II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 1894


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Liebe
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Schnitzler im Operettenst11.
Urauf führung von ISchwärmerei“ im Detnye Teater gestens abende
Innerhalb des Publikums im Detnye Teater varen gestern
zwei Parteien die um die Nacht stritten: Die Schnitzlerfreunde und
die Operettenfreunde. Die Schnitzler-Freunde sassen da bleich vor
Aerger darüber, dass man sich an des Dichters egegantem unbarm¬
herzögen Schauspiel vergriffen hat, um es in eine Wiener Operette
mit Zuckerschnecken und Glycerintränen zu verwandeln, Die Operetten¬
freunde hingegen waren begei stert und dies weil sie nun einmal nicht
fanden, dass sich das Leben schöner und wahrer ausdrücken lässt
als mittels schmelzender Töne und schmachtender Blicke. Das Theater
sol1 also nicht nit den Schnitzlerfreunden reohnen, Aber das haben
die Herren Ivar Schmidt und Schönberg auch gar nicht getan. Sie
hoffen sicher darauf, in Kopenhagen so viel Operettenfreunde zu
finden, dass das Theater sich Abend für Abend mit einem Publikum
füllt, welches annimmt, dass schnitzler ein Gericht ist, welches
sich zu einem bedingungslosen Genuss von Schlagern, Tanzauftrit¬
ten und der rührigen Geschichte hingibt.
Für uns Neutrale, die wir Schnitzler nicht zu hoch nehmen,
andererseits aber auch keine fanatischen Operettenbewunderer sind,
war dies ein etvas gemischter Abend. Das Beste war noch der .ifang
mit seinen bunten Auftritten vom 1eben Wien, von der Trabrennbahn
und den kleinen Heurigengärtchen - aber als der heurige Nein ge¬
trunken var, begannen wir uns unleugbar etwas zu langweilen.., vas
uns aber nicht abhalten sollte, festzustellen, dass rings um uns
Hunderte von Taschentüchern währ end der grossen rührigen Szenedes
letzten Aktes triefend nass varen.