Liebe
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L#selei
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1
Feuilleton.
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—
Se
J. Dauid.
Von Julius Ludassy.
Seit einem Jahre ruht der Wiener Dichter J. J.
David im Grabe. Und nun erscheinen seine Werke in einer
Gesammtausgabe. Das ist eine Ehre, die nur wenigen
unter den modernen Oesterreichern zutheil wird. Der humor¬
volle und seinsinnige Eduard Pötzl gehört zu diesen Aus¬
erlesenen, auch die treffliche delle Grazie. Sonst wüßte ich
so
Niemand..... „Und es verdiente es auch Keiner!“
riefe David mit seiner eintönig knarrenden Stimme da¬
zwischen, wäre es ihm noch vergönnt, das Buch, das er
so heiß ersehnt hat, mit den abgezehrten Händen zu
streicheln. „Nein, Keiner!“ hätte er, wie zu sich selbst mur¬
melnd, beigefügt. Dann hätte er den hochstirnigen Kopf
trotzig und eigenwillig sinken lassen, wie das seine Art
war, und hätte gedankenvoll mit dem dünnen blonden
Barte gespielt.
Er war ein merkwürdiger Mensch von geschlossener
Eigenart, die bis zum Wunderlichen ging. Das Bildniß,
in dem Alma Hillischer seine Züge festhält, kommt seiner
Individualität in vieler Hinsicht nahe. Ja, so hat er aus¬
gesehen, als die Krankheit ihn schon zerstört, als die Nähe
des. Todes sein Wesen schon verklärt hatte. Aber die über¬
wachen, fast däi onischen Augen, die so gierig in das Le¬
ben schauen, und das milde, verzeihende Lächeln, von
dem die Künstlerin in gar geschickten Strichen erzählt, habe
ich an ihm nicht gekannt. Auch nicht, als ich das letzte
Mal an einem hellen Frühsommertage in seiner Stube
war. Es war ein Abschied, der mir unvergeßlich bleiben
wird. Ein halbes Stündchen saß ich an seinem Bette und
plauderte mit ihm. Immer seltsamer wurde mir dabei zu
Muthe. Denn der Sieche, der da, ein morscher Stamm,
den der Sturm gefällt hat, vor mir lag, glich in nichts
dem knorrigen, ungefügen und wuchtigen Gesellen, dem ich
im Laufe von mehr denn zwanzig Jahren bald näher,
bald ferner gestanden hatte. Alles Irdische, alles Allzu¬
menschliche hatte das Leid von ihm abgestreift, von aller
trüben Schlacke hatte der Schmerz ihn befreit, als wollte
er dem Tode gönnen, nur die edelste Reife hinzumähen.
Als ich mich endlich anschickte, meinen Besuch zu beenden,
legte er mir seinen alten Lieblingswunsch wieder ans Herz.
Ich sollte einmal in einem größeren Essay seine dichterische weit — viel weiter als für ein
nöthig ist. Auf der Schwelle sta
Entwicklung schildern, sollte ihn würdigen. Ich hätte ja
der durch seine Brille gar zo
sein Werden und Wachsen verfolgt — auch sei ich einer
focht uns nur wenig an, und
der Wenigen, die sein Wesen und seine Natur verstünden.
geneigt, meine Vermummung
Wir haben oft über eine solche Arbeit gesprochen, wenn
Fremde denn verdrießlich näher.
wir nach einem Mahle in befreundetem Kreise miteinander
hagere und derbe Gestalt, die
Nachts durch die öden, hallenden Straßen der Stadt schrit¬
leicht nicht ganz unabsichtlichen
ten. Es ist aber nie etwas daraus geworden. Aus kurio¬
len ließ. Wir wurden einander
sen Gründen. Ich möchte David nur loben. Es will mir
leibliche Vetter der Hausfrau.
aber nie gelingen, die Einwände, die ich gegen ihn auf
Student wie er im Büche
dem Herzen habe, ganz zurückzudrängen. So wollte ich
Lektionen zu geben und Ged
ihm gerecht werden und finde doch die Distanz nicht, um
schob er einen Stuhl herbei.
seine Gestalt mie kühlem Urtheile zu umfassen. Wäre es
mir auch gegeben, sein Antlitz so auf die Leinwand zu 4 auch ihm mit vieler Grazie
bannen, wie er es immer von mir zu verlangen pflegte, Inzwischen wurde ihm erz
eines hervorragenden Wien
ich fühle mich doch nicht unbesangen genug, es auch
teuerdin
Das ärgerte
zu malen, daß es meinen Wünschen entspreche. Mir ist,
als versündigte ich mich de Wahrheit, wenn ich nicht
geneigt we
Alles sage, was ich über Lavin denke. Und ich scheine
weil er
Studi
#nir sein Grab zu entweihen, wenn ich an die dämme¬
mir
rigen usanenhänge rühre, die das sebendige Leben mit
dem Träume der Dichtung verbinden.
sei
Ich habe David auf ungewöhnliche An seune
se
lernt. Es war an einem Winternachmittage. Ich saß
Dr. Rudolf Lothar bei einer geistvollen Dame, die
die Gattin des Schriftstellers ist.
tranken Thee und
lachten. Worüber? Ich weiß es nicht mehr. Wir waren
drei junge Menschen und freuten ans ## heinlich dar¬
daß die
über, daß wir im Lenze unseres Lebens
Gegenwart mit heiterem Antlitze an
#rnntrat, daß
er. „Ein
die Zukunft so sonnig vor uns lag. Und so geschah es,
Literatür i
daß wit, obschon nicht ein Tröpfchen berauschenden Ge¬
„Sie
tränkes auf dem Tische stand, bald in eine fröhliche Stim¬
ändert nichts
mung geriethen. Sie wurde sehr durch den Umstand ge¬
mann und Imme
sicherlich mit Keinem von ihnen
fördert, daß die Kammerzose mit einem seidenen Schlaf¬
wird durch diese Beispiele deutl
rocke auf dem Arm eintrat und ihrer Herrin mittheilte,
die Schneiderin sende das bestellte Kleidungsstück. Lothark
irrig ist.“
„Sie sollten sich das Leh
fand alsbald, es sei sehr wichtig zu wissen, wie ich mich
in dem Spitzenschlafrock ausnehme. Und ehe ich mich
geschichtlichen Kenntnisse zurückg
Nun ging ich in die Offen
dessen noch erwehren konnte, hatte mir der Bösewicht das
„Was studiren Sie?“ fragte
Gewand über die Schultern geworfen. Ich machte güten
„Ich bin Germanist,“ brum
Miene zum bösen Scherze und spielte munter die Fraus
des Hauses, indem ich dem übermüthigen Paare mit allem
„Schade!“ meinte ich.
Aufwande weiblichen Anstandes, über den ich gebot, die Dichtern gibt es gar keinen
Tassen füllte. In diesem Augenblicke öffnete sich die Thüre Gustav Freytag.“
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J. Dauid.
Von Julius Ludassy.
Seit einem Jahre ruht der Wiener Dichter J. J.
David im Grabe. Und nun erscheinen seine Werke in einer
Gesammtausgabe. Das ist eine Ehre, die nur wenigen
unter den modernen Oesterreichern zutheil wird. Der humor¬
volle und seinsinnige Eduard Pötzl gehört zu diesen Aus¬
erlesenen, auch die treffliche delle Grazie. Sonst wüßte ich
so
Niemand..... „Und es verdiente es auch Keiner!“
riefe David mit seiner eintönig knarrenden Stimme da¬
zwischen, wäre es ihm noch vergönnt, das Buch, das er
so heiß ersehnt hat, mit den abgezehrten Händen zu
streicheln. „Nein, Keiner!“ hätte er, wie zu sich selbst mur¬
melnd, beigefügt. Dann hätte er den hochstirnigen Kopf
trotzig und eigenwillig sinken lassen, wie das seine Art
war, und hätte gedankenvoll mit dem dünnen blonden
Barte gespielt.
Er war ein merkwürdiger Mensch von geschlossener
Eigenart, die bis zum Wunderlichen ging. Das Bildniß,
in dem Alma Hillischer seine Züge festhält, kommt seiner
Individualität in vieler Hinsicht nahe. Ja, so hat er aus¬
gesehen, als die Krankheit ihn schon zerstört, als die Nähe
des. Todes sein Wesen schon verklärt hatte. Aber die über¬
wachen, fast däi onischen Augen, die so gierig in das Le¬
ben schauen, und das milde, verzeihende Lächeln, von
dem die Künstlerin in gar geschickten Strichen erzählt, habe
ich an ihm nicht gekannt. Auch nicht, als ich das letzte
Mal an einem hellen Frühsommertage in seiner Stube
war. Es war ein Abschied, der mir unvergeßlich bleiben
wird. Ein halbes Stündchen saß ich an seinem Bette und
plauderte mit ihm. Immer seltsamer wurde mir dabei zu
Muthe. Denn der Sieche, der da, ein morscher Stamm,
den der Sturm gefällt hat, vor mir lag, glich in nichts
dem knorrigen, ungefügen und wuchtigen Gesellen, dem ich
im Laufe von mehr denn zwanzig Jahren bald näher,
bald ferner gestanden hatte. Alles Irdische, alles Allzu¬
menschliche hatte das Leid von ihm abgestreift, von aller
trüben Schlacke hatte der Schmerz ihn befreit, als wollte
er dem Tode gönnen, nur die edelste Reife hinzumähen.
Als ich mich endlich anschickte, meinen Besuch zu beenden,
legte er mir seinen alten Lieblingswunsch wieder ans Herz.
Ich sollte einmal in einem größeren Essay seine dichterische weit — viel weiter als für ein
nöthig ist. Auf der Schwelle sta
Entwicklung schildern, sollte ihn würdigen. Ich hätte ja
der durch seine Brille gar zo
sein Werden und Wachsen verfolgt — auch sei ich einer
focht uns nur wenig an, und
der Wenigen, die sein Wesen und seine Natur verstünden.
geneigt, meine Vermummung
Wir haben oft über eine solche Arbeit gesprochen, wenn
Fremde denn verdrießlich näher.
wir nach einem Mahle in befreundetem Kreise miteinander
hagere und derbe Gestalt, die
Nachts durch die öden, hallenden Straßen der Stadt schrit¬
leicht nicht ganz unabsichtlichen
ten. Es ist aber nie etwas daraus geworden. Aus kurio¬
len ließ. Wir wurden einander
sen Gründen. Ich möchte David nur loben. Es will mir
leibliche Vetter der Hausfrau.
aber nie gelingen, die Einwände, die ich gegen ihn auf
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dem Herzen habe, ganz zurückzudrängen. So wollte ich
Lektionen zu geben und Ged
ihm gerecht werden und finde doch die Distanz nicht, um
schob er einen Stuhl herbei.
seine Gestalt mie kühlem Urtheile zu umfassen. Wäre es
mir auch gegeben, sein Antlitz so auf die Leinwand zu 4 auch ihm mit vieler Grazie
bannen, wie er es immer von mir zu verlangen pflegte, Inzwischen wurde ihm erz
eines hervorragenden Wien
ich fühle mich doch nicht unbesangen genug, es auch
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Das ärgerte
zu malen, daß es meinen Wünschen entspreche. Mir ist,
als versündigte ich mich de Wahrheit, wenn ich nicht
geneigt we
Alles sage, was ich über Lavin denke. Und ich scheine
weil er
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mir
rigen usanenhänge rühre, die das sebendige Leben mit
dem Träume der Dichtung verbinden.
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Ich habe David auf ungewöhnliche An seune
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Dr. Rudolf Lothar bei einer geistvollen Dame, die
die Gattin des Schriftstellers ist.
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die Zukunft so sonnig vor uns lag. Und so geschah es,
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tränkes auf dem Tische stand, bald in eine fröhliche Stim¬
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die Schneiderin sende das bestellte Kleidungsstück. Lothark
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„Sie sollten sich das Leh
fand alsbald, es sei sehr wichtig zu wissen, wie ich mich
in dem Spitzenschlafrock ausnehme. Und ehe ich mich
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Nun ging ich in die Offen
dessen noch erwehren konnte, hatte mir der Bösewicht das
„Was studiren Sie?“ fragte
Gewand über die Schultern geworfen. Ich machte güten
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Miene zum bösen Scherze und spielte munter die Fraus
des Hauses, indem ich dem übermüthigen Paare mit allem
„Schade!“ meinte ich.
Aufwande weiblichen Anstandes, über den ich gebot, die Dichtern gibt es gar keinen
Tassen füllte. In diesem Augenblicke öffnete sich die Thüre Gustav Freytag.“
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