II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 1622

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brach sichtlich! im Eisenbahnkoupee gegenübersitzt, der seine Veine,
von Anfang bis zu Ende gegessen wird; in denen
wo.f nur die
nicht ruhig halten kann. Jetzt hat er den Nachbar
kein Wort anders als mit vollen Backen gesprochen
igen, daß der
zur Linken getreten — letzt den Nachbar zur Rech¬
wird. In Kissingen kannst Du jedes Jahr Dutzende
I rieche. Ein
teu — nu wird doch auch bald der Tritt gegen un¬
von modernen Mimen mit total verkorckstem Magen
en konnte, da
ssere Hosenbeine komnen. Man sitzt
wenn
herumlaufen sehen. Warum? Ich will Dir's
#r, wir einen
ich so sagen darf — mi erwartungsvollen Schien¬
sagen: Erster Akt — Kaffee mit Kuchen; zweiter
n. Nicht nur
beinen da. Was dann geschieht, pflegt Sache des
Akt — Wurst, Brot, Vier, Braten; dritter Akt —
ung, sondern
Temperaments zu sein. Einige treten wieder.
Schnaps; vierter Alt — Sekt, Austern, Huhn resv.
gethieren nur
Einige steigen an der nächsten Station um. An¬
die seine Stelle vertretende Bisquittäuschung: fünf¬
— das Pferd
dere putzen ruhig das Hosenbein ab und lesen wei¬
ter Akt — Gift. Das halte der Teufel aus! Und
nAutomobile
ter in ihrem Engelhorn. Wie gesagt, es ist Tem¬
die Wirkung auf das Publikum? Ekelhaft! Ent¬
hre des homo
peramentssache.
weder man hat vor dem Theater gegessen und sitzt
Und zudem, ich fühle mich schuldig. Auch ich
satt in seinem Parlettfessel, so erzeugt diese vor den
egte mir, ob
hatte hier und da einem der braven Männer, die
Augen sich abspielende fortgesetzte Esserei Mißbe¬
mit „Dramatischem“ handeln, wie andere brabe !
ar, um mich
hagen und Ueberdruß. Oder man hat nicht ge¬
Inenmon übel
Männer mit Holländer Käse oder täglich frischen
gessen, so fangen die Gedärme an zu revoltiren,
karpinsel am
Trinkeiern, den Titel „Herr“ gegeben, eine An¬
das Hungergefühl wird wild und unerträglich. Ich
rede, in der Sudermann den entsetzlichen Hohn ent¬
vahrscheinlich.
habe einen Freund und Kollegen, der mir gestanden
menschter Henkersknechte heraushört; auch ich hatte
hat: er hat noch von keinem modernen Stück
dem Einen oder dem Anderen, der jede Gelegenheit
r Ichneumon
den letzten Akt gesehen. Von Keinem! Spätestens
benutzt, um mit seinen Tantiemen zu protzen und
eine Krallen
im dritten Akt hat ihm das ewige Gefutter da vorn
der die Muse vergewaltigt, sobald er im Jen das
einen solchen Appetit gemacht, daß er schleunigst
Seinige verloren, den Oelkranz versagt; auch ich
wieder ein.
zum Abendessen geht.“
hatte aus Liebe zu den Großen, und Achlung für
die eines Ich¬
„Das könnte man ja —
die Ehrlichen den kleinen Machern zuweilen auf ihre
„Als Kur gebrauchen? Wird auch. Ich bin
flinken haarigen Händchen geklopft, wenn sie an¬
nickte Ado¬
befreundet mit einem Spezialarzt für Magenkrank¬
fangen zu zaubern: Ich nehme also hier einen
zurückziehen
heiten im Westen. Der Kerl ist erst fünf Jahre in
Lappen, in den sich schon drei Generationen ge¬
Berlin und hat einen Zulauf, wie der Schäfer Ast.
schnenzt haben, geflickt und schmutzig, wie Sie
nd kam ohne
Und Bombenerfolge. Er hat mir einmal seinen
sehen, meine Herrschaften — und ich sage hocus
in der That
Trie in einer feuchten Stunde verrathen. Er ver¬
pocus — dialocus — und Sie werden sofort
sch Wunsch zu
schreibt seinen Patienten ganz harmloses Zeug —
ein wundervolles Kunstwerk— Gold und Elfen¬
Lakritzwasser und so was Schönes. Und „neben¬
bein — aus dem Lappen kommen sehen — und
bei“
Ichneumon.
- bitte die Nuance zu bemerken — nebenbei
Alles ohne Präparation, ohne doppelten Boden...
nlange ver¬
räth er ihnen, ein Abonnement im „Deutschen
„Ich werde dagegen schreiben“, sagte Adolar.
heraus
Theater“ zu nehmen. Er dringt sogar darauf.
„Polemisch?“
mehr
Nach ganz kurzer Zeit haben die Leute Abends
„Sachlich. Du weißt, ich habe keinen Grund
einen Hunger — unter uns: Munddiebstähle
mich aufsuregen. Meine Kritiken kann er nicht
iders
sollen schon vorgekommen sein in den Korri¬
gemeint haben —
hat
deren in der Schumannstraße.“
Weil er sie gewiß so wenig gelesen hat, wie
der
„Na, erlaube mal, aber jeht
Monna
ich, dachte ich bei mir.
an
Banna ... die ausgehungerte Stadt ... und
ies¬
„Deshalb bin ich, so scheint mir, der Be¬
kein Bissen wird gegessen darin.“
rufene.“
schied
„Aber, Kurzsichtiger, vom Essen geredet
Aus irgend einem Grunde schien ihm das
wird doch in einem fort. Von nichts Anderem wird
immer so.
geredet. Und der Haupteffekt ist: daß beim zwei¬
„Ich werde mich auch nicht zum Vertheidiger
Adolar
ten Aktschluß Hunderte von Wagen des Verräthers
der Kollegen aufwerfen. Ich werde ihm vielmehr
ewohnheit
Prineivalli in die vor Hunger fiebernde Stadt
auf anderem Boden begegnen.“
Rauchtisch
fahren mit Fleisch, mit Obst, mit Gemüse. Min¬
Adolar machte eine Kunstpause, in der er
und mit den
destens zwanzig Patienten meines Doktors sind!
meine Rauchutensilien zum siebenten oder achten
jeden Abend in Monna Vanna.“
räthselhaften
Male aufmerksam überzählte. Das Resultat schien
„Es ist wahr", bestätige ich mich besinnend,
nicht von den früheren Ergebnissen abzuweichen.
ürdiges In¬
„ich habe nach der Première zweimal Huhn mit
1 Er nickte befriedigt mit dem Kopf und fuhr fort:
Reis gegessen.“
binnen. Su¬
„Ich werde meinen Aufsatz, oder besser, die
war das?
„Siehst Du wohl!“ triumphirte Adolar. „Aber
Serie meiner Artikel nennen: Die Verrohung in
sch kaum zu¬
zu Wichtigerm. Früher ließ man die eigene Zeit,
der Dramatik.“
die eigene Umgebung in Ruhe. Ein Prinz von
„Ach! Und was wirst Du darin sagen?“
n?“
Dänemark, ein Prinz von Guastalla — schön, sie
forschte
„Viel und sehr Merkwürdiges.“
interessiren uns; aber sie stehen uns doch räumlich
mit
leise be¬
„Ich bin überzeugt.“
und zeitlich eben fern genug. Wir können bei
n Zündholz=
„Ich werde zunächst die Erniedrigung berüh¬
Shakespeare bis zu siebzehn Leichen an einem
men: „Eins,
ren, zu der die dramatische Kunst bei Wahl der
Abend sehn. Denn ihre Körver sind in farbigen
fünf —
Stimmungsmittel gelangt ist. Ein Beispiel: Es
Sammt und bunte Seide gekleidet, in Gewänder,
g in der
wurde auch im klassischen Drama wohl mal ein
gt?
die unsere Zeit nicht kennt. Wir wissen, daß diese
Becher gereicht. Aber er war dann von Gold und
Zeit längst todt ist, und wenn nun auf der Bühne
jener merk¬
man erfuhr, daß er mit edelstem Weine gefüllt
die Menschen sterben, so geschieht ihnen nichts
man sich be¬
war. Heute — regiert die Kaffeekanne, der Milch¬
Neues, nichts Unvermuthetes. Aber im modernen
rvösen Mann 1 topf, die Zuckerdose. Ich kenne Stücke, in denen! Stück?! Ein junger Mensch im tadellosen Sacco¬
Anzug, ein flotter Großstädter von heute, hat eine
Liebelei mit einem lieben Wiener Mädel und eine
verheirathete Weltdame hat er zur Geliebten. Der
ann der Weltdame — gestern hat er noch mit
ihm in der Theaterloge gesessen — kommt dahinter
und erschießt den armen Kerl im Duell. Ja, ich
bitte Dich, das muß doch ein paar Dutzend junge
Männer in einem modernen Zuschauerraum höchst
peinlich berühren. Da hört doch das Spiel auf.
snd da fängt die Rohheit an. Das ist ja geradezu
Zins Denunzation. Eine Dame meiner Bekannt¬
Cchaft hat nach der Première der „Liebelei“einen
Abschiedsbrief an ihren Freund geschrieben und ist
mit ihrem Manne an den Garda=See gefahren.“
Ich hatte den Eindruck, daß Adolar dem Adres¬
saten jenes Abschiedsbriefes sehr nahe stand; aber,
ich unterbrach ihn nicht.
„Und dann“ — et redete sich in Wuth „gelst
Du in's Theater, um Rösselsprünge zu lösen?“
Ich verneinte wahrheitsgetreu. Und ich fügte
hinzu, daß ich Rösselsprüngen schon als Kinz nur
an trostlosen Regentagen ein flüchtiges Interesse
abgewinnen konnte.
„Kein Mensch geht in's Theater, um Rössel¬
sprünge zu lösen. Aber ich bitte Dich: die Hälfte
aller unserer modernen Dramen endigt mit einem
Fragezeichen, mit einem Räthsel, mit einem Rössel¬
sorung. Das ältere Drama räumte säuberlich auf:
Mord oder Heirath. Man sprang im letzten Alt
mit gleichen Füssen in die Ehe oder in's Grab.
Es gab zu allen Zeiten Menschen, die lieber sterben,
als — —Na ja. Aber so oder so, es war ein
Ende.
Heute — in din seltensten Fällen der
Pistolenschuß hinter der Scene. Ein resignirtes
Auseinandergehen oder ein zuversichtliches „Labore¬
mus!“ Was wird aus „ihm?“ was wird aus
20
„ihr?“ In solcher Belastung der Zuschauer mit
ungelösten Fragen sehe ich eine der wesentlichsten
Verrohungen der modernen Dramatik. Nora be¬
gann damit. Sie läuft fort — —
Schluß, Ende.
Pohin? Was wird sie? Telephondame? Masseuse?
Lnzerungerin? Zahnärztin? Man hat das Ge¬
fühl, man kann ihr jeden Tag in der Elektrischen
gegenübersitzen, ohne sie zu erkennen. Einen blin¬
den Greis auf der Hälfte einer Treppe stehen zu
lassen — das wird als Rohheit empfunden. Aber
ein ganzes Publikum eine weite Strecke mitzufüh¬
ren und dann die Lichter auszudrehen — das gilt
als modernster Theatertrie.“
Adolar haite sich in jenen schönen Zorn g
redet, der ihm gut zu Gesicht stand. Aber sein
Redestrom ward dann gefährlich. Ihn zu hemmen
habe ich ein sehr einfaches Mittel ersonnen. Ich
frage ganz plötzlich, so ungefähr an den Anfang
unserer Unterredung anknüpfend mit todternstem
Gesicht etwas maßlos Dummes. Das wirkt dann
wie eine plötzliche Erdrosselung seiner schweifenden
Redelust.
Und da er gerade wieder anfängt: „Eine der
scheußlichsten Rohheiten aber, und das soll nicht
vergessen werden —
unterbreche ich ihn. Und
lief' und feierlich in seine Augen blickend frage ich:
„Adolar, glaubst Du, daß ein Ichneumon die
faulen Krokodileier lieber aussäuft, oder die
frischen?
R. P.