II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 1588

Liebelei
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Streiflichter.
Die Schule der Unzucht.
Wir haben schon öfter auf die Feuillelons
Brociner's im „Wr. Tagblatt“ hingewiesen,
vie eine direkte Schule der Unzecht darstellen. Am
gestrigen Sonntag ladet er die „überzähligen
Mädchen“ in seinen Curs ein. Er beantwortet den .—
p Brief eines solchen „überzähligen“, d. h. sitzen=—
Porto.
gebliebenen Mädchens, das ein Buc# von Max,
Zahlbar
Stirner gelesen und darüber den Herzensfrieden —] im Voraus
verloren hat, mit Rathschlägen, die geradezu
#sschnitte ist das
empörend sind. Das betreffende Capitel im Buche uch steht es den
Max Stirner's gipfelte nämlich in dem Schlußsatze: andern.
Ab
Abe
„O Lais, o Ninon (bekannte öffentliche Dirnen),
wie thatet ihr wohl, die bleiche Tugend (in ihr kug entnaltend die
Schicksal ergehener, sich rein bewahrender älterer Jung=hner Morgen¬
frauen) zu verschmähen! Eine freie Grisette gegen Wiener Zeitung")
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#tausende in der Tugend grau gewordene Jungfern!“ Ithschaftliche Leh¬““
Und was antwortet nun Marceo Brociner auf Diese M..
de die Frage der Briefstellerin, ob Max Stirner damit
Recht hat? Er antwortet, das stimmevöllig damit.
dem überein, was in Arthur Schnitzler's „Liebelei“
der alte Musikus seiner Tochter Christine räth,
und dies auch sofort thut: „Sie liebelt un¬
bedenk ich und sichert sich in ihrer
Weise hren Antheil am Liebesglück!“
Das stimme — antwortet Brociner — auch mit
Paul Heyse, der gar viele alte, überzählige
Mädchen vorführe, „die sich ihr eigenes Sitten¬
gesetz prägen, die der bürgerlichen Moral
mit vollem Pewußtsein ein Schnippchen
schlagen, die mit tapferem Trotz ihr Glück (!)
rn, ohne danach zu fragen, ob es den gesell¬
lich anerkannten Stempel der Legitimität
aufweist!“ Dennoch will Brociner „nicht schlank¬
weg bejahen“, und den überzähligen=Mädchen
den Rath geben, „das Leber ohne sittliche Bedenken
aus dem Vollenzu genießen“. Aber „einkatego¬
risches Nein will uns“, schreibt er „nicht
aus der Feder schlüpfen“. Aber er constatirt, daß
die „Ueberzähligen“ des Proletariats ohnehin
„ohne viel zu fackeln, ihren Glücksantheil am
Leben sich selber nehmen“, und daß die „über¬
zähligen Mädchen“ in den besitzenden Classen
allerdings zum Theil sich in Ergebenheit in ihren
Schmerz fügen, daß die meisten aber in die
Kategorie der verbitterten alten Jungfern gehören,
und nur ab und zu eine es macht wie die üher¬
zählige Proletarierin. In letztem Falle werde,
sagt Brociner, das Herz gar oft ein frei¬
sprechendes Urtheil fällen. Und, dann schließt
Brociner also:
„Wenn übrigens so eine Ueberzählige die Kraft hätte,
sich zu einer großen Welkanschauung emporzu¬
schwingen so möchte ich ihr empfehlen, sich in die nach¬
folgende Betrachtung zu versenken, die Alexander
Humboldt als Greis von 80 Jahren niederschrieb:
„Es ist meine Ueberzeugung, daß derjenige ein Narr,
noch mehr ein Sünder ist, der das Joch der Ehe
auf sich nimmt. Ein Narr, weil er seine Freiheit
damit von sich wirf:, ohne eine entsprechende
Entschädigung zu gewinnen; ein Sünder, weil er
Kindern das Leben gibt, ohne ihnen die Gewißheit des
Glückes geben zu können. Das ganze Leben ist der
größte 'nsinn! Und wenn man 80 Jahre strebt und
forscht, so muß man sich doch endlich gestehen, daß man
nichts erstrebt, nichts erforscht hat. Wüßten wir wenig¬
stens, warum wir auf dieser Welt sind. Aber Alles ist
und bleibt dem Denker räthselhaft und das größte
Glück ist noch das, als Flachkopf geboren
zu sein“
Das ist die „große Weltanschaung“, welche
Marco Brociner den Ueberzähligen empfiehlt als
Trost! „Die Ehe ist Narrheit und Sünde, das
Leben ein Unsinn, das größte Glück als Flach¬
kopf geboren zu sein!“ Es ist dann freilich bei
solcher Weltanschauung den „Ueberzähligen" Alles
erlaubt und das ist die „Moral“, die Marco
Brociner in seiner „Schule der Unzucht“ lehrt!
Die Judenpresse ein Volksgift! Wer kann es
Jenqnen 21