ihm, sondern von seinem alten Diener empfangen, der ihr einen Absagebrief mit ein paar konventionellen
Worten des Bedauerns übergibt.
Christine sieht Fritz während der Vorstellung in einer Loge sitzen: mit einer fremden Frau! Da haf das
Vergnügen keinen Reiz mehr für sie, die ohnedies, allein, wie er sie ließ, nur deshalb hineinging, weil ihr
Vater im Orchester spielt. Einsam und enttäuscht schleicht sie sich hinaus, so mitgenommen, daß ein Diener
sie draußen besorgt nach ihrem Ergehen fragt, so mitgenommen, daß ihr auf der Treppe sogar sein Absage¬
brief entgleitet, den sie drinnen krampfhait umfaßt hielt. Ein Herr hebt ihr ihn auf und geht weiter: Vel¬
ten! Zwei Menschen, so innig durch ein gemeinsames Leid verknüpft, die doch voneinander nichts ahnen.
Und auch in Veltens Zügen hat sich die Verzweiflung eingeprägt: er hat sich eben davon vergewissert, daß
seine Frau nachmittags bei Fritz war. Der alte Weyring tröstet sein Kind, so gut es geht, über die Ent¬
täuschung hinweg. Junge Leute hätten eben gesellschaffliche Verpflichtungen, denen sie nicht entrinnen können,
und Christine, die leicht zu fröstende, glaubt ihm und ist wieder ruhig.
Als Velten tags darauf seine Frau nicht in der Wohnung findet, eilt er zu Fritz und dringt trotz der Ab¬
wehr des alten Dieners in die Wohnung ein. Er findet sie leer, aber ein Teetisch, für zwei Personen ge¬
deckt, zeugt von angeregter Stimmung, die hier vor kurzem geherrscht hat, die Kissen der Chaiselongue
sind zerwühlt, und zwischen ihnen findet er die abgerissene Hälfte einer Ansteckblume: Orchideen, die
Lieblingsblumen seiner Frau! Daheim, als sie kommt, an ihrer Schulter sieht er die fehlende Hälfte, und
Doris gesteht. Er weiß, was ihm zu tun bleibl.
Am selben Abend ist Christine mit Mizzi und Theodor zu Fritz gekommen, sie wollten ein lustiges
Picknick feiern, doch Fritz ist gedrückter Stimmung: sein Diener hat ihm Veltens Besuch berichtet,
und er weiß nun, was ihm bevorsteht. „Nicht fragen!“ sagt er müde zu Christine, als diese
ihn schüchtern über die Dame von gestern abend ausforschen will, und sie ist gehorsam und
schweigt. Mitten in das nur scheinbar so fröhliche Beisammensein schrillt die Klingel, kaum
haf Fritz Zeit, die drei in ein Nebenzimmer zu schaffen, da tritt auch schon Velten ein, ##n
Rechenschaft zu fordern. Ein Duell ist die Folge dieses Besuches, und vergeblich wartet Christine
am nächsten Tage am Rendezvousplatz auf den Geliebten, er hat mit Theodor die Sekundanten
seines Gegners zu erwarten. Nach Erledigung dieser Formalitäten sucht er Christine doch
in ihrer Wohnung auf. Es ist das erste Mal, daß er zu ihr geht, und — er fühlt
es — auch das letzte Mal! Schwer ist der Abschied, er kann sich von Christine
kaum losreißen, und als er gegangen ist, weiß er: hier wäre sein Glück gewesen!
Sie war nicht nur eine Liebelei für ihn. Zu spät! Für die andere,
für die er eine Liebelei war, wird er sterben. Der leichtsinnige Melancholiker
hat sich wieder einmal zu spät erkannt.
Christine sagte er, er müsse für zwei Tage zu seinen Eltern auf das
Guf fahren. So kommt sie, die noch immer nichts ahnt, nach zwei
Tagen in seine Wohnung, um sie zum Empfang mit Blumen
Veltens
zu schmücken, und findet ihn aufgebahrt, tot.
Kugel hat ihn dahingerafft. An der Bahre sinkt sie
zusammen, und nur mit Mühe kann sie der Vater heimbrin¬
gen. Daheim bittet sie ihn noch einmal zu spielen,
und während er leise das Cello streicht, sinkt
sie sanft zurück. In einem unbewachten Augen¬
blick hat sie Gift genommen. So ist sie mit
Fritz vereint, und wieder einmal kann der
Vorhang über eine von Schnitzlers bürgerlichen
Tragödien fallen.
2
*
She
n
Worten des Bedauerns übergibt.
Christine sieht Fritz während der Vorstellung in einer Loge sitzen: mit einer fremden Frau! Da haf das
Vergnügen keinen Reiz mehr für sie, die ohnedies, allein, wie er sie ließ, nur deshalb hineinging, weil ihr
Vater im Orchester spielt. Einsam und enttäuscht schleicht sie sich hinaus, so mitgenommen, daß ein Diener
sie draußen besorgt nach ihrem Ergehen fragt, so mitgenommen, daß ihr auf der Treppe sogar sein Absage¬
brief entgleitet, den sie drinnen krampfhait umfaßt hielt. Ein Herr hebt ihr ihn auf und geht weiter: Vel¬
ten! Zwei Menschen, so innig durch ein gemeinsames Leid verknüpft, die doch voneinander nichts ahnen.
Und auch in Veltens Zügen hat sich die Verzweiflung eingeprägt: er hat sich eben davon vergewissert, daß
seine Frau nachmittags bei Fritz war. Der alte Weyring tröstet sein Kind, so gut es geht, über die Ent¬
täuschung hinweg. Junge Leute hätten eben gesellschaffliche Verpflichtungen, denen sie nicht entrinnen können,
und Christine, die leicht zu fröstende, glaubt ihm und ist wieder ruhig.
Als Velten tags darauf seine Frau nicht in der Wohnung findet, eilt er zu Fritz und dringt trotz der Ab¬
wehr des alten Dieners in die Wohnung ein. Er findet sie leer, aber ein Teetisch, für zwei Personen ge¬
deckt, zeugt von angeregter Stimmung, die hier vor kurzem geherrscht hat, die Kissen der Chaiselongue
sind zerwühlt, und zwischen ihnen findet er die abgerissene Hälfte einer Ansteckblume: Orchideen, die
Lieblingsblumen seiner Frau! Daheim, als sie kommt, an ihrer Schulter sieht er die fehlende Hälfte, und
Doris gesteht. Er weiß, was ihm zu tun bleibl.
Am selben Abend ist Christine mit Mizzi und Theodor zu Fritz gekommen, sie wollten ein lustiges
Picknick feiern, doch Fritz ist gedrückter Stimmung: sein Diener hat ihm Veltens Besuch berichtet,
und er weiß nun, was ihm bevorsteht. „Nicht fragen!“ sagt er müde zu Christine, als diese
ihn schüchtern über die Dame von gestern abend ausforschen will, und sie ist gehorsam und
schweigt. Mitten in das nur scheinbar so fröhliche Beisammensein schrillt die Klingel, kaum
haf Fritz Zeit, die drei in ein Nebenzimmer zu schaffen, da tritt auch schon Velten ein, ##n
Rechenschaft zu fordern. Ein Duell ist die Folge dieses Besuches, und vergeblich wartet Christine
am nächsten Tage am Rendezvousplatz auf den Geliebten, er hat mit Theodor die Sekundanten
seines Gegners zu erwarten. Nach Erledigung dieser Formalitäten sucht er Christine doch
in ihrer Wohnung auf. Es ist das erste Mal, daß er zu ihr geht, und — er fühlt
es — auch das letzte Mal! Schwer ist der Abschied, er kann sich von Christine
kaum losreißen, und als er gegangen ist, weiß er: hier wäre sein Glück gewesen!
Sie war nicht nur eine Liebelei für ihn. Zu spät! Für die andere,
für die er eine Liebelei war, wird er sterben. Der leichtsinnige Melancholiker
hat sich wieder einmal zu spät erkannt.
Christine sagte er, er müsse für zwei Tage zu seinen Eltern auf das
Guf fahren. So kommt sie, die noch immer nichts ahnt, nach zwei
Tagen in seine Wohnung, um sie zum Empfang mit Blumen
Veltens
zu schmücken, und findet ihn aufgebahrt, tot.
Kugel hat ihn dahingerafft. An der Bahre sinkt sie
zusammen, und nur mit Mühe kann sie der Vater heimbrin¬
gen. Daheim bittet sie ihn noch einmal zu spielen,
und während er leise das Cello streicht, sinkt
sie sanft zurück. In einem unbewachten Augen¬
blick hat sie Gift genommen. So ist sie mit
Fritz vereint, und wieder einmal kann der
Vorhang über eine von Schnitzlers bürgerlichen
Tragödien fallen.
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