II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 1565


elei
. Aleheaan
box 13/8
DIE PROBEZEIT DES BURGTHEATER-DIRECTORS.
Von F. SCHIK (Wien).
Seit vielen Jahren haben die Besucher des Burgtheaters keine
Vorstellung mehr verlassen, ohne das unbehagliche Gefühl mit
nachhause zu nehmen, dass etwas faul sei in diesem-einst blühenden
Theaterstaate. Und so rapid offenbarte sich dessen Niedergang, dass
es keinem Zweifel unterliegen konnte, dass die Männer, die man zur
Sanierung berufen, gerade das Gegentheil bewirkten.
Nun steht das Burgtheater, welches weit über unser Vaterland
hinaus so lange tonangebend gewesen, hart an der Grenze, wo ein
Kunstinstitut aufhört, ersten Ranges zu sein und in die Reihe derjenigen
zweiter Güte zu sinken beginnt. Man ist knapp vor die Frage gestellt,
ob die massgebenden Factoren noch den Wunsch hegen, das her¬
gebrachte Ansehen des Burgtheaters aufrechtzuerhalten oder ob sie
es auf ein Hoftheater schlechtweg, mit Verzicht auf künstlerischen
Ehrgeiz, einschränken wollen. Es drängt zur Entscheidung, zumal die
Probezeit des provisorischen neuen Directors bald um ist.
Die Novitäten, die Director Schlenther zur Aufführung brachte,
zeugten von schlechtem oder veraltetem Kunstgeschmacke, die neuen
Schauspieler, die er gastieren liess, erwiesen sich als gänzlich untauglich
oder nicht preiswürdig, und stellten seinem Theaterblick ein übles
Zeugnis aus. Die Neuinscenierungen betrafen Stücke, die theils im
Laufe der Zeit jede Lebensfähigkeit verloren hatten, theils solche, die
durch Unkenntnis in der Regieführung und falsche Rollenbesetzung
noch schlachter herauskamen, als dies bisher der Fall war.
Während der ersten Wochen sass Herr Schlenther thatenlos in
seiner Loge, um die Mängel der Aufführungen zu studieren, die das
hiesige Publicum schon seit Jahren kannte. Dann wollte er mit einem
Ruck Vertrauen in seine Leitung einflössen und sich als Kenner des
Wiener Lebens ausspielen — er brachte das angebliche Wiener¬
Milieu-Stück -Neigunge von David zur Aufführung, mit Lewinsky als
Urwiener. Eine einmüthige Ablehnung erfolgte; das Stück war schon
von der Direction des Deutschen Volkstheaters nicht angenommen
worden und passte noch viel weniger für das Burgtheater. Ein anti¬
quiertes Erstlingswerk Björnson’s wurde als Novität aufgetischt, nur ge¬
eignet eine falsche Vorstellung von der jetzigen Entwicklungestufe des
gereiften Dichters zu geben. Noch dazu war die Besetzung der Liebhaber¬
rolle durch Herrn Devrient ein das Stück gänzlich in den Grund bohrender
Fehler. Das seichte Machwerk Bernstein's -Mädchentraume, das bereits
in Deutschland Durchfälle erlitten, wurde ohne Noth auf die Bühne