II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 2070

Zehn Schiling Tagesfasse mit
25.
„Garderobezwang“
Das Gegenstück: eine junge Schauspielerin
erhält an einem renommierten Theater ein
Engagement auf Stückdauer. Das heißt,
Die Theater und der Nachwuchs:
lange das Stück, für das sie verpflichtet ist,
auf dem Repertoice bleibt, erhält sie täglich
ihre Gage, im gejebenen Fall zehn Schilling.
Zwischen Schauspielerprüfung
Aber dafür mißte sie die Verpflichtung
übernehmen, ihre Torletten — drei Kleider
selbst beizustollen. Eines der Kleider sollte
und Engagement
ein nobles Abendkleid sein — Preis 260 Schil¬
ling. Also mußte das Stück wenigstens 26mal
Über den Wert oder Unwert der Be= ling monatlich könnte sie dort verdienen. Die gespielt werden wenn die Schauspielerin ihre
fähigungsprüfung für Schauspieler und Sän= Hoffnungen sind bereits so weit herab= Kosten auch nur für ein Kleid hereinbringen
wollte.
geschraubt, daß sie sich um ein solches En¬
ger ist schon vieles gesagt worden. Da nun
Die Serie der Novität war viel kleiner.
gagement bewirbt. Dreimal singt sie in der
aber einmal die Prüfung obligat ist, um den
Das Engagement hatte die junge Schau¬
Staatsoper vor, zuerst mit 160 Angemel¬
Zulassungsschein und damit ein Engagement
spielerin einige hundert Schilling gekostet.
zu erlangen, müßte man doch einmal fragen, deten dann mit 80, zum Schluß ist sie unter
Bekanutlich wurde seinerzeit jahrelang von
den fünf, sechs streng Ausgewählten. Beim
ob wenigstens für die glücklichen Absolventen
der Gewerkschaft der Schauspieler darum
dritten Vorsingen wird sie als die Beste
der Prüfung der Zulassungsschein ein Enga¬
gekämpft, daß die Theaterdirektionen den
qualifiziert und — aus dem Engagement
gement auch tatsächlich erwirkt.
Schauspielern die Kleider für die Bühne bei¬
Wir haben uns an eine Anzahl junger wird nichts. Die Bundestheaterverwaltung
stellen mußten. Aber man hält sich in Wien,
Künstler und Künstlerinnen mit der Frage erhebt Einspruch, weil zuerst noch drei Ele¬
wie man sieht, nicht mehr durchaus daran.
gewendet, wieviel und welche Chancen füroinnen für ein Chorengagement in Betracht
den oder die bestehen die die Befähigungs¬
kommen.
Eine kleine Rolle — 09 Schilling
prüfung mit gutem Erfolg abgelegt haben.
Die Eltern verschaffen irgendwie das
In einem großen Musiktheater, in dem
Das Ergebnis dieser Rundfrage ist für die
Reisegeld nach Deutschland, wo ihre zweite
gelegentlich auch Prosastücke unter einer an¬
gegenwärtigen Theaterverhältnisse charak¬
Tochter im Engagement steht, und nun hun¬
deren Leitung gespielt werden, sprach eine
teristischer als viele Enqueten, es ist ein auf¬
gern sich zwei Wienerinnen draußen durch.
Schauspielerin vor, um in einem der Prosa¬
rüttelnder ein sensationeller Einblick, den
stücke eine Rolle zu erhalten. Man einige sich
Die Spareinlage für die Direktion
man durch die Mitteilungen der Jugend er¬
schließlich, daß sie eine kleine Rolle spielen
hält, die begeistert zum Theater gehen wollte
„An einem sehr bekannten großen Wiener
dürfe, als Regiebeitrag wurde das Sümmchen
und nun trotz anerkannter Begabung vor den
Theater“, erzählt eine junge, sehr bühnen= von 500 Schilling verlangt, und da die Eltern
tealen Tatsachen steht.
wirksame Salondame, die indessen schon der jungen Dame von dem großen Wert eines
solchen „Debuts“ überzeugt waren, be¬
gute Kritiken hat, „erhielt ich mein erstes
Auf der Engagementssuche

fixes Engagement — gegen eine Einlage von ziehungsweise sich überzeugen ließen, wurde
Eine junge Schauspielerin, die bei der Prü¬
der Betrag auch bezahlt.
3000 Schilling, die ich der Direktion „vor¬
fung Hauptmanns „Hannele“ und Schn tziers
Besucher der betreffenden Vorstellung
steckte'. Dafür bekam ich einen Vertrag auf
Christine aus der „Liebelei“ h
dürften sich gewundert haben, daß die#
zehn Monate mit einer Monatsgage von
Ersolg vorsprach, berichtet folgendes: „Natür¬
Trägerin einer ganz kleinen Rolle besonders
300 Schilling. Ich erhielt die 300 Schilling
lich versucht man zuerst, an einer großen
oft und aus auernd vor dem Vorhang
zuerst wirklich, bis mir der Direktor eines
Wiener Bühne unterzukommen. Mit der
Tages mitteilte, ich könnte an einem andern, erschienen ist.

Elevengage wäre man ja sehr zufrieden denn


man wohnt dann zu Hause und ißt zu Hause,
S
irgendwie würde es schon gehen. Aber man
„Wo haben Sie bisher
wird sofort gefragt:
#%
gespielt, waren Sie schon in der Prooinz?“
Und dann wird man achselzuckend weg¬
zeschickt, um erst Routine auf einer Provinz¬
bühne zu erwerben.
Wie sieht aber ein solches Provinzengage¬
nent aus? Im Ausland kommt nur ein
minimaler Prozentsatz unter, und die öster¬
reichische Provinz ist ebenfalls eng begrenzt,
Doch selbst wenn man das „Glück“ hätte, ein
Provinzengagement zu erhalten, man kann
es gar nicht annehmen — außer man ist aus
wohlhabendem Hause. Die Gagen in der
Provinz sind überall für eine Elovin so klein
— sagen wir: 160 Schilling —, daß sie kaum
für Wohnung, Essen und die geringsten An¬
schaffnungen reichen. Die Theaterdirektionen
verlangen aber, daß man auch die Bühnen¬
kleidung stellt, für eine junge Schauspielerin
eine untragbare Forderung — wenn sie nicht
von zu Hause reichlich Zuschuß erhält. Oder
muß man eben einen reichen „Freund“ fin¬
den, wenn man zu arm ist um von der Gage
zu leben und selbst die Bühnentoiletten zu be¬
zahlen?
Man muß auf den Hauptreffer warten, in
Wien an einer Vorstadtbühne ein Engage¬
ment zu erhalten. Dort bekommt man auch
die Gage sicher.“
Absolvierte Koloratursängerin —
nicht einmal im Chor
Eine junge hübsche Absolventin der Staats¬
akademie für Musik und darstellende Kunst,
Tochter eines Musikers, ist eine sehr begabte
Koloratursängerin. Das wird ihr auch bei der
Befähigungsprüfung versichert. Und nun
sieht sie sich um. Man sagt ihr gleich, daß
man zum Vorsingen an einem bestimmten
Institut nur gegen Erlag eines solchen Be¬
trages zugelassen wird, den ihre nichtbemittel¬
ten Eltern nicht aufbringen könnten. Pro¬
vinzengagement rundherum keines. Da medet
sie sich zum Chor der Staatsoper — 70 Schil¬
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