II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 2002

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Liebele
S. mhmm.mchal.
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S

aber vom Wiener Theater erzählt. Wer Wilhelm Archer Ausdrucke kommt, von den Deutschen verstanden und mit
nfast 68 Seiten und
ist? Der berufenste Theaterleitiker Englands, dessen
stehende Texte:
dem Gemüthe erfaßt wurde, das hat die rasche und gründ¬
Schriften geradezu eine Erziehung für Dichter, Schau¬
liche Einbürgerung Shakespeare'sin Deutschland bewiesen, Ob
„Schloß Osterno“. Seite 17.
spieler und Publicum bedeuten. Die schriftstellerische
21.
aber auch die Engländer das gleiche Verständniß dem deutschen
Laufbahn Archer's fällt nicht nur zeitlich mit der Wieder¬
Schriftthume jemals entgegenbringen, entgegenbringen
geburt des englischen Dramas zusammen. Ohne Archer
werden? In der Blüthezeit der deutschen Dichtung wurde
sind Jones und Pinero nicht zu denken; beide Dichter von einem sehr gelehrten, sehr ernsten Manne der Versuch
hätten möglicherweise ohne ihn den Weg zum Nuhme
gemacht, den Engländern Wieland, Lessing. Goethe zu
gefunden, vielleicht wäre „Die zweite Frau“ geschrieben
erschließen. William Taylor aus Norwich hat ein langes
worden, auch wenn Archer nicht seine besten Kräfte dafür
Leben dem schönen Ziele gewidmet und es niemals
eton.
eingesetzt hätte, dem größten Bühnendichter der Gegen¬
erreicht. Sein Nachfolger Thomas Carlyle hat bei viel
wart in England Eingang zu verschaffen, aber daß ein geringerem Verständniß viel mehr Glück gehabt; der
Theaterdirector den Muth fand, das revolutionäre wortgewaltige Schotte, der durch Vererbung und Er¬
dere sehen.
Stück aufzuführen und daß er damit den größten Erfolg ziehung Stockpuritauer war, wie er es in seiner Ver¬
Bäumen ... Die Winter¬
der letzten zehn Jahre erzielte, das ist Archer's Ver¬
himmelung Oliver Cromwell's bewies, hatte zum Theater,
muth drückt in der Fremde
dienst. Freilich wäre das noch nicht genug, um ihm
vielleicht zur Kunst überhaupt nicht das geringste Ver¬
keimweh ist fast eine physische in deutschen Landen Beachtung zu verschaffen, denn das hältniß, und doch hat dieser Mann den Goethe=Cultus
Exil der Alten zu verstehen
englische Theater ist immer noch eine Londoner Local= auch in England zum Bildungsdogma erhoben. Aber der
gut; die Menschen könnten
angelegenheit und noch lange nicht Weltliteratur. Was Einfluß Corlyle's ist rasch im Sinken begriffen, fast so
Dinge lassen sich befriedigend
Archer einem Deutschen so interessant macht, das ist die rasch wie das flüchtige Bedürfniß, das deutsche Schriftthum
ern, wie das alte gelehrte
geschichtliche Gerechtigkeit, die er, vielleicht unbewußt, in
zu studiren. Nach diesen abschreckenden Beispielen ist es
ückt vom Fleck. Aber es ist
seinem kritischen Amte übt. Archer ist auf dem besten
sehr muthig von Archer, das junge Deutschland von heute
die Sinne nehmen Altes
Wege, das für die englische Bühne zu thun, was der dem aufmerksamen Studium der englischen Theaterkreise
e Erde einen laugerwarteten
größte Kritiker, den die Welt je gehabt hat, für die
zu empfehlen, noch dazu in einer Zeit, die nicht besonders
igt nichts bis zum Gemüth.
deutsche Bühne gethan hat. Lessing hat den französischen
viel Neigung für Deutschland und die Deutschen vor¬
ch seines Daseins zu freuen.
Geist durch den englischen ausgetrieben. Archer versucht
finden dürfte. Und doch glaube ich, daß Archer glücklicher
he Sache, die Arbeit sei ge¬
es, den Eindringling mittels germanischer Zauberformeln
sein wird als Taylor und sein Landsmann Carlyle. Er
helfen einem nicht über das
zu bannen. Archer glaubt nicht an eine allgemein giltige hat den Schönheitssinn, den Geschmack, die Unbefangenheit.
ästhetische Regel, und es fällt ihm nicht ein, die französische
die Vielseitigkeit, die jenen beiden Dolmetschern deutschen
hat es beinabe gethan. Es
Technik für unbedingt falsch, die deutsche für unbedingt
Schriftthums abging — auch darin hat Archer Vieles mit
in der steinernen Fremde,
richtig zu halten; aber er hat mit Lessing den Glauben
Lessing gemein.
fremdem, kritischem Munde
gemein, daß die deutsche Volksseele auf den gleichen
Seit Jahren schon sehnte er sich danach, die Theater¬
t mir von seiner Reise nach
Grundton gestimmt ist wie die englische. Daß das
welt Wiens und Berlins, die er im Geiste vortrefflich
straße, von der entzückenden
dramatische Ideal, vielleicht das literarische Ideal über= kannte, aus der Nähe zu sehen, wurde aber durch
tigen Museen — vor Allem haupt, wie es in den großen englischen Schriftstellern zum Berufsgeschäfte immer wieder zurückgehalten. Diesen