II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 1723

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Liebelei

Reue
Biener Extrablatt
mungsvollen Vorstellung bei. Ob Herr
haberschaft nicht seines ursprünglichen Am¬
Hübner als gekränkter und rachegieriger
tes ist. Heinrich Schnitzler aber, der Sohn
Ehemann fehl am Platze war, möchte ich
des Dichters, überrascht durch weise Bän¬
Thtater
nicht entscheiden. Seine Unerbittlichkeit und
digung des Schauspielerischen, zu natür¬
tödliche Sicherheit in der Sache selbst schei¬
licher und einfacher Partnerschaft am
Schnitzler=Abend in der
nen mir glänzend gespielt. Weit eher möchte
Schicksal des Freundes; anscheinend farb¬
man dem Dichter den Vorwurf machen, er
los, erweckt er gerade damit das sichere Ge¬
Josefstadt
habe den Gehörnten gänzlich ohne einen
fühl, daß es in seinem Innern umso stür¬
Schnitzlers „Liebelei“, aufgeführt mit
Unterton menschlicher Anteilnahme gelassen
mischer zugeht. Hugo Thimigs rührender
Paula Wessely, Friedl Czepa, Anny Rosar,
und dadurch den Schauspieler gleichsam un¬
Vater und Anny Rosars Katharina Binder,
Hans und Hugo Thimig und Heinrich
möglich gemacht, in seine Hörner zu blasen.
eine von Gewissensbissen heimgesuchte Ehe¬
Schnitzler, versucht, die Pause bis zur näch¬
Hans Liebstoeckl.
stifterin, tragen zum Gesamtbild der stim¬
sten Novität mit einer edlen Beschäftigung
auszufüllen, die unter Paul Kalbecks um¬
sichtigem Blick dem Andenken des Dichters
dient. Das Burgtheater, in gleicher Lage,
griff etwas derber zu. Kalbecks Vorstellung
verläuft stiller, inniger und musikalischer;
leichtes Moll mit scherzhaften Motiven
aus der Geheimkammer des Wiener We¬
sens. Ein Seher wienerischer Art wählt
hier unter den verschiedenen Wiener Na¬
men für lockere Liebesbeziehungen, als da
sind „Techtel=mechtel“, „Gspusi“ und „Pan¬
tscherl“ das mildeste, süßeste und am besten
klingende: „Liebelei“ nennt er jenes
höchst angenehme Gefühl zweier Menschen
für einander, die, ohne viel Beschwer, vor¬
übergehend so viel als möglich glücklich
sein möchten; wird große Leidenschaft dar¬
aus, so verliert die Liebe ihr „lei“ und
wird eben Liebe ganz allein. Fühlt endlich
der eine Teil ewige Liebe, der andere aber
nur Liebelei, dann gibt es eben Schmerz,
Verzweiflung, Sehnsucht und selbstquäle¬
risches Grüblerglück, das heroischer
Willenskraft bedarf, um nicht zum Unter¬
gang zu führen. Christine Weyringer zer¬
bricht an diesem Zwiespalt; sie kann nicht
verstehen und nicht fassen, daß einer, der
ihre große Liebe erkennt und erwidert, zur
selben Stunde hingeht, um im Duell mit
dem Gatten einer anderen Frau zu fallen,
und daß es Zeiten und Zustände gibt, die
erlaubt, den Schuldigen ohne Verfahren
vor die Pistole des anderen zu stellen, ohne
daß ein Regimentskommandant den Mut
hätte, zu erklären: das Duell findet aus
höheren, menschlichen und damit zugleich
auch dienstlichen Gründen nicht statt.
Paula Wessely erschütternd echt in ihrer
Qual, sieht ihren Glauben an das Mensch¬
liche und Vernünftige dieser Welt jäh zu¬
sammenstürzen; sie eilt zum Grabe des Ge¬
liebten und selbst der Dichter nimmt an,
dast sie nicht mehr wiederkam: ein schwacher
Schluß, den zu spielen ihr sichtlich Mühe
macht. Die einleuchtende Kraft ihrer Dar¬
stellungskunst brachte Paula Wessely starken
Erfolg. Die anmutige Frau Czepa, gewitz¬
ter als ihre Freundin, wird mit dem
Problem der Liebelei weit rascher und
gründlicher fertig; sie plaudert sich durch
und hofft auf bessere Zeiten. Von den bei¬
den jungen Männern, die ihren Partnerin¬
nen in wienerischer Polarität gegenüber¬
stehen, befestigt Hans Thimig die Ueber¬
zeugung, daß seinem großen Talent keine
Grenzen gesetzt sind, obwohl die reine Lieb¬