II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 2001

5.
Liebelei
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Unsere heutige Nummer umfaßt 68 Seiten und
enthält im Inseratentheile nachstehende Texte:
Fortsetzung des Romans „Schloß Osterno“. Seite 17.
Gemüthliche Touristik. Seite 21.
Militärisches. Seite 25.
Wiener Herbstmoden. Seite 33.
Tagesbericht Seite 36.
Sport. Seite 49, 50, 51.
Feuilleton.
Wie uns Andere sehen.
Das Laub fällt von den Bäumen ... Die Winter¬
dämmerung mit ihrer Schwermuth drückt in der Fremde
doppelt aufs Herz . .. Das Heimweh ist fast eine physische
Pein ... Ich fange an, das Exil der Alten zu verstehen
Es ist ja Alles recht schön und gut; die Menschen könnten
nicht freundlicher sein, und die Dinge lassen sich befriedigend
an; ein Tag lehrt den andern, wie das alte gelehrte
Sprüchlein sagt; die Arbeit rückt vom Fleck. Aber es ist
Alles so nüchtern und schal — die Sinne nehmen Altes
und Neues auf, wie die durstige Erde einen laugerwarteten
Regen aufsaugt, aber es dringt nichts bis zum Gemüth.
Man vergißt, was es heißt, sich seines Daseins zu freuen.
Die Pflicht ist eine vortreffliche Sache, die Arbeit sei ge¬
priesen für und für, aber sie helfen einem nicht über das
Heimweh hinweg.
Der heutige Nachmittag hat es beinahe gethan. Es
war ein Stück Wien mitten in der steinernen Fremde,
ich habe das Lob Wiens aus fremdem, kritischem Munde
gehört. William Archer hat mir von seiner Reise nach
Wien, von der herrlichen Ringstraße, von der entzückenden
Umgebung, von den großartigen Museen — vor Allem
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Ausdrucke kommt, von den Deutschen verst
aber vom Wiener Theater erzählt. Wer Wilhelm Archer
dem Gemüthe erfaßt wurde, das hat die ra
ist? Der berufenste Theaterkritiker Englands, dessen
liche Einbürgerung Shakespeare's in Deutschla
Schriften geradezu eine Erziehung für Dichter, Schau¬
aber auch die Engländer das gleiche Verständn
spieler und Publicum bedeuten. Die schriftstellerische
Schriftthume jemals entgegenbringen,
Laufbahn Archer's fällt nicht nur zeitlich mit der Wieder¬
werden? In der Blüthezeit der deutschen
geburt des englischen Dramas zusammen. Ohne Archer
von einem sehr gelehrten, sehr ernsten Man
sind Jones und Pinero nicht zu denken; beide Dichter
gemacht, den Engländern Wieland, Lessi
hätten möglicherweise ohne ihn den Weg zum Ruhme
erschließen. William Taylor aus Norwich
gefunden, vielleicht wäre „Die zweite Frau“ geschrieben
Leben dem schönen Ziele gewidmet un
worden, auch wenn Archer nicht seine besten Kräfte dafür
erreicht. Sein Nachfolger Thomas Carly
eingesetzt hätte, dem größten Bühnendichter der Gegen¬
geringerem Verständniß viel mehr Glück
wart in England Eingang zu verschaffen, aber daß ein
Theaterdirector den Muth fand, das revolutionäre wortgewaltige Schotte, der durch Verer
Stück aufzuführen und daß er damit den größten Erfolgziehung Stockpuritauer war, wie er es
der letzten zehn Jahre erzielte, das ist Archer's Ver= himmelung Oliver Cromwell's bewies, hatt
vielleicht zur Kunst überhaupt nicht das
dienst. Freilich wäre das noch nicht genug, um ihm
in deutschen Landen Beachtung zu verschaffen, denn das hältniß, und doch hat dieser Mann den
englische Theater ist immer noch eine Londoner Local= auch in England zum Bildungsdogma erh##
angelegenheit und noch lange nicht Weltliteratur. Was Einfluß Carlyle's ist rasch im Sinken be¬
Archer einem Deutschen so interessant macht, das ist die rasch wie das flüchtige Bedürfniß, das dents
zu studiren. Nach diesen abschreckenden B
geschichtliche Gerechtigkeit, die er, vielleicht unbewußt, in
sehr muthig von Archer, das junge Deutsch
seinem kritischen Amte übt. Archer ist auf dem besten
Wege, das für die englische Bühne zu thun, was der dem aufmerksamen Studium der englische
zu empfehlen, noch dazu in einer Zeit, die
größte Kritiker, den die Welt je gehabt hat, für die
viel Neigung für Deutschland und die
deutsche Bühne gethan hat. Lessing hat den französischen
Geist durch den englischen ausgetrieben. Archer versucht finden dürfte. Und doch glaube ich, daß A#
es, den Eindringling mittels germanischer Zauberformeln sein wird als Tahlor und sein Landsman
zu bannen. Archer glaubt nicht an eine allgemein giltige hat den Schönheitssinn, den Geschmack, die
ästhetische Regel, und es fällt ihm nicht ein, die französische die Vielseitigkeit, die jenen beiden Dolmet
Technik für unbedingt falsch, die deutsche für unbedingt Schriftthums abging — auch darin hat Ar
richtig zu halten; aber er hat mit Lessing den Glauben Lessing gemein:
Seit Jahren schon sehnte er sich danac
gemein, daß die deutsche Volksseele auf den gleichen
welt Wiens und Berlins, die er im Gei
Grundton gestimmt ist wie die englische. Daß das
dramatische Ideal, vielleicht das literarische Ideal über= kannte, aus der Nähe zu sehen, wurd
haupt, wie es in den großen englischen Schriftstellern zum Berufsgeschäfte immer wieder zurückgeh