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iebelei
A.
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box 13/8
Ausschnitt aus:
Keues Wiens Jeursch, Wis
——
9 FEB. 1930
New=York bekommt ein öster¬
reichisches Theater.
Triumph der Weltgeltung der Wiener Bühnenkunst.
Von
Edward Lee.
New=York, Anfang Februar.
Wie viele Menschen deutscher Muttersprache eigentlich in
New=York leben, wird sich niemals genau feststellen lassen. Die
vorsichtigste Schätzung nimmt ihre Ziffer aber mit einer Million
an. Infolgedessen sind die natürlichen Voraussetzungen für Bestehen
und Gedeihen eines deutschen Theaters in der amerikanischen
Metropole durchaus gegeben. Daß seit einigen Jahren kein solches
mehr besteht, liegt an den bekannten politischen Schwierigkeiten,
auf die auch der Rückgang der Zahl jener amerikanischen Ton¬
filmhäuser, die deutsche Filme bringen, von 275 auf 12 zurück¬
zuführen ist.
Nunmehr soll aber das Bedürfnis nach einem deutschsprachigen
Theater in New=York in einer Weise befriedigt werden, die
politisch nirgends Anstoß zu erregen vermag. Es ist nämlich die
Gründung einer österreichischen Bühne in Vorbereitung. Bedeutsam
an dieser Neugründung, die wieder einmal die Weltgeltung öster¬
reichischer Bühnenkunst aufs Sinnfälligste demonstriert, ist die
Tatsache, daß sie von der Regierung selbst gefördert wird. Das
„Federal Theatre Project“
also der Plan, nach dem das
amerikanische Theater in seiner Gesamtheit mit öffentlichen
Mitteln gefördert werden soll
sieht auch den Aufbau einer
deutschsprachigen Theaterorganisation unter österreichischer
Führung vor.
Diese Organisation wird demnächst in einem bisher leer¬
stehenden New=Yorker Bühnenhaus spielen
— als Eröffnungs¬
vorstellung ist Kleists „Zerbrochener Krug“ in Aussicht
genommen — und von hier aus Gastspiele in allen amerikanischen
Großstädten mit starkem deutschen Bevölkerungsanteil unter¬
nehmen. Chicago, Philadelphia, Detroit und Milwaukee haben
bereits ihr Interesse angemeldet.
Die Prominenten wirken mit.
Obgleich das Unternehmen natürlich ein rein unpolitisches
ist, soll seine österreichische Färbung besonders betont werden.
Es lebt ja in den Vereinigten Staaten — zum größten Teil
schon seit vielen Jahren — eine erhebliche Zahl österreichischer
Bühnenschaffender aller Art, Schauspieler, Sänger, Musiker,
Tänzer und andere, die bisher unter dem Mangel eines
organisatorischen Zusammenhanges litten, wie er nun ins Leben
gerufen wird. Einige von ihnen haben sich auf der englisch¬
sprachigen Bühne durchzusetzen verstanden, so Franz Lederer,
Walter Slezak, der junge Schildkraut, Arnold Korff, der unver¬
geßliche Bonvinant des Burgtheaters. Alle Prominanten Wiener
Herkunft haben sich jedoch bereit erklärt, ungeachtet ihrer viel
einträglicheren englischen Verpflichtungen, am Start der Oester¬
reichischen Bühne mitzuwirken.
Das Oesterreichische Theater wird zunächst nur Sprechstück
und Operette pflegen; in der nächsten Saison wird sein Repertoire
dann auch die Mozart=Oper einbeziehen. In Aussicht genommen
sind Auführungen von ##
“, „Das Konzert“ und
ein Werk von Hoffmannsthäkt als Eröffnungsvorstelungen ian
modernen Sprechstück. Auch zwei Lustspiele von lebenden öster¬
reichischen Autoren werden zur Aufführung gelangen. Mit
besonderer Sorgfalt wird die klassische Wiener Operette gepflegt
werden, die bei jeder Neuauffrischung in Amerika immer noch
ihre Zugkraft bewiesen hat. Es wird sich, wie die Leitung betont,
dabei keineswegs um jene eher improvisierten Vorstellungen
handeln, die die Operette alten Stils so häufig in Mißkredit
gebracht haben, sondern um besonders gewählte und gepflegte
Inszenierungen, mit Mitteln herausgebracht, die die schwierige
Konkurrenz in Amerlka bestehen können.
iebelei
A.
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box 13/8
Ausschnitt aus:
Keues Wiens Jeursch, Wis
——
9 FEB. 1930
New=York bekommt ein öster¬
reichisches Theater.
Triumph der Weltgeltung der Wiener Bühnenkunst.
Von
Edward Lee.
New=York, Anfang Februar.
Wie viele Menschen deutscher Muttersprache eigentlich in
New=York leben, wird sich niemals genau feststellen lassen. Die
vorsichtigste Schätzung nimmt ihre Ziffer aber mit einer Million
an. Infolgedessen sind die natürlichen Voraussetzungen für Bestehen
und Gedeihen eines deutschen Theaters in der amerikanischen
Metropole durchaus gegeben. Daß seit einigen Jahren kein solches
mehr besteht, liegt an den bekannten politischen Schwierigkeiten,
auf die auch der Rückgang der Zahl jener amerikanischen Ton¬
filmhäuser, die deutsche Filme bringen, von 275 auf 12 zurück¬
zuführen ist.
Nunmehr soll aber das Bedürfnis nach einem deutschsprachigen
Theater in New=York in einer Weise befriedigt werden, die
politisch nirgends Anstoß zu erregen vermag. Es ist nämlich die
Gründung einer österreichischen Bühne in Vorbereitung. Bedeutsam
an dieser Neugründung, die wieder einmal die Weltgeltung öster¬
reichischer Bühnenkunst aufs Sinnfälligste demonstriert, ist die
Tatsache, daß sie von der Regierung selbst gefördert wird. Das
„Federal Theatre Project“
also der Plan, nach dem das
amerikanische Theater in seiner Gesamtheit mit öffentlichen
Mitteln gefördert werden soll
sieht auch den Aufbau einer
deutschsprachigen Theaterorganisation unter österreichischer
Führung vor.
Diese Organisation wird demnächst in einem bisher leer¬
stehenden New=Yorker Bühnenhaus spielen
— als Eröffnungs¬
vorstellung ist Kleists „Zerbrochener Krug“ in Aussicht
genommen — und von hier aus Gastspiele in allen amerikanischen
Großstädten mit starkem deutschen Bevölkerungsanteil unter¬
nehmen. Chicago, Philadelphia, Detroit und Milwaukee haben
bereits ihr Interesse angemeldet.
Die Prominenten wirken mit.
Obgleich das Unternehmen natürlich ein rein unpolitisches
ist, soll seine österreichische Färbung besonders betont werden.
Es lebt ja in den Vereinigten Staaten — zum größten Teil
schon seit vielen Jahren — eine erhebliche Zahl österreichischer
Bühnenschaffender aller Art, Schauspieler, Sänger, Musiker,
Tänzer und andere, die bisher unter dem Mangel eines
organisatorischen Zusammenhanges litten, wie er nun ins Leben
gerufen wird. Einige von ihnen haben sich auf der englisch¬
sprachigen Bühne durchzusetzen verstanden, so Franz Lederer,
Walter Slezak, der junge Schildkraut, Arnold Korff, der unver¬
geßliche Bonvinant des Burgtheaters. Alle Prominanten Wiener
Herkunft haben sich jedoch bereit erklärt, ungeachtet ihrer viel
einträglicheren englischen Verpflichtungen, am Start der Oester¬
reichischen Bühne mitzuwirken.
Das Oesterreichische Theater wird zunächst nur Sprechstück
und Operette pflegen; in der nächsten Saison wird sein Repertoire
dann auch die Mozart=Oper einbeziehen. In Aussicht genommen
sind Auführungen von ##
“, „Das Konzert“ und
ein Werk von Hoffmannsthäkt als Eröffnungsvorstelungen ian
modernen Sprechstück. Auch zwei Lustspiele von lebenden öster¬
reichischen Autoren werden zur Aufführung gelangen. Mit
besonderer Sorgfalt wird die klassische Wiener Operette gepflegt
werden, die bei jeder Neuauffrischung in Amerika immer noch
ihre Zugkraft bewiesen hat. Es wird sich, wie die Leitung betont,
dabei keineswegs um jene eher improvisierten Vorstellungen
handeln, die die Operette alten Stils so häufig in Mißkredit
gebracht haben, sondern um besonders gewählte und gepflegte
Inszenierungen, mit Mitteln herausgebracht, die die schwierige
Konkurrenz in Amerlka bestehen können.