II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 1566

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5. Ziebelei
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DIE PROBEZEIT DES BURGTHEATER-DIRECTORS. 503
gezerrt und wiederum einmüthig abgelehnt. Auch das eigenthümliche
Bearbeitertalent des neuen Directors, fünf Shakespeare-Acte in einen
Act zusammenzuziehen, fand wenig Gefallen; Die Komödie der Irrungene
musste bald wieder vom Spielplan abgesetzt werden, umso eher, als auch
der Shakespeare'sche Lustspielton in der Gesammtdarstellung fehlte.-Der
letzte Briefs und ähnliche verstaubte ehemalige Repertoirestücke wurden
neu insceniert und theilweise neubesetzt. Nach keiner Richtung hin zeigte
sich eine glückliche Hand. Ebenso wenig in der Heranziehung neuer Dar¬
steller. Fräulein Haeberle, eine noch gänzlich individualitätslose Anfängerin,
Herr Frank, ein dilettantischer Liebhaber, ein Herr Muratori, von dem man
nicht weiss, was man sich von ihm merken könnte, sollen das Ensemble
ergänzen! Ein alternder Komiker, Herr Engels, von unaustilgbarer
Berliner Localfarbe, hätte um eine Riesengage die paar norddeutschen
Fremden, die etwa hieher kommen, ins Burgtheater locken sollen.
Nach all dem müsste es als Zufall gelten, wenn es Herrn Ochlenther
in den letzten vierzehn Tagen der Saison noch gelingen sollte, einen
acceptablen Gast zu acquirieren. Auguste Baudius, die wieder gewonnen
wurde, ist bisher in keiner ihrer Individualität entsprechenden Rolle
hinausgestellt worden, obwohl hiefür hinlänglich Gelegenheit gewesen
wäre. Von einer richtigeren Verwendung der heimischen Kräfte, als
bisher, war ebenfalls keine Spur. Selbst der gute Ruf, den Herr
Schlenther in Berlin als theoretischer Sachverständiger der modernen
Literatur besass, gieng hier in der Praxis in Trümmer. Niemals noch
wurde in Wien ein lbsen-Stück so gänzlich unverständlich dargestellt,
wie Baumeister Solness.
Die Monotonie des Repertoires blieb stationär.
Anstatt dass, wie es natürlich gewesen wäre, die Neugierde des
Publicums, die Leistungen einer neuen Direction zu verfolgen, das Theater
gefüllt hätte, stellte sich eine immer grössere Theilnahmslosigkeit ein.
Das Deficit wuchs.
Für die nächste Saison ist nicht im geringsten vorgearbeitet.
Die Stücke, die Herr Schlenther erworben haben soll,Agnes Jordan¬
von Georg Hirschfeld und „Cyrano de Bergerace von Rostand, sind
schon seit geraumer Zeit in Berlin und aris aufgeführt worden. Bei
uns mangelten die geeigneten Schauspieler. Nach den bisherigen Gästen
zu schliessen, dürfte die richtige Besetzung auch im Herbste nicht zu
erwarten sein.
Herrn Schlenther wird die Ausserung zugeschrieben, er werde
das Burgtheater im Geiste seines Amtsvorgängers leiten. Man hielt
dies nur für eine Höflichkeitsphrase. Nun zeigt es sich, dass er es
ernst gemeint; es blieb alles beim Alten, nur die Personen wechselten.
In seiner Antrittsrede theilte sich der neue Director die Rolle des
Horatio zu, der er dem Burgtheater sein wolle. Es war insofern ein
glücklich gewähltes Bild, als das publicumverlassene Burgtheater da¬
mals in der That Sein oder Nichtseine monologisiert haben mochte.
Nun erscheint das Bild doppelt zutreffend, da das Burgtheater dem