Brief zu lesen,
als sie diesen Brief dann mit ihren spitzen, gepflegten Fingern zerreißt und ihm ein freundliches Lächeln
zeigt, da ist es wieder um ihn geschehen. Heiß stürzt er sich auf sie, küßt sie, und als sie sich vor der
letzten Gewährung blitzschnell wieder aufrafft und schon im Gehen sagt: „Genug! Wir sehen uns ja heute
abend“, da erliegt er ihr wieder und sagt: „Ich komme!“ Am Abend wird Christine im Foyer nicht von
K
rthur Schnitzler, der Dichter dieses Schauspiels, das
in fast alle Sprachen der Welt übersetzt wurde,
4X über unzählige Bühnen gegangen ist und die Her¬
zen unzähliger Menschen gerührt hat. Er selbst sagte
einmal von einem seiner Helden: „Er ist ein Wiener und
wie alle jungen Wiener ein leichtsinniger Melancholiker!“
Dieses Urteil seines geistigen Vaters trifft auch auf Fritz
Lobheimer zu, den Helden von „Liebelei“, auch er ist
einer jener Menschen, die sich über ihre eigenen Gefühle
nicht klar werden, zwischen einander widersprechenden Emp¬
findungen hin und hergeworfen werden, in der Liebe zwischen
den Frauen dahingleiten, ohne sich für ein Weren zu entscheiden,
und über sich selbst erst dann Einsicht gewinnen, bis es zu spät ist.
Fritz Lobheimer liebt Doris, die kapriziöse, begehrenswerte
Gattin des Bankiers Velten, — doch nein! — er wird von ihr
geliebt, läßt sich von ihr lieben, willenlos, hingegeben, wie ein Spiel¬
zeug. Und er ist auch nicht mehr für sie! Eine Liebelei, nichts weiter.
Ihretwegen vernachlässigt er seine Freunde, sein Studium, ihr opfert er seine
Zeit, jeden seiner Gedanken. Wo sie ist, ist auch er zu finden. Aber er liebt auch
Christine, die schlichte Tochter des alten Musikers Weyring, oder besser wieder: er hat nichts dagegen, daß
sie ihn liebt. Und das tut sie mit der ganzen Innigkeit ihres noch unerweckten Herzens, anders als Doris,
mächtiger und doch hilfloser. Sie hat ihn durch ihre Freundin, die lustige Schlager-Mizzi, kennengelernt.
Diese ist mit Theodor Kaiser befreundet, seinem Studienkollegen, dem Menschen, der es am besien mit Fritz
meint und der in dieser guten Absicht das bitterste Leid über ein junges Menschenherz bringf. „Aus dem
Verhältnis mit der verheirateten Frau kann für Fritz nichts Gutes werden“, sagt er sich eines Tages und
setzt seine Gedanken laut zu Mizzi fort: „Wir müssen ihm ein Mädel verschaffen, das ihn ablenkt!“ Dabei
denkt er, der junge Wiener, der leichtsinnige Melancholiker, natürlich an eine wie Mizzi, an ein leichtes,
lustiges Ding, das es mit der Liebe nicht so tragisch nimmt und dem auch ein Abschied nicht sehr zu Herzen
geht. Er kann nicht ahnen, wie Christine geartet ist. „Wir sagen „Du“ zueinander“, gesteht sie bald selig
ihrer Freundin Mizzi, und als diese fragt: „Ist dir denn das soviel wert?“, sagt sie einfach nur: „Alles!“
Für Fritz aber ist sie die längste Zeit nur, was er für Doris ist: Eine Liebelei, nichts weiter! Der alte Wey¬
ring aber sagt: „Meine Christine weiß, was sie tut!“ Er hofft in seiner Einfalt, die beiden als ein jun¬
ges Paar zu sehen.
Gewiß, auch Fritz liebt Christine, auch er weiß, daß sie anders ist als die Mädchen, die nach der Schlager¬
Mizzi geraten sind, und als sie ihm erst alles gegeben hat, scheint er sich auch ganz zu ihr hin zu neigen.
Schon verkehrt er im Hause des Bankiers, der eben Verdacht zu schöpfen beginnt, gerade ist er von Vel¬
ten für den nächsten Tag in die Theaterloge gebeten worden, denn Velten fördert vorläufig noch den Ver¬
kehr zwischen ihm und seiner Frau, um sichere Beobachtungen zu machen, da kommt Christine mit zwei
Karten an, die sie von ihrem Vater bekam, und die für dieselbe Vorstellung gelten. Gewiß, Fritz rafft sich
auf, sagt Velten ab, Christinen zuliebe, und zerstreut damit wieder vorübergehend den Verdacht des eifer¬
süchtigen Gatten, ja er setzt sich sogar an seine Maschine, um Doris einen formellen, kühlen Abschiedsbrief
zu schreiben, aber — das Aber, das bei Charakteren seiner Art eine so große Rolle spielt — als Doris das
Außerste wagt, zu ihm in die Wohnung geht und eben zurechtkommt, um den noch unfertigen Brief zu lesen,
als sie diesen Brief dann mit ihren spitzen, gepflegten Fingern zerreißt und ihm ein freundliches Lächeln
zeigt, da ist es wieder um ihn geschehen. Heiß stürzt er sich auf sie, küßt sie, und als sie sich vor der
letzten Gewährung blitzschnell wieder aufrafft und schon im Gehen sagt: „Genug! Wir sehen uns ja heute
abend“, da erliegt er ihr wieder und sagt: „Ich komme!“ Am Abend wird Christine im Foyer nicht von
K