Liebelei
box 13/8
A A S 4 E a. I.
Mittwoch, 25. Dezember 1935
kleineren Theater, eine schöne Hauptrolle be¬
kommen und er würde mich beurlauben, ohne
Gage natürlich. Das andere Theater bot mir
tatsächlich eine Tagesgage, die der Gage im
festen Engagement entsprach, ich nahm also
an. Mein Engagement an dem kleineren
Theater dauerte beiläufig zwei Monate und
so ersparte ich meinem „fixen“. Direktor
600 Schilling.
3000 Schilling ist übrigens eine „normale'
Einlage. An dem genannten Theater wurden
auch schon 10.000 bezahlt. Allerdings war
dann auch die „Gage' größer.“
Der glückliche Bonvivant
Jugendlicher Bonvivant — das ist ein sehr
gesuchtes Fach. Der junge Mann, mit dem
wir sprechen, kann sich durchaus nicht be¬
klagen. Das erste Theater, an dem er engagiert
war, ging zwar Pleite, aber er fand sofort
wieder Beschäftigung, ohne sich darum viel zu
bewerben.
Der junge Schauspieler ist der Sohn eines
Arztes und verfügt über eine tadellose
Selen de Merhte
Garderobe.
2 5.DEZ. 1935
Zehn Schilling Tagesgage mit
„Garderobezwang“
Das Gegenstück: eine junge Schauspielerin
erhält an einem renommierten Theater ein
Engagement auf Stückdauer. Das heißt,
Die Theater und der Nachwuchs:
lange das Stück, fur das sie verpflichtet ist,
auf dem Repertoire bleibt, erhält sie täglich
ihre Gage, im gegebenen Fall zehn Schilling.
Zwischen Schauspielerprüfung
Aber dafür mußte sie die Verpflichtung
übernehmen, ihre Torletten — drei Kleider
selbst beizustellen. Eines der Kleider sollte
und Engagement
ein nobles Abendkleid sein — Preis 260 Schil¬
ling. Also mußte das Stück wenigstens 26mal
über den Wert oder Unwert der Be= ling monatlich könnte sie dort verdienen. Die gespielt werden, wenn die Schauspielerin ihre
fähigungsprüfung für Schauspieler und Sän= Hoffnungen sind bereits so weit herab= Kosten auch nur für ein Kleid hereinbringen
wollte.
geschraubt, daß sie sich um ein solches En¬
ger ist schon vieles gesagt worden. Da nun
Die Serie der Novität war viel kleiner.
aber einmal die Prüfung obligat ist, um den gagement bewirbt. Dreimal singt sie in der
Das Engagement hatte die junge Schau¬
Zulassungsschein und damit ein Engagement Staatsoper vor, zuerst mit 160 Angemel¬
spielerin einige hundert Schilling gekostet.
deten dann mit 80, zum Schluß ist sie unter
zu erlangen, müßte man doch einmal fragen,
Bekanntlich wurde seinerzeit jahrelang von
den fünf sechs streng Ausgewählten. Beim
ob wenigstens für die glücklichen Absolventen
der Gewerkschaft der Schauspieler darum
dritten Vorsingen wird sie als die Beste
der Prüfung der Zulassungsschein ein Enga¬
gekämpft, daß die Theaterdirektionen den
qualifiziert und — aus dem Engagement
gement auch tatsächlich erwirkt.
Schauspielern die Kleider für die Bühne bei¬
Wir haben uns an eine Anzahl junger wird nichts. Die Bundestheaterverwaltung
stellen mußten. Aber man hält sich in Wien,
Künstler und Künstlerinnen mit der Frages erhebt Einspruch, weil zuerst noch drei Ele¬
wie man sieht, nicht mehr durchaus daran.
vinnen für ein Chorengagement in Betracht
gewendet, wieviel und welche Chancen für
kommen.
den oder die bestehen, die die Befähigungs¬
Eine kleine Rolle — 500 Schilling
prüfung mit gutem Erfolg abgelegt haben.
Die Eltern verschaffen irgendwie das
In einem großen Musiktheater, in dem
Das Ergebnis dieser Rundfrage ist für die
Reisegeld nach Deutschland, wo ihre zweite
gelegentlich auch Prosastücke unter einer an¬
gegenwärtigen Theaterverhältnisse charak¬
Tochter im Engagement steht, und nun hun¬
deren Leitung gespielt werden, sprach eine
teristischer als viele Enqueten, es ist ein auf¬
Schauspielerin vor, um in einem der Prosa¬
gern sich zwei Wienerinven draußen durch.
rüttelnder ein sensationeller Einblick, den
stücke eine Rolle zu erhalten. Man einigte sich
Die Spareinlage für die Direktion
man durch die Mitteilungen der Jugend er¬
schließlich, daß sie eine kleine Rolle spielen
hält, die begeistert zum Theater gehen wollte
„An einem sehr bekannten großen Wiener
dürfe, als Regiebeitrag wurde das Sümmchen
und nun trotz anerkannter Begabung vor den
Theater“, erzählt eine junge, sehr bühnen¬
von 500 Schilling verlangt, und da die Eltern
tealen Tatsachen steht.
wirksame Salondame, die indessen schon
der jungen Dame von dem großen Wert eines
solchen „Debuts“ überzeugt waren, be¬
gute Kritiken hat, „erhielt ich mein erstes
Auf der Engagementssuche
fixes Engagement — gegen eine Einlage von ziehungsweise sich überzeugen ließen, wurde
Eine junge Schauspielerin, die bei der Prü¬
der Betrag auch bezahlt.
3000 Schilling, die ich der Direktion „vor¬
fung Hauptmanns „Hannele“ und Schntzlers
Besucher der betreffenden Vorstellung
steckte'. Dafür bekam ich einen Vertrag auf
ehrsgittem
Christine aus der „Liebelei“ m#i
dürften sich gewundert haben, daß die
zehn Monate mit einer Monatsgage von
Erfolg vorsprach, berichtet folgendes: „Natur¬
Trägerin einer ganz kleinen Rolle besonders
300 Schilling. Ich erhielt die 300 Schilling
lich versucht man zuerst, an einer großen
oft und ausdauernd vor dem Vorhang
zuerst wirklich, bis mir der Direktor eines
Wiener Bühne unterzukommen. Mit der
Tages mitteilte, ich könnte an einem andern, erschienen ist.
Elevengage wäre man ja sehr zufrieden denn
man wohnt dann zu Hause und ißt zu Hause,
irgendwie würde es schon gehen. Aber man
wird sofort gefragt: „Wo haben Sie bisher
#7
gespielt, waren Sie schon in der Prooinz?“
Und dann wird man achselzuckend weg¬
geschickt, um erst Routine auf einer Provinz¬
bühne zu erwerben.
Wie sieht aber ein solches Provinzengage¬
nent aus? Im Ausland kommt nur ein
minimaler Prozentsatz unter und die öster¬
reichische Provinz ist ebenfalls eng begrenzt,
Doch selbst wenn man das „Glück“ hätte, ein
Provinzengagement zu erhalten, man kann
es gar nicht annehmen — außer man ist aus
wohlhabendem Hause. Die Gagen in der
box 13/8
A A S 4 E a. I.
Mittwoch, 25. Dezember 1935
kleineren Theater, eine schöne Hauptrolle be¬
kommen und er würde mich beurlauben, ohne
Gage natürlich. Das andere Theater bot mir
tatsächlich eine Tagesgage, die der Gage im
festen Engagement entsprach, ich nahm also
an. Mein Engagement an dem kleineren
Theater dauerte beiläufig zwei Monate und
so ersparte ich meinem „fixen“. Direktor
600 Schilling.
3000 Schilling ist übrigens eine „normale'
Einlage. An dem genannten Theater wurden
auch schon 10.000 bezahlt. Allerdings war
dann auch die „Gage' größer.“
Der glückliche Bonvivant
Jugendlicher Bonvivant — das ist ein sehr
gesuchtes Fach. Der junge Mann, mit dem
wir sprechen, kann sich durchaus nicht be¬
klagen. Das erste Theater, an dem er engagiert
war, ging zwar Pleite, aber er fand sofort
wieder Beschäftigung, ohne sich darum viel zu
bewerben.
Der junge Schauspieler ist der Sohn eines
Arztes und verfügt über eine tadellose
Selen de Merhte
Garderobe.
2 5.DEZ. 1935
Zehn Schilling Tagesgage mit
„Garderobezwang“
Das Gegenstück: eine junge Schauspielerin
erhält an einem renommierten Theater ein
Engagement auf Stückdauer. Das heißt,
Die Theater und der Nachwuchs:
lange das Stück, fur das sie verpflichtet ist,
auf dem Repertoire bleibt, erhält sie täglich
ihre Gage, im gegebenen Fall zehn Schilling.
Zwischen Schauspielerprüfung
Aber dafür mußte sie die Verpflichtung
übernehmen, ihre Torletten — drei Kleider
selbst beizustellen. Eines der Kleider sollte
und Engagement
ein nobles Abendkleid sein — Preis 260 Schil¬
ling. Also mußte das Stück wenigstens 26mal
über den Wert oder Unwert der Be= ling monatlich könnte sie dort verdienen. Die gespielt werden, wenn die Schauspielerin ihre
fähigungsprüfung für Schauspieler und Sän= Hoffnungen sind bereits so weit herab= Kosten auch nur für ein Kleid hereinbringen
wollte.
geschraubt, daß sie sich um ein solches En¬
ger ist schon vieles gesagt worden. Da nun
Die Serie der Novität war viel kleiner.
aber einmal die Prüfung obligat ist, um den gagement bewirbt. Dreimal singt sie in der
Das Engagement hatte die junge Schau¬
Zulassungsschein und damit ein Engagement Staatsoper vor, zuerst mit 160 Angemel¬
spielerin einige hundert Schilling gekostet.
deten dann mit 80, zum Schluß ist sie unter
zu erlangen, müßte man doch einmal fragen,
Bekanntlich wurde seinerzeit jahrelang von
den fünf sechs streng Ausgewählten. Beim
ob wenigstens für die glücklichen Absolventen
der Gewerkschaft der Schauspieler darum
dritten Vorsingen wird sie als die Beste
der Prüfung der Zulassungsschein ein Enga¬
gekämpft, daß die Theaterdirektionen den
qualifiziert und — aus dem Engagement
gement auch tatsächlich erwirkt.
Schauspielern die Kleider für die Bühne bei¬
Wir haben uns an eine Anzahl junger wird nichts. Die Bundestheaterverwaltung
stellen mußten. Aber man hält sich in Wien,
Künstler und Künstlerinnen mit der Frages erhebt Einspruch, weil zuerst noch drei Ele¬
wie man sieht, nicht mehr durchaus daran.
vinnen für ein Chorengagement in Betracht
gewendet, wieviel und welche Chancen für
kommen.
den oder die bestehen, die die Befähigungs¬
Eine kleine Rolle — 500 Schilling
prüfung mit gutem Erfolg abgelegt haben.
Die Eltern verschaffen irgendwie das
In einem großen Musiktheater, in dem
Das Ergebnis dieser Rundfrage ist für die
Reisegeld nach Deutschland, wo ihre zweite
gelegentlich auch Prosastücke unter einer an¬
gegenwärtigen Theaterverhältnisse charak¬
Tochter im Engagement steht, und nun hun¬
deren Leitung gespielt werden, sprach eine
teristischer als viele Enqueten, es ist ein auf¬
Schauspielerin vor, um in einem der Prosa¬
gern sich zwei Wienerinven draußen durch.
rüttelnder ein sensationeller Einblick, den
stücke eine Rolle zu erhalten. Man einigte sich
Die Spareinlage für die Direktion
man durch die Mitteilungen der Jugend er¬
schließlich, daß sie eine kleine Rolle spielen
hält, die begeistert zum Theater gehen wollte
„An einem sehr bekannten großen Wiener
dürfe, als Regiebeitrag wurde das Sümmchen
und nun trotz anerkannter Begabung vor den
Theater“, erzählt eine junge, sehr bühnen¬
von 500 Schilling verlangt, und da die Eltern
tealen Tatsachen steht.
wirksame Salondame, die indessen schon
der jungen Dame von dem großen Wert eines
solchen „Debuts“ überzeugt waren, be¬
gute Kritiken hat, „erhielt ich mein erstes
Auf der Engagementssuche
fixes Engagement — gegen eine Einlage von ziehungsweise sich überzeugen ließen, wurde
Eine junge Schauspielerin, die bei der Prü¬
der Betrag auch bezahlt.
3000 Schilling, die ich der Direktion „vor¬
fung Hauptmanns „Hannele“ und Schntzlers
Besucher der betreffenden Vorstellung
steckte'. Dafür bekam ich einen Vertrag auf
ehrsgittem
Christine aus der „Liebelei“ m#i
dürften sich gewundert haben, daß die
zehn Monate mit einer Monatsgage von
Erfolg vorsprach, berichtet folgendes: „Natur¬
Trägerin einer ganz kleinen Rolle besonders
300 Schilling. Ich erhielt die 300 Schilling
lich versucht man zuerst, an einer großen
oft und ausdauernd vor dem Vorhang
zuerst wirklich, bis mir der Direktor eines
Wiener Bühne unterzukommen. Mit der
Tages mitteilte, ich könnte an einem andern, erschienen ist.
Elevengage wäre man ja sehr zufrieden denn
man wohnt dann zu Hause und ißt zu Hause,
irgendwie würde es schon gehen. Aber man
wird sofort gefragt: „Wo haben Sie bisher
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gespielt, waren Sie schon in der Prooinz?“
Und dann wird man achselzuckend weg¬
geschickt, um erst Routine auf einer Provinz¬
bühne zu erwerben.
Wie sieht aber ein solches Provinzengage¬
nent aus? Im Ausland kommt nur ein
minimaler Prozentsatz unter und die öster¬
reichische Provinz ist ebenfalls eng begrenzt,
Doch selbst wenn man das „Glück“ hätte, ein
Provinzengagement zu erhalten, man kann
es gar nicht annehmen — außer man ist aus
wohlhabendem Hause. Die Gagen in der