Liebele
box 13/4
„OBSERVER
I. österr. behördl. konzessioniertes
Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
WIEN, I., WOLLZEILE 11
TELEPHON R-23-0-43
Ausschnitt aus:
WIRRER ZETENINe
volig FER 1033
Filmschau.
„Liebelei.“
Mit großem Tantam wird jetzt den Wienern die ver¬
tonfilmte „Liebelei“ nach Artur Schnitzler empfohlen.
Wer Artur Schnitzler sucht sei deingend davor gewarnt!
Man ist vom Film allerlei Gewaltsamkeiten wider den
guten Geschmack gewohnt. Aber ein derartiges Vergehen
an einem Werke aus und von tieister Seele und Natur
Wiens kann gar nicht genug scharf zurückgewiesen
werden. Hier in Wien wird man sich mehr oder minder
belustigen, was sich so ein deutscher Filmmacher mit samt
seinem Regisseur unter Wien vorstellt, daß aber nun
wieder in der ganzen Welt Wien falsch gezeigt und
falsch geschildert wird, ist äußerst betrüblich. Man traut
Augen und Ohren nicht, zugemutet zu bekommen, eine
alberne Liebesgeschichte zweier Backfische und österreichi¬
scher Offiziere in der Haltung und im Ton preußischer
Gardeleutnants als Gestalten Artur Schnitzlers aner¬
kennen zu sollen.
Gewiß, Artur Schnitzlers Dramen stehen und fallen
mit dem Wort, ihre Worte sind ihr inneres Leben.
Gerade Geistigkeit wiederzugeben, ist dem Film nicht
möglich. Seien wir glücklich, daß nach dieser Richtung
hin wenigstens der Mechanisierung unübersteigliche
Grenzen gezogen sind. Somit ergibt sich, daß eben ein
Dichter von den seelischen Valeurs Artur Schnitzlers
für die Barbarei des Films ungeeignet ist; man hätte
eben die Hand davon lassen sollen. Nichts, nichts, nichts
wie das einzige Wort „Liebelei“ ist von Artur Schnitzler
und von Wien geblieben.
Herr Ophüls, den man hier kurze Zeit an einem
Wiener Theater wirken sah, muß blind und taub sein,
falls ihm nicht grauen sollte, auch nicht einen Hauch
von der Stimmung der Wiener Hofoper, einer Wiener
Gasse, eines Wiener Kaffeehauses, eines Wiener Vor¬
stadtzimmers getroffen zu haben.
Kitsch, wildester Kolportagekitsch, sind auch alle Hin¬
Aichtuigen. Aus dem namenlosen Gatten — „ein
des Schnitzlerschen Dramas ist ein Baron
Herr“
Eggersdorf geworden. Wie das schon unösterreichisch
klingt! Die im Drama unbekannt bleibende Geliebte des
Fritz wird als kalte, glatte Salonschlange im Stil einer
— — Es
Sudermannschen blonden Bestie eingeführt -
ist zum die Wand hinauflaufen!
Anstatt, daß man versuchte, diesen Anti=Schnitzler
wenigstens in Wien zu drehen und mit Wiener Schau¬
spielern zu besetzen, sieht man mit Ausnahme von Fräu¬
lein Luise Ulrich und Paul Hörbiger prononciert
R. II—r.
norddeutsche Darsteller.
I. Oesterr.
SSIOBSERVER vereret, nons.
Büro für Zeitungsnachrichten
WIEN I, WOLLZEILE 1
—
8|5
Tolkszeitung, Wien
28 FPR 103
Neue Filme
Verfilmter Schnitzler.
„Liebelek.“
Wenige Tage, nachdem Paula Wessely
in Schnitzlers Schauspiel „Liebelei“ wieder
einen großen Erfolg errungen hat, tritt das
Stück als Film vor die Oeffentlichkeit. Kluger¬
weise wird nicht versucht, das Theater photo¬
graphiert zu zeigen, sondern Schnitzler wirk¬
lich so zu behandeln, wie er für das Kino be¬
handelt sein will. Der Regisseur Max
Ophüls hat es verstanden, eine Reihe von
Aenderungen vorzunehmen, die aber das
spezifisch Schnitzlerische nicht ertöten. Vorzüg¬
lich ist der Hauch des Vorkrieges Wiens ein¬
gefangen, der uns aus den Stücken dieses
Dichters entgegenatmet.
Das eigentliche Altösterreichische, das
Spezifische von Schnitzlers „Liebelei“, bringen
aber die Künstler heraus. Allen voran Luise!
Ulrich als Mizzi Schlager. Man hat sie
schon oft als entzückendes, liebes Mädel ge¬
sehen, aber so reizend, so anmutig wienerisch!
und seelenvoll war sie noch nie; in der Freude
wie im Schmerz gleich lebenswahr, gleich
zwingend. Ihr steht als Partnerin Magda
Schneider gegenüber. Im Anfang etwas
spröd, nicht recht zu Hause im Milien, später
aber, wo sie die tragende Rolle übernimmt,
da kommt sie voll zur Geltung, und in der
Schlußszene erreicht Magda Schneider einen
Höhepunkt ihres schauspielerischen Könnens.
Neben diesen beiden Frauen treten die
andern, sehr gut profilierten Figuren zurück.
eine schöne,
Olga Tschechowa
verführerische Baronin, Gustav Gründ=,
gens ein vornehmer, standesbewußter
#deliger, Willi Hörbiger und Wolfgang
Liebeneiner geben die beiden jungen
Offiziere flott und ausdrucksvoll, Paul
Horbiger spielt einen verträumten Musiker
und Paul Otto einen würdevollen Major.
Theo Mackebens Musik umrahmt
„Liebelei“ im Film, wo es sich ebenso durchsetzt
wie auf dem Theater, auch wenn
Probleme, die den Dichter erfüllten, heute
längst nicht mehr aktuell sind.
box 13/4
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I. österr. behördl. konzessioniertes
Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
WIEN, I., WOLLZEILE 11
TELEPHON R-23-0-43
Ausschnitt aus:
WIRRER ZETENINe
volig FER 1033
Filmschau.
„Liebelei.“
Mit großem Tantam wird jetzt den Wienern die ver¬
tonfilmte „Liebelei“ nach Artur Schnitzler empfohlen.
Wer Artur Schnitzler sucht sei deingend davor gewarnt!
Man ist vom Film allerlei Gewaltsamkeiten wider den
guten Geschmack gewohnt. Aber ein derartiges Vergehen
an einem Werke aus und von tieister Seele und Natur
Wiens kann gar nicht genug scharf zurückgewiesen
werden. Hier in Wien wird man sich mehr oder minder
belustigen, was sich so ein deutscher Filmmacher mit samt
seinem Regisseur unter Wien vorstellt, daß aber nun
wieder in der ganzen Welt Wien falsch gezeigt und
falsch geschildert wird, ist äußerst betrüblich. Man traut
Augen und Ohren nicht, zugemutet zu bekommen, eine
alberne Liebesgeschichte zweier Backfische und österreichi¬
scher Offiziere in der Haltung und im Ton preußischer
Gardeleutnants als Gestalten Artur Schnitzlers aner¬
kennen zu sollen.
Gewiß, Artur Schnitzlers Dramen stehen und fallen
mit dem Wort, ihre Worte sind ihr inneres Leben.
Gerade Geistigkeit wiederzugeben, ist dem Film nicht
möglich. Seien wir glücklich, daß nach dieser Richtung
hin wenigstens der Mechanisierung unübersteigliche
Grenzen gezogen sind. Somit ergibt sich, daß eben ein
Dichter von den seelischen Valeurs Artur Schnitzlers
für die Barbarei des Films ungeeignet ist; man hätte
eben die Hand davon lassen sollen. Nichts, nichts, nichts
wie das einzige Wort „Liebelei“ ist von Artur Schnitzler
und von Wien geblieben.
Herr Ophüls, den man hier kurze Zeit an einem
Wiener Theater wirken sah, muß blind und taub sein,
falls ihm nicht grauen sollte, auch nicht einen Hauch
von der Stimmung der Wiener Hofoper, einer Wiener
Gasse, eines Wiener Kaffeehauses, eines Wiener Vor¬
stadtzimmers getroffen zu haben.
Kitsch, wildester Kolportagekitsch, sind auch alle Hin¬
Aichtuigen. Aus dem namenlosen Gatten — „ein
des Schnitzlerschen Dramas ist ein Baron
Herr“
Eggersdorf geworden. Wie das schon unösterreichisch
klingt! Die im Drama unbekannt bleibende Geliebte des
Fritz wird als kalte, glatte Salonschlange im Stil einer
— — Es
Sudermannschen blonden Bestie eingeführt -
ist zum die Wand hinauflaufen!
Anstatt, daß man versuchte, diesen Anti=Schnitzler
wenigstens in Wien zu drehen und mit Wiener Schau¬
spielern zu besetzen, sieht man mit Ausnahme von Fräu¬
lein Luise Ulrich und Paul Hörbiger prononciert
R. II—r.
norddeutsche Darsteller.
I. Oesterr.
SSIOBSERVER vereret, nons.
Büro für Zeitungsnachrichten
WIEN I, WOLLZEILE 1
—
8|5
Tolkszeitung, Wien
28 FPR 103
Neue Filme
Verfilmter Schnitzler.
„Liebelek.“
Wenige Tage, nachdem Paula Wessely
in Schnitzlers Schauspiel „Liebelei“ wieder
einen großen Erfolg errungen hat, tritt das
Stück als Film vor die Oeffentlichkeit. Kluger¬
weise wird nicht versucht, das Theater photo¬
graphiert zu zeigen, sondern Schnitzler wirk¬
lich so zu behandeln, wie er für das Kino be¬
handelt sein will. Der Regisseur Max
Ophüls hat es verstanden, eine Reihe von
Aenderungen vorzunehmen, die aber das
spezifisch Schnitzlerische nicht ertöten. Vorzüg¬
lich ist der Hauch des Vorkrieges Wiens ein¬
gefangen, der uns aus den Stücken dieses
Dichters entgegenatmet.
Das eigentliche Altösterreichische, das
Spezifische von Schnitzlers „Liebelei“, bringen
aber die Künstler heraus. Allen voran Luise!
Ulrich als Mizzi Schlager. Man hat sie
schon oft als entzückendes, liebes Mädel ge¬
sehen, aber so reizend, so anmutig wienerisch!
und seelenvoll war sie noch nie; in der Freude
wie im Schmerz gleich lebenswahr, gleich
zwingend. Ihr steht als Partnerin Magda
Schneider gegenüber. Im Anfang etwas
spröd, nicht recht zu Hause im Milien, später
aber, wo sie die tragende Rolle übernimmt,
da kommt sie voll zur Geltung, und in der
Schlußszene erreicht Magda Schneider einen
Höhepunkt ihres schauspielerischen Könnens.
Neben diesen beiden Frauen treten die
andern, sehr gut profilierten Figuren zurück.
eine schöne,
Olga Tschechowa
verführerische Baronin, Gustav Gründ=,
gens ein vornehmer, standesbewußter
#deliger, Willi Hörbiger und Wolfgang
Liebeneiner geben die beiden jungen
Offiziere flott und ausdrucksvoll, Paul
Horbiger spielt einen verträumten Musiker
und Paul Otto einen würdevollen Major.
Theo Mackebens Musik umrahmt
„Liebelei“ im Film, wo es sich ebenso durchsetzt
wie auf dem Theater, auch wenn
Probleme, die den Dichter erfüllten, heute
längst nicht mehr aktuell sind.