II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 1714

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(Edith, Grete und Orfrud bummeln in Hernals
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„Breimaderthaus
Chemienote
Nächtliche Wanderung aus Angst vor schlechtem Zeugnis
Drei Gymnasiastinnen, Edith D., Grete B. Edith und Ortrud sehr brave Schülerinnen sen chmütter
und Ortrud S., alle drei zwischen 14 und 15 Jahre versicherten in Nachmittagsblättern, daß die Kinder normal
alt, haben gestern 24 Stunden lang die gesamte Verwandt= seien, allerdings über die Jahre hinaus gescheit und ent
Film¬
schaft und mit ihr die Wiener Polizei in Atem gehalten. wickelt. Und obwohl festgestellt wurde,
fanatikerinnen waren und die 15jährige Edith logen Schnitzlers
Sie waren 24 Stunden spurlos verschwunden!
„Liebelei“ gesehen hatte (eine Tatsacht, an die dustere Ver¬
Die Meinungen waren geteilt. Die Mamas behaupteten,
mutungen getnüpft wurden), so stellte sich gestern abends
daß Kinderräuber ihren Wohnbezirk Döbling unsicher
doch heraus, daß die ganz gewöhnliche und alltägliche
machen, die Tanten wisperten von einem Geheimklub, die
Mittelschülerangst vor einer schlechten Zensur
Onkel mutmaßten, daß der Frühling das „Dreimäderlhaus“
das Döblinger Dreimäderlhaus zu diesem Abenteuer getrieben
auf die Wanderschaft getrieben habe. Nur die ergrimmten
hatte. Diesmal war es die Chemie, die Eltern, Kinder
Papas und die Polizei erklärten schlicht und sachlich: „Wahr¬
und die Beamten des Abgängigkeitsreferates eine schlaflose
scheinlich hat das Kleeblatt nichts gelernt und fürchtet Nacht bereitete.
jetzt das Zeugnis!“
Kampf= und Reisefonds: 30 Groschen
Düstere Vermulungen
Die drei Mädchen wußten, daß ihre Mütter zur Chemie¬
Die Schuldirektion des Wasagymnasiums, dem die drei
klehrerin gebeten werden sollten, und beschlossen deshalb,
Ausreißerinnen angehörten, erklärten freilich, daß Grete,
vor hereinbrechendem Donnerwetter, die Herzen der Eltern
erweichen. Sie
zu
durch mehrstündiges Verschwinden
in verschiedenen
bummelten während der ganzen Nacht
Hernalser Straßen, der Kampf= und Reisefonds von
80 Groschen wurde in einem Automatenbüfett in Roll¬
mopsbrötchen umgesetzt. Merkwürdigerweise trafen die
Mädchen keinen Wachebeamten, der natürlich sofort die in
allen Wachstuben signalisierten Ausreißerinnen nach Hause
gebracht hätte. Sich fest an den Händen haltend, zog das
Döblinger Dreimäderlhaus an Vorstadtkaffees und Steh¬
weinhallen vorbei, ständig auf der Flucht vor der
[Chemienote, ständig mit dem Wunsch: wenn wir nur
schon wieder nach Haus gehen könnten.
Von der Mitschülerin verhaftet
Der nächste Morgen sah das Trifolium in Währing,
bei Tag fielen die Kinder in den Gassen weiter nicht auf.
Inzwischen erzählten einander die Kameradinnen im Gym¬
Inasium während r Pausen schon furchtbare Geschichten
von Entführungen, Fimengagements und Verbrechen. Wie
groß war daher das Erstaunen der 14jährigen Elfi K.,
der Sitznachbarin einer der drei Abgängigen, als sie nach¬
mittags die drei verlorenen Schafe seelenruhig in der Liechten¬
steinstraße spazieren gehen sah. Im Triumph schleppte Elfi
ihre verhafteten Mitschülerinnen zu den diversen Eltern,
wo Edith, Grete und Ortrud gerade zurecht kamen, um
ihre eigene Abgängigkeitsanzeige im Radio zu hören.