II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 1587

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Alex. Weigl’s Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
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„OBSERTER Nr. 29
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Ausschnitt aus:
Reichepest
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Streiflichter.
Die Schule der Unzucht.
Wir haben schon öfter auf die Feuilletons
Brociner's im „Wr. Tagblatt“ hingewiesen,
die eine direkte Schule der Unzucht darstellen. Am
gestrigen Sonntag ladet er die „überzähligen
Mädchen“ in seinen Curs ein. Er beantwortet den.
inclusive
r Brief eines solchen „überzähligen“, d. h. sitzen= —
Porto.
gebliebenen Mädchens, das ein Buch von Max
Zahlbar
Stirner gelesen und darüber den Herzensfrieden .— im Voraus.
verloren hat, mit Rathschlägen, die geradezu
bsschnitte ist das
empörend sind. Das betreffende Capitel im Buche sguch steht es den
Max Stirner's gipfelte nämlich in dem Schlußsatze: zu ändern.
Abt
Abe
„O Lais, o Ninon (bekannte öffentliche Dirnen),
wie thatet ihr wohl, die bleiche Tugend (in ihr gug enthaltend die
Schicksal ergebener, sich rein bewahrender älterer Jung=hner Morgen¬
Infrauen) zu verschmähen! Eine freie Grisette gegen! „Wiener Zeitung“)

#tausende in der Tugend grau gewordene Jungfern: Ithschaftliche Leh¬
Wo
Und was antwortet nun Marco Brociner auf Diese-N.
de die Frage der Briefstellerin, ob Max Stirner damit
Recht hat? Er antwortet, das stimmevöllig damit
dem überein, was in Arthur Schnitzler's „Liebelei“
der alte Musikus seiner Tochter Christine räth,
und diese auch sofort thut: „Sie liebelt un¬
bedenklich und sichert sich in ihrer!
Weise ihren Antheil am Liebesglück!“
Das stimme — antwortet Brociner — auch mit
Paul Heyse, der gar viele alte, überzählige
Mädchen vorführe, „die sich ihr eigenes Sitten¬
gesetz prägen, die der bürgerlichen Moral!
mit vollem Bewußtsein ein Schnippchen
schlagen, die mit tapferem Trotz ihr Glück (!)
erobern, ohne danach zu fragen, ob es den gesell¬
schaftlich anerkannten Stempel der Legitimität
aufweist!“ Dennoch will Brociner „nicht schlank¬
weg bejahen“, und den überzähligen Mädchen
den Rath geben, „das Leben ohne sittliche Bedenken,
aus dem Vollenzu genießen“. Aber „einkatego¬
risches Nein will uns“, schreibt er „nicht
aus der Feder schlüpfen“. Aber er constatirt, daß
die „Ueberzähligen“ des Proletariats ohnehin
„ohne viel zu fackeln, ihren Glücksantheil am
Leben sich selber nehmen“, und daß die „über¬
zähligen Mädchen“ in den besitzenden Classen
allerdings zum Theil sich in Ergebenheit in ihren
Schmerz fügen, daß die meisten aber in die
Kategorie der verbitterten alten Jungfern gehören,
und nur ab und zu eine es macht wie die über¬
zählige Proletarierin. In letztem Falle werde,
sagt Brociner, das Herz gar oft ein frei¬
sprechendes Urtheil fällen! Und dann schließt
Brociner also:
„Wenn übrigens so eine Ueberzählige die Kraft hätte,
sich zu einer großen Weltanschauung emporzu¬
schwingen so möchte ich ihr empfehlen, sich in die nach¬
folgende Betrachtung zu versenken, die Alexander
Humboldt als Greis von 80 Jahren niederschrieb:
„Es ist meine Ueberzeugung, daß derjenige ein Narr,
noch mehr ein Sünder ist, der das Joch der Ehe
auf sich nimmt. Ein Narr, weil er seine Freiheit¬
damit von sich wirft, ohne eine entsprechende