II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 1752

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Wre
tuend einen derartigen Vergleich. Knapp, sparsam sind die
Möglichkeiten, die das Theater bieten. Zusammengepreßt,
gewitterähnlich vollzieht sich dort die Katastrophe, als End¬
ergebnis aller Voraussetzungen, die zu erraten, die erratend
zu empfinden die Phantasie von Darstellern und Zuschauern
beschäftigt. Die Kamera dagegen, die Filmleinwand haben
keinerlei Hemmungen weder im Raum noch im Wechsel der
Schauplätze. Darin liegt ihr enormer Reichtum, liegt auch
ihre ungeheure Gefahr.
Da ist nun ein Film, der die reichen Möglichkeiten der
Leinwand gewissermaßen mit Entsagung nützt und die Ge¬
fahren weitschweifigen Geschwätzigseins, bildüppigen Kitsches
aufs glücklichste meidet. Der Regisseur Ophüls, den man von
seiner kurzen Tätigkeit am Burgtheater in bester Erinnerung
behielt, gehört zu jenen Künstlern der jüngeren Generation,
die entschlossen sind, Geschmack, Feingefühl, wirkliche Musi¬
kalität und echtes Menschentum in die Filmateliers zu
bringen an Stelle der gewaltsamen, abgeschmackten Ver¬
fälschungen, deren klebrige Uebersüßtheit so zahllose Leute
aus den Kinos vertreibt. Besonders das Wienerische, das nie
existiert hat, die Heurigendudelei, zu der geflügelte „Engerlu“
in den Bäumen sitzen, die Johann=Strauß=Wonnen, die sich
derart nur in den Köpfen balkanischer Provinzler zutragen,
sind durch Regisseure vom Format des Ophüls erledigt. Nach
und nach gewiß auch die balkanbenachbarten Provinzler, die
sich lange genug für Weaner ausgeben durften Ophüls
täuscht kein Wien vor, gegen das man sich auflehnen muß.
Der Anfang seiner Liebelei, der in der Oper spielt, mit dem
unsichtbaren Kaiser, mit dem Theaterglas, das von der
Galerie ins Parkett fällt, dieser Anfang ist ein wenig un¬
beholfen, doch zu kurz, um zu stören. Dann aber saßt Ophüls
den Stoff der Liebelei behutsam und energisch zugleich an.
Straff rollen die Vorgänge ab, straff vollzieht sich der Wechsel
vieler Schauplätze. Das Verhältnis, darin der junge Fritz
mit der Baronin umstrickt ist und davon er sich befreit, weil er
die Lüge verschmäht und weil er Christine liebt, wird klar
hingestellt. Die Liebe, zu der die Liebelei zwischen Fritz und
Christine erblüht, ist auf einer photographisch wunderschönen
Schlittenfahrt ganz ohne Sentimentalität überzeugend zum
Bewußtsein gebracht. Dramatische, filmdramatische Spreng¬
kraft haben die Szenen, in welchen der Gatte den Betrug
seiner Frau erfährt, besonders die Szene, in welcher er Fritz
des Betruges überführt und ihn zum Duell herausfordert,
das Fritz als Offizier, und eben deswegen ist er i Film
Offizier, nicht ablehnen kann. Diese Szenen, an denen auch
die Verfasser des Drehbuches, Wilhelm und Alexander, ihren
großen verdienstlichen Anteil haben, sind ganz unabhängig
von Arthur Schnitzler erfunden, wenngleich im Geist seiner
Dichtung. Sie sind neuartig, sind aus dem jungen Genre
des Films entstanden, ebenso wie jener Augenblick, da
Theodor und die Schlagermizzi von ferne das Duell behorchen.
Ein Schuß knallt, die beiden warten, lauschen, dann fragt
Theodor bedrückt: „Wo bleibt der zweite Schuß?“ Mizzi
viederholt mit entsetztem Schrei diese Frage, und man weiß:
etzt liegt Fritz tot auf dem Rosen. Das ist wirklich filmisch.
Die Darsteller sind im ganzen ausgezeichnet. Der
kleinen, reizenden Magda Schneider hätte man die Christine
sicht zugetraut. Doch diese Süddeutsche bringt das holde
Wiener Mädel, bringt die Gefühlsinnigkeit der wahrhaft
Liebenden schon vor der Katastrophe so einfach, so glaubhaft,
#aß sie die Wendung zum Tragischen nur ganz kurz anzu¬
deuten braucht, um zu überzeugen. Eine rührend liebenswerte
Festalt ist der Fritz des Herrn Liebeneiner. Er hat alles zu
einem jugendlichen Liebhaber ersten Ranges. Schwung,
Zartheit, Anmut und Lyrik. Das andere Paar, Fräulein
Ullrich und Herr Eichberger, bringen eine wohltemperierte
Munterkeit. Herr Gründgens aber in seiner meisterhaften
Kälte hat, wie so oft, auch diesmal die Todesdrohung des
Schicksals an sich, eine Eigenschaft, die ihn für die Bühne
vie für die Flimmerleinmand unersetzlich macht.
Dieser „Liebelei"=Film, in Mozart=Musik und in die
ingeheure Melodie von Beethovens „Fünfter“ gewiegt, läßt
en Stoff Schnitzlers zu seiner Entstehungszeit unberührt,
üllt ihn mit modernem Denken und Empfinden und be¬
bahrt der Dichtung den Charakter einer zeitlosen Liebes¬
allade. Es ist eine Filmarbeit, abseits von jeder Schablom##
auf neuen, zukunftsreichen Wegen, eine Arbeit, die nicht bloß;
Erfolg hat, sondern in der Art René Clairs, in der Art
Granowskys und weniger anderer Regiekünstler Folge haben
wird. Diese jung erblühende Form des Lichtspieles muß und
wird das Puvlikum erobern, das vom süßverlogenen
Schmarrn längst schon übersättigt ist.