II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 1679

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Liebeler

Weien, M
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mein reizvoll. Sie spielt die Figur ohne jede
Drastik, ohne jene falschen Theatertöne, die
bereits Konvention dieser Figur geworden sind.
Sie gibt wieder den ursprünglichen Sinn der
Gestalt voll Frische, Zartheit und Humor.
Paula Wessely als Christine hat ihren
großen Abend, fern von all den gefälligen Nich¬
tigkeiten, die sie hier jahrelang spielen mußte.
Ihre Christine ist ein stiller, herber, in sich ge¬
haltener Mensch. Ohne Lüge. Ohne Schein. Das
Gefühl dieser Christine liegt nicht offen zu Tag,
es brennt nach innen. Sie gibt sich schwer, aber
wenn sie sich einmal gegeben hat, bewahrt sie
nichts für sich zurück. Kein passives Geschöpf,
das genommen und zerbrochen wird. Immer ist:
es sie selbst, die entscheidet, und hat darum die
gleiche, ungeteilte, elementare Kraft auch im
Schmerz. Auch da kennt sie kein Verzichten, kein
Paktieren mit der Wirklichkeit der sogenannten
Vernünftigen, auch da will sie nur alles oder
nichts. In dieser Christine vereint sich — und
das macht sie so groß — die miterlebende, ver¬
zaubernde Magie einer blutechten Schauspielerin
und jene geheimnisvolle Urkraft, die nicht das
Individuum sich selber, die nur das Volk einem
Oskar Maurus Fontana.
gibt.
Maria Lazars: „Die Nebel von
Dybern“
Uraufführung im Stettiner Stadttheater.
Berlin, 21. Februar. (Eigenbericht.)
* Das Stettiner Stadttheater brachte gestern
das Stück „Die Nebel von Dybern“ der Wiener
Schriftstellerin Maria Lazar zur Uraufführung.
Es war gerade der Tag der tausendsten Vor¬
stellung der Stettiner Theatergemeinde, was die
Wiener Autorin als besondere Ehrung buchen!
darf.
Das Stück behandelt das Thema des Gas¬
krieges und des Krieges überhaupt, aber nur in¬
direkt. Maria Lazar geht als Frau an den Stoff
heran. Sie zeigt den Männern, daß sie nicht im¬
stande sind, die fürchterlichen Mordwassen, die
sie zur gegenseitigen Vernichtung entfesseln, ver¬
läßlich zu beherrschen. Das zeigt sie in dem
Schicksal einer Stadt, die gar nicht am Kampf
beteiligt war und — eben infolge der Unzuver¬
lässigkeit derjenigen, die sich anmaßen, die furcht¬
baren Verwüstungskräfte spielen zu lassen:
der Vernichtung durch Gas anheim fällt.
Es war ein Wagnis, das Stück gerade im auf¬
geregten Nordosten herauszubringen, das Wagnis
ist aber geglückt. Maria Lazar und die Darsteller
erzielten vollen Erfolg.
Werner Krauß nun doch am Burg¬
theater
* Die Verhandlungen Direktor Röbbelings
mit Werner Krauß haben erfreulicherweise
nunmehr doch noch zum Abschluß geführt. Werner
Krauß wird bereits Ende März im Burg¬
theater auftreten und zunächst Rollen spielen,
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1. Oesterr.
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Büro für Zeltungsnachrichten
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Kleines Volksblatt, Wien
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Schede Kansle.
Schnitzler-Feier.
„Liebelel“ und „Der läßsere Kassian“ 141
Josefstädter Theater.
Es war kein schlechter Einfall, neben die
Balladentragik wienerischen Leichtsinns, neben
die „Liebelei“, die bittere Harlekinade des
„Tapferen Kassian“ zu setzen. Das von der
Melancholie nahen Unterganges erfüllte
Wesen Schnitzlers wird überdentlich, der
Dichter, der an der Schwelle zweier Zeiten
stand, einer alten, an die er nicht mehr, und
einer neuen, an die er noch nicht glauben
konnte. Nun wird am doppelten Beispiel die
ganze „Relativitätstheorie“ der Schnitzlerschen
Dramatik bewiesen, die ihre Menschen nicht im
Kampf von Gut und Böse, von Willen und
Gegenwillen zerbrechen läßt, sondern im
Glauben, daß es keines von beiden gibt, und
an ihrer inneren Willenlosigkeit, die sich ja
auch hinreichend als verhängnisvolle Wirklich¬
keit fühlbar gemacht hat. Im Grunde hat sie
die ganze Welt vor 1914 zugrundegerichtet.
Ueber solche historische Ueberlegung der
„Liebelei“ hinaus wirkt freilich manche Stim¬
mung, die traurige Anmut manchen Ge¬
spräches noch ganz unmittelbar, namentlich
wenn eine so vollkommene Darstellung der
Dichtung dient, wie im Josefstädter Theater.
Unter der Regie Kalbecks bringen Hans
Thimig, Friedl Czepa und Alfred Neu¬
gebauer erst die Liebesverwirrung des
Pierrotstückes graziös und melancholisch vor
die Hörer, dann packt sie die Wessely als
Christine mit der ganzen elementaren Macht
ihrer großen schauspielerischen Natur. Sie hat
Augenblicke, die nicht nur das Publikum,
auch alle Vorstellungen des Wiener „süßen
Mädels“ wie sie sich in der Literaturgeschichte
heimisch gemacht haben, als allzu billig er¬
schüttern. Heinrich Schnitzler spielt den
Näsoneur, ans Thimig sehr diskret das
tragische Opfer der Liebelei, Hugo Thimig
ist ein menschlich rührender alter Weyring,
Annie Rosar seine=Schwester. Und wieder
behauptet sich Friedl Czepa auch neben den
außerordentlichen Maßen der Wessely als
Künstlerin von wienerischer Anmut, Grazie
und Natürichkeit, wie sie nicht bald ihres¬
gleichen hat. Der Erfolg war groß. Dr. F. Schr.